Auf dem Weg vom Bahnhof Zug runter zum See gerät Luzian Franzini ins Schwärmen. «Wir haben hier den schönsten Sonnenuntergang der Welt!» Doch just als die Sonne hinter dem Hügelkamm abtaucht und sich der Himmel kitschig rosa einfärbt, vibriert sein Handy. «Oh, ich muss noch kurz meine Zitate fürs ‹20 Minuten› checken.» Sagts und nimmt den Laptop aus der Tasche.
Erst Studium und Politik, dann Party
Vor einer Woche ist Franzini 23 Jahre alt geworden. Zeit, diesen Geburtstag ausgiebig zu feiern, hatte der Zuger keine. «Ich habe mit den Eltern und dem Grosi gemütlich gegessen – die Party steigt nach dem 10. Februar.»
Dann hat der Student der Internationalen Beziehungen in Genf nicht nur die Uni-Prüfungen hinter sich, sondern auch den wichtigsten Abstimmungskampf seines jungen Lebens. Als Kopf der Zersiedelungsinitiative will Franzini den Bauboom stoppen.
Er setzt sich für den Erhalt des Kulturlandes ein
Dabei nimmt es der Co-Präsident der Jungen Grünen nicht nur mit sämtlichen bürgerlichen Parteien auf, sondern auch mit einigen linken Kollegen (siehe Interview unten). «Meine Eltern machen sich schon etwas Sorgen, dass ich mich überlüpfe. Doch die neusten Umfrage-Ergebnisse geben mir zusätzlich Energie.» Dreieinhalb Wochen vor dem Urnengang ist immer noch eine Mehrheit der Schweizer dafür, die Bauzonen einzufrieren, um so Kulturland zu erhalten.
Franzini ist in Rotkreuz ZG aufgewachsen – mit dem Wald in der Nähe und dem Geruch von Gülle in der Nase. «Viele Bauernhöfe sind hier dem Bauboom zum Opfer gefallen.» Auch seine Grosseltern hatten früher einen Hof. «Mit meinem Grosi diskutiere ich gern über Politik», sagt Franzini. Obwohl oder gerade weil er und die ehemalige Luzerner CVP-Grossrätin das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne haben. «So lernt man argumentieren.»
Fukushima rüttelte ihn wach
Seine politische Initialzündung hat der Sohn eines Lehrerpaares 2011 – mit knapp 16. Damals explodiert im japanischen Fukushima ein Kernkraftwerk, und die Zuger wählen Jo Lang als einzigen linken Vertreter in Bern ab. «Dass fünf Bürgerliche, mehrheitlich alte Männer, unseren Kanton vertreten, wollte ich nicht akzeptieren.»
Für seine Jugendfreunde Renato Hayoz, 22, und Benji Cliffe, 22, ist Franzinis Beitritt zu den Jungen Grünen keine Überraschung gewesen. «Luzi war als Elfjähriger schon im Schülerparlament aktiv», erzählt Hayoz bei einer Töggeli-Partie im Pickwick-Pub in Zug, während Franzini gerade ein SMS von Journalisten beantwortet. Obwohl die 15-köpfige Clique den Jungpolitiker momentan wenig sieht, sei Luzi immer für seine Freunde da. Hayoz: «Als ich ein Austauschjahr in England machte, ist er 16 Stunden im Zug nach Brighton gefahren, um mich zu besuchen.»
Im Zug verbringt Franzini auch jetzt die meiste Zeit. Hier schreibt er an seiner Bachelorarbeit zu den Auswirkungen des EU-Beitritts auf den Arbeitsmarkt im Osten, isst «leider nicht immer gesundes und umweltfreundlich verpacktes» Take-Away-Food und bereitet seine Referate zur Zersiedelungsinitiative vor. «Ich bin ein kreativer Chaot und musste lernen, mich zu organisieren.»
Besucht er Vorlesungen, lebt er in Genf mit einer Kollegin in einer 50-Quadratmeter-Wohnung, steht er in Zürich, Bern oder in der Zentralschweiz für Referate auf der Bühne, schläft er gelegentlich bei seinen Eltern in Rotkreuz. «Meine Wäsche mache ich selber», sagt er und grinst.
«Sonst gibts irgendwann nur noch Beton»
Für Benjamin Fischer, 28, Präsident der Jungen SVP, ist Franzini ein «typischer grüner Populist, der die Welt in Gut und Böse teilt». Die politische Karriere sei ihm wichtig. Andri Silberschmidt, 24, von den Jungfreisinnigen lobt Franzinis Fleiss, warnt aber vor der Initiative. «Sie gibt den Jungen keinen Spielraum, um sich zu entwickeln.» Franzini, der später gern mal mit seiner Freundin in einer städtischen Altbauwohnung leben würde, schüttelt den Kopf. «Wir schreiben den Leuten nicht vor, wie sie zu wohnen haben.» Es gehe darum, innerhalb der vorhandenen Bauzonen zu planen. «Sonst gibts irgendwann statt Landwirtschafts- und Erholungszonen nur noch Beton.»
Für die Nationalratswahlen im Herbst will sich Franzini «zur Verfügung stellen», auch wenn er sich kaum Chancen ausrechnet. Wichtiger sei vorerst der Auftritt in der «Arena» im Schweizer Fernsehen. Überzeugt er da die Zuschauer, kann er am 11. Februar den Laptop getrost mal zugeklappt lassen.
Herr Strahm, jede Stunde verschwindet ein Fussballfeld an Grünfläche. Besorgt Sie das nicht?
Das tut einem weh. Wir haben in der Bodenpolitik viel gesündigt, zum Beispiel mit Zweitwohnungen, Ferienhäusern, Seeanstossvillen. Allerdings ist der Baulandverbrauch auch eine Folge des Wohlstands, der Zuwanderung und der generell geräumigeren Wohnungen, auf die auch die Grünen nicht verzichten wollen.
Heute stehen Bauzonen von einer Fläche grösser als der Kanton Schaffhausen zur Verfügung. Da ist es doch sinnvoll, innerhalb dieser zu bauen, wie es die Initiative fordert.
Die ungenutzten Bauzonen sind in den Randgebieten, im Wallis, im Jura, in abgelegenen Dörfern. Nimmt das Volk die Zersiedelungsinitiative an, würde in diesen abgelegenen Gebieten gebaut.
Warum unterstützen denn Kleinbauern und Bio Suisse die Vorlage?
Wir können nicht nur die Bauerninteressen schützen! Die Initiative friert die Bauzonen ein, wo sie am meisten benötigt werden; in Städten und Agglomerationen. Damit steigen die Kosten für Bauland und die Mieten. Das geforderte «verdichtete Bauen» verhindert Kinderspielplätze und die Begrünung der Quartiere. Als ehemaliger Mieterpräsident warne ich vor dieser Initiative! Sie ist unsozial.
Was ist denn die Lösung? Im neuen Raumplanungsgesetz gibt es keine Begrenzung der Bauzonen.
Das ist falsch. Das neue Raumplanungsgesetz verpflichtet Kantone und Gemeinden, zu grosse Bauzonen rückzuzonen und diese auf 15 Jahre Siedlungsentwicklung zu beschränken. Wer bis im April seine Pläne nicht abliefert, unterliegt einem Bauzonenstopp.