Zehn Jahre liegen zwischen Beat Feuz, 31, und Marco Odermatt, 21. Im Skisport sind das Welten. Der Emmentaler Feuz ist heute einer der erfolgreichsten Speedfahrer. Der Nidwaldner schafft an der Junioren-WM 2018 die Sensation: Er gewinnt in jeder Disziplin Gold – ausser im Slalom. Vor der Ski-WM in Åre treffen sich die beiden Ski-Cracks in Kitzbühel zum grossen Generationengespräch.
Beat Feuz, was raten Sie WM-Neuling Marco?
Es gibt nichts Besseres, als jung zu sein, zum ersten Mal an einer WM und niemand erwartet etwas. Marco soll definitiv drauflosbrettern. Wenns nicht aufgeht, kann er sagen: War mein erster Versuch. Aber vielleicht gelingt ja ein Traumlauf. Dann bist du der Held (lacht)!
Wann habt Ihr gemerkt: Jetzt setze ich voll aufs Skifahren?
Odermatt: Das war ein Prozess. Ich ging nach Hergiswil in die Sportschule, dann nach Engelberg in die Sportmittelschule. Damit zeichnete sich mein Weg ab. Feuz: Während meiner Maurerlehre habe ich gemerkt: Es wird immer schwieriger. Ich hatte weniger Zeit für die Ausbildung und stand immer mehr auf den Ski. Das war ein ziemlicher Kampf, bis die Lehre abgeschlossen war, aber ich wollte das unbedingt. Für mich war klar, dass ich danach, also mit 18, alles aufs Skifahren setze.
Marco ist frisch im Kopf, freut sich über jede Kleinigkeit
Wie habt Ihr die Unterstützung von Eltern und Verband erlebt?
Feuz: Für mich war es entscheidend, bereits mit 16 ins Kader von Swiss-Ski zu kommen. Das war ein wichtiger Schritt auch für die Eltern, aus finanzieller Sicht. Die Jahre vorher kosten extrem Geld, das ist heute noch schlimmer. Zwei bis drei Jahre mehr, und man hätte irgendwann schon aus finanziellen Gründen sagen müssen: Das rentiert nicht.
Odermatt: In dem Alter sind die Eltern zentral. Wie Beat sagt: Bevor du ins C-Kader kommst, kostet jeder Skitag viel Geld. Im Herbst im Training in Zermatt mit Hotel und Tageskarte – das hat mir schon früh wehgetan, wenn man mit einem Couvert der Eltern zum Trainer ging.
Feuz: Genau, so drückte man dem Trainer am ersten Abend der Woche eine Tausendernote in die Hand. Ich weiss ja, wie lange man für dieses Geld arbeiten muss!
Was denkt Eure Generation über die des anderen?
Feuz: Ich wäre gerne nochmals in dieser Situation mit dieser Unbekümmertheit. Marco kommt, hat nicht gross Druck, kann drauflosfahren – das ist etwas vom Schönsten. Bei mir geht das nicht mehr.
Dafür sind Sie seit letztem Jahr Vater!
Ja, die Familie steht nun an erster Stelle. Auf mein Fahren hat das aber keinen Einfluss – wenn man sich zu viele Gedanken übers Risiko macht, wirds gefährlich.
Marco, wie stehen Sie zur älteren Generation?
Ich bin im Team super aufgenommen worden, obwohl ich rund zehn Jahre jünger bin. Ich teile oft mit Elia (Zurbriggen, Red.) das Zimmer. Er sagt, es tue ihm ganz gut, er fühle sich dadurch etwas jünger. Feuz: Ich muss auch mal mit dir ins Zimmer!
Meine Helden waren die, die alles gewinnen konnten
Beat Feuz, vor zwölf Jahren sagten Sie noch, der Slalom sei Ihre grosse Passion. Was ist passiert?
Ich war wirklich der klassische Slalomfahrer, konnte nichts anderes und hatte dort am meisten Erfolg. Nach einer Verletzung bin ich zurückgekommen und durfte nicht mehr im Slalom mittrainieren, weil ich so langsam war. Im Speed stand ich blöd gesagt auf die Ski und hielt mit den Cracks mit.
Glauben Sie denn, Sie wären ohne Ihre vielen Verletzungen ein guter Slalomfahrer geworden?
Also, da bin ich schon lieber ein guter Abfahrer … (lacht). Nein, egal in welcher Disziplin man ganz oben steht, man geniesst das. Ich bin auch nicht der Einzige, der sich vom Slalomzum Abfahrer gewandelt hat. Das ist der Lauf der Zeit. Irgendwann hätte man eh festgestellt, dass ich doch nicht die ideale Slalomfigur habe.
Heute ist es kaum mehr möglich, in mehreren Disziplinen zu gewinnen. Früher galt der Allrounder als König. Was ist für Euch der perfekte Skifahrer?
Feuz: Als ich in den Weltcup kam, war es das Ziel, vom Riesenslalom bis zur Abfahrt gut zu sein. Seither ist das Niveau durch die Spezialisten stark gestiegen. Ich glaube nicht, dass heute noch der beste Skifahrer auch der komplette ist. Das ist rein vom Körper her nicht machbar. Ein Slalomfahrer muss dünn, spritzig und schnellkräftig sein. Bei uns Abfahrern ist etwas anderes gefragt.
Sie, Marco, versuchen aber, überall mitzumischen. Wie sieht Ihr Plan längerfristig aus?
Für mich sind Riesenslalom und Super-G im Fokus. Da war ich ja auch schon in den Top Ten. Mein Problem ist: Wenn du im Super-G schnell sein willst, musst du auch die Abfahrtstrainings absolvieren. Dann kann ich das Rennen auch gleich fahren. Die Abfahrt will ich entwickeln und mitnehmen.
An der Junioren-WM ist halt alles aufgegangen
Wie siehts denn emotional aus? Findet Ihr es schade, dass die Allrounder aussterben?
Odermatt: Ja und nein. Für die Zuschauer ist es sicher cool, wenn überall ein anderer gewinnt. Anderseits – wenn ich an Pirmin Zurbriggen denke, der in allen Disziplinen gewonnen hat, ist das sicher auch toll. Wenn ich siegen will, muss ich mich aber wohl beschränken.
Feuz: Ich trauere den Allroundern sicher etwas nach. Wer waren denn früher meine Helden? Die, die alles gewinnen konnten: Miller, Eberharter, Kjus, Aamodt. Und nicht solche, die nur in einer Disziplin gut waren.
Odermatt: Ich war ein grosser Fan von Didier Cuche. Er konnte immerhin in drei Disziplinen gewinnen. Von dem her verstehe ich Beat ein bisschen. Auch wenn ich mit meinen Eltern oder Verwandten rede, war Pirmin das Paradebeispiel, der Nationalheld.
Feuz: Mich fragen noch heute viele Leute, weshalb ich nicht mehr Riesenslalom oder Slalom fahre. Früher sei es doch auch gegangen!
Was macht denn Marco so stark? Kopf, Körper, Technik?
Feuz: Sag du zuerst …
Odermatt: Keine Ahnung! Bei der Junioren-WM vor einem Jahr ist halt alles perfekt aufgegangen. Dann hatte ich noch das Glück, dass es in Davos war. Dort bin ich schon rund zehn Rennen gefahren. Ich war einfach im richtigen Moment in Form. Ich weiss doch auch nicht … (lacht verlegen).
Feuz: Dass Marco Talent hat, sieht man in jedem Lauf. Seine Einstellung zum Rennfahren beeindruckt mich am meisten. In Lake Louise hat er mit uns im November eine Woche lang trainiert. Ich habe gemerkt: Er ist frisch im Kopf und freut sich über jede Kleinigkeit. Das ist sein grösstes Plus. Er soll es so lange wie möglich beibehalten. Uns Cracks hat er in dieser Woche sogar hin und wieder geschlagen.
Was ist es denn, was Beat Ihnen, Marco, noch voraushat?
Rein körperlich und skitechnisch kann ich wohl mithalten. Spitzenfahrer wie Beat haben aber für alle Verhältnisse die perfekte Materialabstimmung, die sie über Jahre entwickeln konnten. Ich hingegen muss im Training erst mal schauen, dass ich heil runterkomme. Dazu gibt es ein Gefühl für Ski und Schnee, wie es Beat hat, vielleicht zwei- oder dreimal auf dieser Welt.
Feuz: Ich glaube auch nicht, dass Marco skitechnisch noch was fehlt. In der Abfahrt mangelt es dir noch an Routine. Denn was trainierst du? Kurve um Kurve. In der Abfahrt sind es aber mal 300 Meter geradeaus bis zum nächsten Tor. Als Junger kommst du dir komisch vor, denn du fährst plötzlich mal 15 Sekunden mit Tempo 120 ohne irgendeine Kurve. Das braucht ein paar Jahre! Aber es gibt nichts Besseres, als das in deinem Alter schon mal zu sehen. Geniesse es und nutze das!