Sie ist stolz auf ihn. Und sagt es auch. «Steven hat sich den Triumph verdient. Er ist jetzt dort, wo er hingehört», sagt Mirjana Zuber. Die 25-jährige Frau des Tösstalers fiebert am Sonntag im Stadion in Rostow mit, als Xherdan Shaqiri in der 50. Minute einen Eckball schlägt und Steven Zuber mit einem wuchtigen Kopfball trifft.
Ein Tor in einem WM-Spiel ist nicht wie jedes andere. Es gibt sogar solche, die einen ein Leben lang definieren. Wer Alain Sutter sagt, denkt automatisch an dessen satten Weitschuss an der WM 1994 gegen Rumänien, bei Philippe Senderos sehen wir dessen blutüberströmtes Gesicht nach dem Kopfballtor gegen Südkorea an der WM 2006, und Gelson Fernandes wird für immer der Torschütze des Siegtreffers über Spanien sein, an der WM 2010 in Südafrika. Nun eben wird Steven Zubers Moment im Geiste eingerahmt. «Er ist tatsächlich drin», denkt sich Zuber in diesem Moment.
Dass es so weit kommt, ist alles andere als selbstverständlich. Denn der 26-Jährige hat bei seinem Klub Hoffenheim in der deutschen Bundesliga einen schwierigen Frühling hinter sich. Zwischen Anfang Februar und Ende April schaut er bei neun von elf Spielen zu. Erst in den letzten drei Partien darf er wieder mittun.
«Er blieb positiv, baute sich selber auf»
«Wir wussten, dass diese schwierige Zeit eine Prüfung ist», sagt Mirjana. «Steven und ich sind stark im Kopf. Ich habe ihm stets ehrlich die Meinung gesagt. Es bringt nichts, zu beschönigen. Er blieb positiv, baute sich selber auf. Das ist der Lohn.»
Zuber, der mit fünf Geschwistern in einem Bauernhaus in Rikon ZH aufwächst, über die Juniorenabteilung des FC Winterthur den Sprung zum GC-Nachwuchs schafft, der von Hanspeter Latour gefördert und von Ciriaco Sforza weiter geformt wird, 2013 mit GC den Cup gewinnt und dann, mit zarten 21 Jahren, nach Moskau wechselt, ist jetzt so richtig im grossen Fussball angekommen.
Mirjana ist seit zehn Jahren an Zubers Seite
Mirjana hat fast alles aus nächster Nähe erlebt. Seit drei Jahren ist die ehemalige Miss-Schweiz-Finalistin mit dem Mittelfeldspieler verheiratet, aber schon seit zehn Jahren sind sie ein Paar. «Er ist von einem ruhigen, zurückhaltenden Menschen zu einem gesprächigen, extrovertierten Mann geworden», sagt sie.
«Er ist wie eine Blume aufgegangen»
«Er ist viel zugänglicher. Früher war er verschlossen. Aber der Fussball und der Mut, im Ausland etwas zu probieren, haben ihn geformt. Heute kann er mit allen Situationen gut umgehen. Er ist wie eine Blume aufgegangen.» Hilfsbereit sei er, verständnisvoll und witzig. «Dazu ist er ein Kämpfer und die treuste Seele, die ich kenne. Der Mensch mit dem reinsten Herzen.»
Dass sie ihn 2013 – damals gerade 20 – nach Moskau begleitet, ist eine Prüfung für beide. «Nicht die einfachste Zeit meines Lebens», nennt sie es. Sie ist damals Miss-Schweiz-Kandidatin, aber unsicher. «Alles war neu, die Stadt, die Menschen, der Lifestyle. Ich musste mich erst zurechtfinden und lernen, was richtig und wichtig ist.»
«Wir wurden in jeder Hinsicht erwachsen»
Als Paar fühlen sie sich zwar nicht einsam, aber Anschluss zu finden, ist schwierig. Die Sprachbarriere bleibt. «Dennoch haben wir dort viel gelernt. Wir wurden in jeder Hinsicht erwachsen.» Zuber verabschiedet sich 2014 nach einer Saison vom ZSKA Richtung Hoffenheim.
Er kommt zwar mit einem Meistertitel als Referenz, aber erste Wahl ist er nirgends. Nicht in der Nati, die ohne ihn nach Brasilien fliegt, nicht in Hoffenheim. Es sind Lehrjahre für den exzellenten Techniker.
Steven und Mirjana haben in Heidelberg – dort leben die meisten Profis, die im 25 Kilometer entfernten Hoffenheim spielen – mittlerweile ein Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen. «Traumdestination» nennt Mirjana die Studentenstadt. Der ökologische Lifestyle gefällt ihnen («wir machen vieles zu Fuss»), das milde Klima, die Natur.
Und Mirjana, die gebürtige Serbin, ist daran, sich selbstständig zu machen. Seit diesem Jahr vertreibt sie auf ellemyra.com Designer-Mode, auch junge Bikini-Marken, die noch expandieren wollen. Bald will sie auch selber Kleidungsstücke entwerfen.
Es ist der Gegenentwurf zum Bild, das sie in Russland abgibt, wenn sie als sogenannte WAG (wives and girlfriends) in einem Nati-Shirt mit der Aufschrift «Zuber’s Wife» (Zubers Frau) unterwegs ist. «Für mich war es schon immer wichtig, selbst zu arbeiten. Nur herumzusitzen, ist nicht meine Sache.»
In den Tagen nach dem wichtigen Ausgleichstor gegen Brasilien sagt Steven Zuber: «Ich bin nicht der Held des Spiels. Ich bin nur der, der das Tor geschossen hat.» Und wie gross der Wert dieses einen Tores ist, hängt auch damit zusammen, ob sich die Nati für die Achtelfinals qualifiziert.
«Ich freue mich für beide Nationen, da ich beide Pässe habe»
Verliert das Team gegen Serbien, dürfte der Heimflug gebucht werden. Auch Mirjana ist in Kaliningrad dabei. Eine gewisse Zerrissenheit spüre sie, sagt die Frau mit serbischen Wurzeln. «Ich freue mich für beide Nationen, da ich beide Pässe habe. Aber wenn ich mich zwingend entscheiden muss, schlägt mein Herz etwas mehr für die Schweiz, weil mein Mann für sie spielt. Ich fühle mich wohl etwas mehr als Schweizerin.»
Und was, wenn die Schweiz ausscheidet? «Es wäre schlimm und schade für die Nati, aber das Team und Steven würden trotzdem als erfolgreiche Spieler nach Hause reisen.»
Vielleicht gelingt ihm ja noch ein Kunststück. «Er ist tatsächlich drin», hat er beim Tor gegen Brasilien gedacht. Die Fans hätten gerne ein Déjà-vu.
Bildergalerie: So schön ist die Schweizer Nati