«Seine Ruhe bewundere ich. Er bleibt gelassen in jeder noch so nervenaufreibenden und schwierigen Situation», sagt Sarah Akanji über ihren Bruder Manuel. Was die 25-Jährige schon lange weiss, kann nun die ganze Welt beobachten. «Ich war immer so aktiv und hibbelig und versuchte ständig, ihn zu nerven. Doch ich schaffte es einfach nicht», erzählt Sarah weiter.
Ich habe sehr viel Vertrauen in meine Qualitäten
Manuel Akanji aus dem Konzept zu bringen, daran scheitern im Moment gar die besten Fussballspieler der Welt. Abgeklärt wie ein Routinier zeigt der erst 22-jährige Innenverteidiger an seiner ersten WM in Russland eine herausragende Leistung. «Ich habe sehr viel Vertrauen in meine Qualitäten. Ich weiss, dass ich in den wichtigen Momenten die richtigen Entscheidungen treffen kann», sagt Akanji selbstbewusst, aber ohne überheblich zu klingen.
Der Nationalspieler fällt weder auf noch neben dem Platz mit Extravaganzen oder Allüren auf. Dafür mit seiner Schnelligkeit, mit Mut und Durchsetzungskraft in den Zweikämpfen – und mit seinem Markenzeichen: seinem Haarschnitt mit einer einrasierten Krone. Sie ist durch seinen zweiten Vornamen Obafemi, was so viel bedeutet wie «vom König geliebt», zu erklären.
Manuel Akanji – sein Vater stammt aus Nigeria, die Mutter aus Oberwinterthur – hat einen rasanten Aufstieg hinter sich. Bis er elf Jahre alt ist, kickt er beim FC Wiesendangen, dann wird er vom FC Winterthur entdeckt. Beim Challenge-League-Verein spielt er, bis er im Sommer 2015 vom FC Basel verpflichtet wird. Dort erlebt er seinen ersten und bisher einzigen grossen Rückschlag: einen Kreuzband- und Meniskusriss. Während der Verletzungspause lässt er sich den Schriftzug «prove them wrong» – zu deutsch «beweise ihnen das Gegenteil» – auf den Unterarm tätowieren. Als Antwort an alle, die seinen Wechsel als zu früh kritisiert hatten.
Galerie: So schön ist die Schweizer Nati
Akanji lässt den gestochenen Worten Taten folgen. Er kommt stärker zurück, setzt sich bei den Baslern durch und zieht bereits im Januar dieses Jahres weiter in die Bundesliga zu Dortmund, wo er nun auch mit Freundin Melanie wohnt. Im Juni 2017 wird der 187 cm grosse Kicker dann erstmals von Nationaltrainer Vladimir Petkovic aufgeboten, auf den Färöern gibt Akanji sein Nati-Debüt. Und nun brilliert er auf der ganz grossen Bühne.
Beim Spiel am vergangenen Freitag in Kaliningrad ge gen Serbien sitzt Akanjis Freundin sowie auch seine Familie im Stadion – die Mutter, der Vater, die Schwestern Sarah und Michelle und gar die aus den USA angereiste Gotte. Die ganze Familie ist sportverrückt. Sarah spielt Fussball beim FC Winterthur, der Vater ist Amateurfussballer beim FC Wiesendangen. Die älteste Schwester Michelle war Leichtathletin, die Mutter spielte früher Tennis. Doch in den Rängen von Kaliningrad sind sie vor allem eines: Fans. «Wir waren so nervös, dass wir richtig gezittert haben. Ich glaube, ich habe erst in diesem Moment richtig realisiert, was Manu erreicht hat», erzählt Michelle.
Worte fielen nicht viele. Er war sehr ergriffen
Ihr Bruder meistert die WM-Premiere souverän wie gewohnt. «Er hat sich seit seinen Erfolgen überhaupt nicht verändert. Wir sind unglaublich stolz auf ihn.» Nach dem Match gibt es am Spielfeldrand ein kurzes Familientreffen, bei dem sich Manuel Akanji ungewohnt emotional zeigt. «Worte fielen nicht viele. Er war sehr ergriffen. Natürlich, weil sie gewonnen haben, und auch, weil wir das alle zusammen erleben konnten.»
Er hat sich seit seinen Erfolgen überhaupt nicht verändert
Die beiden Schwestern reisen nach dem Spiel schnellstmöglich nach Hause. Denn Sarah spielt schon tags darauf mit ihrem Team beim Regio-Cupfinal – und gewinnt. Und die Gotte macht sich auf den Weg zurück in die USA – mit dem begehrten «Akanji»-Trikot im Gepäck. Der Name der Schweizer Nummer fünf geht um die Welt.