Matthias Hüppi, was hat Ihr Bruder Michael, 61, gesagt, als Sie ihm Ihren Entscheid mitgeteilt haben?
Er hat sich gefreut, aber mich auch darauf hingewiesen, dass ich eine Herkulesaufgabe übernehme. Und ich habe seine volle Unterstützung, mehr aber nicht. Ich werde meinen eigenen Weg gehen. Wir sind einander herzlich verbunden, aber ich bin kein Klon von Ex-Präsident Michael Hüppi.
Fragten Sie ihn um Rat bevor Sie sich entschieden haben?
Ich habe verschiedene Menschen um Rat gefragt, zu denen ich besonders Vertrauen habe. Wär ja blöd gewesen, wenn ich das gerade bei meinem Bruder nicht gemacht hätte.
Womit hat man Sie seitens des FCSG überzeugt?
Es ist die neue Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Ein grossartiges Gremium mit Kompetenzen in allen Bereichen. Da wird alles abgedeckt, und das war für mich entscheidend. Bei den ersten Gesprächen sagte ich diesen Leuten erst einmal, was ich alles nicht mitbringe. Ich bin kein Unternehmer, kein Wirtschafts- oder Zahlenmensch. Auf der anderen Seite kann ich eine gewisse Auftrittskompetenz und Kommunikationsfähigkeit einbringen. Das braucht man einfach in meiner neuen Position. Und zudem glaube ich, dass ich sehr gut mit Menschen umgehen kann.
Sie sind ein Ur-St.Galler, auch wenn Sie nun schon längst im Aargau heimisch geworden sind. Ist der FCSG ein Herzblut-Projekt von Ihnen, ein Kindheitstraum, der wahr wird?
Ich dachte immer, dass der Fussball nach dem Ende meiner TV-Zeit einmal ein neuer Aufgabenbereich von mir werden könnte. Dass es gerade auf dieser Position sein würde, habe ich natürlich nie im Leben gedacht. Da habe ich auch noch sehr viel zu lernen.
Wann kam der Klub erstmals auf Sie zu?
Das war Anfang Dezember, also alles andere als von langer Hand eingefädelt. Es hat mich am Anfang auch fast aus den Socken gehauen. Es gab bald ein erstes Meeting mit den Investoren, an dem ich frisch von der Leber weg meine Ideen auf den Tisch gelegt habe.
Basels erfolgreicher ehemaliger Sportchef Georg Heitz, 47, oder auch SCB-Geschäftsführer Marc Lüthi, 56, kommen ebenfalls aus dem Journalismus. Was bringt diese Berufsgruppe an geeigneten Kompetenzen für so ein Führungsamt mit?
Ehemalige Journalisten haben viel Verständnis für das Funktionieren der Medien. Und das ist natürlich ein sehr zentraler Punkt. Der wird von vielen Profiklubs unterschätzt. Man steht im Fokus der Öffentlichkeit. Dieser muss man sich stellen. Man darf Lob einheimsen, aber man muss auch Schelte einstecken können. Und dazu braucht es Gespür für die Arbeit der Journalisten, ohne sich einseifen zu lassen. Es wird mir sicher auch helfen, mich hinstellen zu können und vor grossem Publikum sprechen zu können ohne von einem Zettel ablesen zu müssen.
Wie gedenken Sie, das Amt auszuüben: eher wie Sion-General Christian Constantin, 60, der sich permanent ins Sportliche einmischt, oder eher wie Bernhard Heusler, der bei Basel die Fäden ruhig und besonnen im Hintergrund zog?
(lacht) Als Constantin sehe ich mich schon deshalb nicht, weil ich finanziell unbeteiligt bin am Klub. Wir haben auch einen absolut unabhängigen Verwaltungsrat, bei dem niemand bedeutende Beteiligungen hält an der Event AG und der FC St.Gallen AG. Wir sind auch von der breit aufgestellten Eigentümerschaft absolut unabhängig. Das hat man uns zugesichert. Ich werde in einem Dreieck agieren mit dem noch zu bestimmenden Sportchef und demzufolge auch mit dem Trainer. Natürlich werde ich auch nahe bei den Schlüsselspielern sein, aber da sehe ich meine Aufgabe darin, sie zu stützen, gerade im Auftritt gegen aussen. Ich möchte auch Integrationsfigur sein für Sponsoren und Gönner. Ich möchte für alle Menschen da sein, die dem FCSG zugetan sind, sowohl in der Loge wie auch in der Fankurve.
Sie besitzen keine Aktien des Klubs – noch keine?
Ich bin im Besitz ein paar weniger Aktien, absolut überschaubar, eine Herzensangelegenheit.
Als Präsident müssen Sie nicht zuletzt auch Geldbeschaffer sein. Hat man als national tätiger Journalist überhaupt das nötige Netzwerk dafür in der Ostschweiz?
Das habe ich, wenn auch nicht zwingend aus dem Journalismus, sondern von meinen Tätigkeiten neben dem Journalismus. Es geht weniger um Beziehungen aus der Glitter- und Glamourwelt des Fernsehens. Aber ich habe ein fundiertes Netz an guten, seriösen Kontakten, auf die ich zurückgreifen kann. Ich habe auch keine Scheu, auf potenzielle Geldgeber zuzugehen und glaube schon, dass ich da einiges bewirken kann.
Der FC St. Gallen ist führungsmässig derzeit ein ziemlich in Schieflage geratenes Schiff. Die SRG steuert vor der No-Billag-Abstimmung ebenfalls durch eher stürmische Gewässer. Keine Lust, mit bald 60 Jahren mal etwas mehr Ruhe zu geniessen?
Ich muss zugeben, dass ich mich beim Fernsehen in einer priviligierten Position befinde. Ein Gebiet, wo ich meine Leidenschaft ausleben kann und durch das, was ich in den vielen Jahren hier gemacht habe, extrem viel Sicherheit gewonnen habe. Ich weiss, was ich für das SRF generell und den Sport im Speziellen bedeute. Es gab also überhaupt keinen Grund, vom Fernsehen wegzugehen. Die No-Billag-Diskussion hat mich nicht aufgewirbelt. Unser bestes Argumentarium sind gute Sportsendungen. Aber ich habe unerwartet die Chance bekommen, ein grosses, langfristiges Projekt anzupacken. Das war verlockend genug.
Wird Ihnen nach fast 40 Jahren beim Fernsehen das Rampenlicht nicht fehlen?
Nicht im Geringsten, nein! Viel weniger exponiert werde ich ja künftig nicht sein, bloss einfach in einem überschaubareren geografischen Raum. Ich werde weiterhin unter grosser öffentlicher Beobachtung stehen. Aber es ist schön, wenn einem bei der Arbeit mal nicht die ganze Nation über die Schulter schaut. Ich werde kein Präsident sein, der unten auf dem Rasen steht und allen zuwinkt.
Machen Sie wie einst Präsident Oehler grünes Licht im Stadion bei Wohlgefallen am Spiel und rotes, wenn das Team Sie enttäuscht?
(lacht schallend) Vergessen Sie das! Das wird es nicht mehr geben im Kybunpark.
Sie haben schon gesagt, vorderhand in Mutschellen wohnen zu bleiben. Was hat Ihre Frau Cornelia, 50, zum Angebot des FCSG gesagt?
Sie hat mich voll und ganz und mit Freude unterstützt, auch wenn sie ebenfalls weiss, dass es eine intensive Zeit wird. Ich werde aber ein Standbein in der Ostschweiz haben, um präsent sein zu können. Und wer weiss, vielleicht wohnen wir in absehbarer Zeit dort, wo ich ursprünglich herkomme, in der Stadt St.Gallen.
Hätten Sie auch zugesagt, wenn der Verwaltungsrat in der bisherigen Form im Amt geblieben wäre?
Ich musste mir diese Frage gar nicht stellen, weil ich das Angebot erst bekam, als die neue Entwicklung feststand.
Lohnt sich der Wechsel vom Fernsehen auf den Präsidentenstuhl beim FCSG finanziell?
Ich habe ein sehr gutes Angebot in St. Gallen bekommen. Aber ich war auch bei SRF zufrieden. Der finanzielle Aspekt war nicht ausschlaggebend.
Kommt ihr Bruder Michael nach Ihrer Einsetzung ebenfalls wieder zurück ins Umfeld des FC St.Gallen?
Michael wird als Zuschauer wieder zurück in den Kybunpark kommen. Ob er sich auch in einer Gönnervereinigung engagieren wird, weiss ich nicht. Sicher aber wird er keine Funktion übernehmen, die auch mich tangiert. Es wäre für mich absolut ausgeschlossen gewesen, Präsident bei St. Gallen zu werden, wenn Michael noch im VR gesessen hätte. Es braucht auch für mich eine vollkommene Unabhängigkeit.
Und Ihr Projekt einer Hochland-Rinderzucht zusammen mit Bernhard Russi? Züchten Sie nun stattdessen Kälber für Olma-Bratwürste?
(lacht) Das müssen Bernhard und ich wohl oder übel nun etwas zurückstellen. Ich habe mit ihm noch nicht sprechen können, weil er in Vietnam und Kambodscha war. Aber er wird sicher vollstes Verständnis haben, dass unsere Viehzucht noch etwas warten muss.