Das Lachen ist ihr Markenzeichen. Selbst wenn sie in einem Rennen das letzte bisschen Kraft aus sich herauspresst, sieht Langläuferin Laurien van der Graaff, 30, dank Mandelaugen und Pausbäckchen freundlich aus. Keine Psychospielchen also, um die Gegnerinnen zu täuschen. «Das ist mein fokussiertes Gesicht, ich kann nicht anders», sagt sie, nachdem sie in Davos GR drei Bergsprints absolviert hat.
Der Jubel beim Auftaktrennen der Tour de Ski in Lenzerheide GR kurz vor Jahresende kommt aus ihrem tiefsten Innern. Zehn Jahre nach ihrem Debüt und drei Jahre nach der letzten von drei Podestplatzierungen im Weltcup sprintet sie zu ihrem ersten Weltcupsieg. Die Erleichterung ist spürbar, als sie zuerst die Hände in die Höhe und dann den Kopf in den Nacken wirft. Sie ist nach Evi Kratzer 1987 die erste Schweizer Langlauf-Weltcupsiegerin!
Diese Statistik ist für die schweizerisch-holländische Doppelbürgerin van der Graaff nur eine Randnotiz. Viel wichtiger: «Ich konnte endlich die mentale Blockade lösen. Es mag komisch klingen, aber ich traute mich endlich zu siegen. Der Erfolg ist eine Genugtuung für mich und mein ganzes Team.»
Mit dem Team meint sie vor allem auch Andreas Waldmeier, 35, ihren langjährigen Freund und Trainer. «Als wir uns im Ziel sahen, kamen mir die Tränen», erzählt sie. Waldmeier ist ehemaliger Langläufer und heute hauptberuflich Kunstmaler mit eigenen Ateliers zu Hause in Davos und in Zürich. «Ich sehe einen Lauf auf der Loipe wie ein Kunstwerk. Es ist nie fertig oder perfekt, kein statisches Gefüge. Jedes Resultat ist das Ergebnis aus verschiedenen Entscheidungen, die man aus Überzeugung trifft, von denen man aber nie weiss, ob sie richtig sind», sagt er philosophisch. «Lauriens Sieg gibt uns die Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»
Ihr Weg ist unkonventionell. Statt mit dem Kader von Swiss-Ski trainiert van der Graaff seit fünf Jahren mit dem Privatteam. Dieses finanziert die studierte Sportwissenschaftlerin und Biologin durch den privaten Sportförderer TG Hütten, die Sporthilfe sowie Sponsoren.
Die Speziallösung brachte ihr auch schon den Ruf einer Einzelgängerin oder gar Diva ein. Im Gespräch wirkt sie eher selbstreflektiert und selbstkritisch denn egoistisch oder selbstverliebt. «Ich meine nicht, es besser zu machen oder den einzig richtigen Weg zu gehen. Ich wollte die volle Verantwortung für meine Karriere übernehmen.» Das Verhältnis zu den Teamkolleginnen sei sehr gut. «Nur bin ich nicht so gesellig, wie man es von Holländern erwartet.» Sicher ist: Der Erfolg gibt ihr recht.
Der Sprint um die Olympia-Medaille
Auch neben der Loipe sind Laurien van der Graaff und Andreas Waldmeier ein eingespieltes Team. Sie teilen Job und Privatleben ohne strikte Trennung. Zumindest nicht bewusst. «Ich bin eh keine, die zu Hause auf dem Sofa noch übers Langlaufen sprechen muss», sagt sie. Dafür gibts im Training durchaus mal Reibereien oder Kommunikationsprobleme. Er ist ein strenger Trainer, Lob gibts selten. «Ich brauche das. Andreas kritisiert mich, regt mich an, Dinge zu überdenken, meine Gewohnheiten zu ändern. Er hat meine Festplatte neu programmiert!»
So zum Beispiel, als die Skating-Spezialistin vor vier Jahren ihren Klassiklaufstil komplett umstellen muss. Denn der olympische Sprint wird in Pyeongchang 2018 – anders als in Sotschi – in der klassischen Technik ausgetragen. «Zu Beginn kam ich mir extrem blöd vor, wir hatten riesige Diskussionen. Ich habe manchmal geweint, weil ich spürte, dass ich noch so weit entfernt war vom richtigen Gefühl. Wir haben manchmal wochenlang aneinander vorbeigeredet», erzählt sie. «Oder länger!», fügt er an.
Im Februar wird Laurien van der Graaff an Olympia in Südkorea um eine Medaille sprinten. Bis dahin haben Athletin und Trainer noch Zeit, an den letzten Feinheiten zu schleifen. Um dann am Tag X alle Teile zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzufügen. Vielleicht gar zu einer Komposition mit glänzender Nuance.