Liebevoll zieht die Mutter ihren Jungen zum Abschied noch mal an sich. Das Taxi wartet bereits neben dem Zürcher Grossmünster. Es wird Max Simonischek, 36, zum Flughafen nach Kloten bringen. Der Schauspieler nutzt eine Drehpause, um übers Wochenende zu seiner Frau Catharina nach Berlin zu fliegen.
Simonischeks Mutter Charlotte Schwab, 66, muss gleich zurück in die Krypta, eine Filmszene wird nachgedreht. Wochenlang hat Regisseur Stefan Haupt, 58, das Grossmünster für den Dreh in Beschlag genommen.
Mutter macht ihm das Leben zur Hölle
Es ist eine Premiere! Mutter und Sohn stehen zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera. Im Historiendrama «Zwingli», das jetzt ins Kino kommt, verkörpert Max Simonischek den Reformator Huldrych Zwingli, während Charlotte Schwab als Schwiegermutter dem Theologen das Leben zur Hölle macht.
Liebe Mutter, böse Schwiegermutter. Besonders eine Szene sei lustig gewesen, verrät Simonischek: «Ich stehe als Zwingli oben auf der Kanzel. Und meine Schwiegermutter verflucht mich unten im Kirchenschiff.» Dass er und seine Mutter als Schauspieler nun zum ersten Mal zusammenarbeiten, daran ist Max nicht ganz unschuldig: Als er sich mit dem Regisseur über das Drehbuch und die Rollenbesetzung austauscht, lässt Max unter anderem den Namen seiner Mutter fallen. «Stefan scheint meine Idee gefallen zu haben», sagt Simonischek lachend.
Schauspielhaus als zweites Wohnzimmer
Einen Teil seiner Kindheit verlebt der schweizerisch-österreichische Schauspieler in Zürich. Das Schauspielhaus, wo Mutter Charlotte, eine gebürtige Baslerin, damals engagiert ist, wird für Max zum zweiten Wohnzimmer. «Meine Mutter stand auf der Bühne, ich spielte in der Kantine.»
Noch heute übernachtet Simonischek, wenn er in der Schweiz ist, bei Freunden, die damals im selben Haus wie er und seine Mutter am Zürcher Huttensteig wohnten.
Einen Bezug zu Zwingli hat Max nicht, als ihm die Rolle als grosser Reformator angeboten wird. Als Sechsjähriger ist er mit seiner Mutter aus der Limmatstadt weg nach Deutschland gezogen, als Zehnjähriger wechselt er dort aufs Internat Schloss Plön in Schleswig-Holstein. «Da spielte eher Luther eine Rolle.»
«Ich bin nicht mal getauft.» Welche Bedeutung Zwingli für Zürich und für die Schweiz hat, begreift er erst, als er sich vor zwei Jahren für die Dreharbeiten vorzubereiten beginnt. Max liest alte Briefe von Zwingli sowie Beschreibungen des Reformators. Zugang zur Person Zwingli habe er denn auch eher über dessen gesellschaftspolitische Relevanz gefunden.
«Mit seinen Reformen, ob beim Eherecht, bei der Abschaffung des Zölibats oder Söldnerwesens, leistete er revolutionäre Arbeit, er gleiste damit unsere Demokratie auf», zeigt sich Max beeindruckt. Ansonsten sei seine Fantasie gefragt gewesen, was die Darstellung der Figur anging. «Gerade die Mischung aus Fakten und Fiktion empfinde ich als gut und spannend.»
Aus dem Schatten des Vaters getreten
Grösste Herausforderung als Schauspieler sei für ihn gewesen, «eine innere Ruhe herzustellen». Zeit habe bei Zwingli eine andere Rolle gespielt als heute. «Es gab den Sonnenauf- und Sonnenuntergang zur Orientierung, und der hatte Auswirkungen auf den Körper und darauf, wie man sich etwa begegnete oder auch berührte.» Einmal mehr eine Herausforderung für den Schauspieler.
Simonischek ist anerkannt – sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland und Österreich. Längst ist er aus dem Schatten seines berühmten Vaters Peter Simonischek, 72, getreten. Er überzeugt im Kino in «Akte Grüninger» oder «Der Verdingbub», im TV-Zweiteiler «Hindenburg», mit seinem Regiedebüt (Kafkas «Der Bau») am Theater am Neumarkt in Zürich und auf der Bühne des Wiener Burgtheaters. Für seine Rolle in «Die göttliche Ordnung» ist er zuletzt für den Schweizer Filmpreis nominiert gewesen.
Max räumt mit den Vorurteilen gegenüber Zwingli – und dessen angedichteter Lustfeindlichkeit, Freudlosigkeit und Prüderie – auf. «Zwingli war auch ein Lebemann, der ein uneheliches Kind zeugte, Musik machte, Humor hatte – und Frauen nicht abgeneigt war.»
Mit seiner eigenen Ehefrau Catharina, einer Journalistin, hat Max Simonischek seit Mai letzten Jahres eine Tochter. Gemeinsam lebt die kleine Familie in Berlin. Noch. Max möchte das gern ändern. Ihn ziehts zurück nach Zürich. Neben vielen Freunden und Verwandten, die das Paar hier hat, spielt auch die kürzere Distanz zu Max’ Schwiegereltern eine Rolle für den geplanten Umzug.
Und es gibt noch einen weiteren Grund: «Ich möchte mein Kind nicht in Berlin-Neukölln grossziehen, wo man alle paar Meter um einen Euro angeschnorrt wird. Im Gegensatz zu früher geht mir das heute schon manchmal auf die Nerven.» Max lebt seit 2007 in der deutschen Hauptstadt. Überhaupt: Zürich sei ja schon einmal Heimat gewesen für ihn, er könne sich also gut vorstellen, dass ihm die Stadt wieder zur Heimat wird.
Hoffen auf die Anfrage
Riesig freuen würde er sich, am Schauspielhaus aufzutreten. Ein Angebot gabs schon mal, nur konnte er das leider nicht annehmen – wegen der «Zwingli»-Dreharbeiten. Nun hofft Max auf eine zweite Anfrage. «Das klappt dann hoffentlich», gibt er sich zuversichtlich. Dann würde er nicht wie als Kind in der Kantine spielen, sondern auf der Bühne. Dort, wo seine Mutter einst stand.
Und wer weiss, vielleicht stehen ja Mutter und Sohn irgendwann auch einmal gemeinsam auf dieser Theaterbühne.