Endlich ist Massimo Rocchi, 61, wieder zu Hause! Alle paar Jahre trifft sich der Schweizer Komiker mit italienischen Wurzeln hier in Cesena mit seinen ehemaligen Schulkameraden. Und nutzt die Gelegenheit, seine Heimatstadt zu besuchen. «Marco, das volle Programm!», sagt Rocchi und macht es sich auf dem Stuhl beim Barbiere gemütlich.
Bereits Massimos Grossvater war hier Stammgast, damals noch bei Luciano, 69. Jetzt führt sein Sohn Marco, 35, den Herrensalon. «Er ist beim Rasieren sogar noch besser!», schwärmt Rocchi. Nebst einem Haarschnitt gehört hier die Rasur nach alter Manier mit dem Messer einfach dazu. «Früher kostete das noch 12 000 Lire (ca. 5 Euro), inzwischen sinds fast 30 Euro.» Marco lacht: «Die Massage geht heute aufs Haus!»
Mit früher meint der Komiker vor 45 Jahren. «Ich hatte lange Haare und war in ein Mädchen meiner Schule verliebt.» In der Hoffnung, dass sie den introvertierten Jungen nach einem Haarschnitt vielleicht beachtet, ging er zu Luciano. Der erwünschte Erfolg blieb aus; seinem Barbiere hielt er die Treue.
Lange ists her, seit Rocchi Italien den Rücken kehrte, um seine Träume zu verwirklichen. «Meine Familie war wenig begeistert von meinen Berufsplänen», erinnert sich der Wahlschweizer. Sofort nach seinem Studium der Theaterwissenschaft ging er an die Theaterschule in Paris, um die Pantomime zu lernen. Und kam in den 80er-Jahren der Liebe wegen nach Bern in die Schweiz.
Klein Massimo wächst bei den Grosseltern auf
Rocchis Eltern und seine beiden grossen Schwestern lebten damals in Süditalien, sie arbeiteten dort. Klein Massimo wächst bei seinen Grosseltern auf. «Ich weiss bis heute nicht, warum», sagt er nachdenklich, während er durch die Gassen seiner Heimatstadt schlendert. Trotzdem beschreibt er seine Kindheit als wunderschön. «Mein Nonno und meine Nonna waren einfache Leute. Fleisch gab es bei uns vielleicht einmal pro Woche.»
Sein Grossvater arbeitete bei der Bahn, sie kochte für den damaligen Bürgermeister, der ihnen in seinem herrschaftlichen Haus eine kleine 2½-Zimmer-Wohnung zur Verfügung stellte. Massimo liebte es, mit ihnen auf der Lambretta ans Meer zu fahren und zu fischen oder mit seinem Nonno bei Umberto Candoli, 80, neue Unterwäsche oder eine Krawatte zu kaufen. «Ich war immer mit alten Leuten zusammen und konnte ihren Gesprächen stundenlang zuhören.»
Rocchis Grossvater war Mitglied der republikanischen Partei, was oft zu hitzigen Diskussionen mit der streng katholisch erzogenen Grossmutter führte. Zwei- bis dreimal pro Woche ging Massimo brav mit seiner Nonna in die Kirche und auf den Friedhof. «Ich mochte die friedliche Stimmung dort und den Geruch der Zypressen.»
Als Achtjähriger durfte er in den Ferien den Pfarrer sogar einmal in die Schweiz begleiten: «Als ich mit dem Sessellift auf die Rigi fuhr und die Kühe mit ihren Glocken unter mir sah, dachte ich: ‹Jetzt bin ich im Paradies.› Nur die Berge haben mir damals Angst gemacht.» Doch Massimo war oft auch einsam. Während andere Kinder Fussball spielten, verschlang der Teenager Bücher des russischen Schriftstellers Dostojewski und studierte Altgriechisch.
Der Anfang seiner Karriere
Plötzlich steht Rocchi nun vor dem Teatro Alessandro Bonci und kann nicht widerstehen: «Lass uns einen Blick hineinwerfen.» Vor über 30 Jahren hatte er hier mit seinem ersten Soloprogramm einen Auftritt. «Tausende Erinnerungen schwirren in meinem Kopf», so Rocchi. «Die Angst, dass die Vorstellung ins Wasser fällt … der unkontrollierte Lachanfall und der tosende Applaus des Publikums.»
Das ist so lange her, und doch scheint es, als wäre die Zeit stehen geblieben. «10 000 Franken Unterstützung bekam ich damals von der Stadt Bern für diese Produktion.» Zwei Vorstellungen in Cesena und danach acht weitere in Bern. «Der Anfang meiner Karriere», erinnert sich Rocchi.
Heute ist der Komiker nicht nur in der Schweiz, sondern auch hier in seiner Heimat ein Star. Immer wieder wird er auf der Strasse angesprochen und herzlich umarmt. Seine alten Klassenkameraden freuen sich schon riesig aufs Wiedersehen: «Ciao, Massimo, come stai?», fragt Franco, 60. «Erinnerst du dich noch, als ich dir die Resultate der Chemieprüfung geben sollte?» Rocchi lacht. «Chemie war der Horror für mich», so der Wahlschweizer, der seit vielen Jahren in Basel lebt.
Franco rettete Massimo in der Chemie, dafür musste der seinen Freund zur Theatergruppe begleiten. Ein Handel, der Rocchis ganzes Leben verändern sollte. Die folgenden zwei Jahre bis zur Matura verbrachte er nur noch im Theater: «Vorher war ich unscheinbar. Die Schauspielerei hat mich gerettet.»
Jede freie Minute im Theater
Auch seine ehemalige Lyceums-Freundin Cinzia Branzaglia, 60, weiss noch gut: «Massimo hat immer unsere Lehrer imitiert, sobald sie ihm den Rücken zugedreht haben», lacht die heutige Apothekerin. «Ich erinnere mich an nichts!», verteidigt sich Rocchi kopfschüttelnd. Was er hingegen noch genau weiss, ist, dass er sich damals weder ein Motorrad leisten konnte noch bei den Mädchen Erfolg hatte: «Ich war viel zu schüchtern.»
Jede freie Minute verbrachte der künftige Komiker im Theater, um den Schauspielern zuzuschauen. Sogar am Tag vor seiner Maturaprüfung: «Sie übten bis tief in die Nacht, und ich versteckte mich in einer Loge und träumte von einer Theaterkarriere … Fast hätte ich die Prüfung verschlafen!»
Auch heute träumt er wieder davon, vielleicht noch einmal im Teatro Alessandro Bonci in Cesena auf der Bühne zu stehen.
Massimo Rocchi ist mit «Best of 6zig» auf Tour:
21. April: Herisau, 4./5. Mai: Suhr, 9./10. Juni Solothurn.
Weitere Daten unter www.massimorocchi.ch