Eigentlich ist Moderator Röbi Koller, 60, der Mann fürs Reden – nicht fürs Singen. Heute macht er eine Ausnahme: «S git Lüt, die würde alletwäge nie, uf Island reise so wie mir jetz hie, go früre um kei Priis, nei, bhüetis, nei, will sies gärn wärmer hei.» Den Song «Isländischi Hemmige» hat Koller – frei nach Mani Matter – getextet. Zur besten Unterhaltung «seiner» Reisegruppe auf dem von Cruisetour organisierten Island-Trip. Röbi, wie ihn die Gäste nennen, moderiert nämlich für einmal nicht im Studio, sondern an Bord der «Ocean Diamond», vor 28 Kreuzfahrtgästen, die in dreizehn Tagen von Reykjavík aus rund um die Insel aus Feuer und Eis reisen.
Mit seinen ersten Zeilen hat Koller wohl recht: Auf der nordischen Insel ist es im Sommer lediglich zehn Grad «warm». Doch Island hat Suchtpotenzial! Für den «Happy Day»-Moderator ist es bereits das siebte Mal, dass er nordische Gewässer bereist, und das zweite Mal auf Island. Eines fasziniert ihn ganz besonders: «Da ist oft weit und breit kein Mensch. So etwas findet man in der Schweiz nicht!» 340 000 Menschen leben auf dem 103 125 Quadratkilometer grossen Eiland, und ein Drittel davon wohnt in der Hauptstadt Reykjavík. Das sind 60-mal weniger Einwohner pro Quadratkilometer als in der Schweiz.
Als umtriebiger Moderator und Mensch kommt Röbi Koller viel rum. Doch auf See ist er am liebsten! «Ich habe grosse Sehnsucht nach Weite und Leere. Das bekomme ich hier.» Sein grosser Traum: irgendwann mit der «Queen Mary» über den Atlantik nach New York schippern. Für ihn sind Schiffe die besten Fortbewegungsmittel: «Hier kann man im Gegensatz zu Zügen und Fliegern auch mal auf Deck spazieren gehen.» Zudem schätzt er die Abgeschiedenheit: Ab und zu gebe es Abschnitte ohne Handyempfang. «Mich muss man manchmal zur Abstinenz zwingen.» Kollers Kreuzfahrteuphorie hat nur einen Haken: «Leider werde ich meist einmal pro Reise seekrank.»
Zum Glück schaffen im Notfall Medikamente Abhilfe. Denn als Entertainer der Reisegruppe geht Röbi Koller stets mit Volldampf voraus: Er vernetzt Passagiere mit Experten, stellt die Crew vor und dabei, wie man es von ihm kennt, den Menschen ins Zentrum. Gerade interviewt er den Kapitän, der offenbar nicht nur die Geschicke des Schiffes lenkt, sondern auch ein engagierter Familienmensch ist. Mit privaten Fragen gelöchert wird aber auch Koller selbst. Bereitwillig gibt er Auskunft – schliesslich mag er seine Mitreisenden: «Die Cruisetour-Passagier, die si genial, si hert im Näh und positiv mental, si underwägs und immer uf de Bei, s Wätter isch ne einerlei», heisst es weiter in Kollers «Hemmige»-Version.
Kein Wunder: Die Atmosphäre an Bord der «Ocean Diamond» ist familiär, das Betreuungsverhältnis enorm gut. Das Schiff bietet Platz für 200 Passagiere – die Mannschaft umfasst 100 Mitglieder. Gäste und Personal duzen sich, und wenn jemand Geburtstag hat, greift die Crew höchstpersönlich zur Gitarre und bringt ein Ständchen. Am Tag gehts jeweils an Land. Wandernd, mit dem Car oder mit kleinen Booten wird die Gegend erkundet. Den Abend verbringt man dann wieder im schwimmenden Zuhause und wird kulinarisch verwöhnt.
Einer der Tagesausflüge führt nach Seydisfjördur, eine Stadt im Osten der Insel. Isländer und Reiseleiter Adalsteinn «Alli» Hjartarson, 47, führt die Gruppe nicht nur zu touristischen Schauplätzen, sondern zeigt seinen Gästen auch, auf welchem Bauernhof er aufgewachsen ist, wo er zur Schule ging, und lädt sie zum Schluss auf seinen ganz persönlichen «Denkhügel» aus der Jugend ein: «Sich ins Gras legen und die Ruhe geniessen» lautet hier die Devise. «Als Reiseleiter gebe ich immer auch etwas von mir selbst preis», sagt er. Hjartarson zog 1996 in die Schweiz. Den halben Monat verbringt er mit seiner Familie auf Island, die andere Hälfte führt er sein Reisebüro in Wetzikon ZH. «Da Alli schon so lange in der Schweiz lebt, kennt er uns gut und bildet die perfekte Brücke zwischen den zwei Kulturen», sagt Koller.
Ein weiterer Stopp: der «Feuerberg» – Islands Eldfell-Vulkan. Hjartarson lädt die Gruppe auf eine Reise «zwischen Himmel und Hölle»: durchs Nebelmeer hoch hinauf zum Eldfell-Krater. Er kniet sich hin, gräbt wenige Zen-timeter unter die erste Lavaschicht. Er fordert auf, die Hand ins Loch zu legen, deckt sie mit dem zur Seite geschaufelten Gestein zu. Warm ist es. «Wenn ihr nur etwas tiefer gräbt, verbrennt ihr euch», warnt Hjartarson die Mitreisenden.
Und jetzt: Eisberge! Der schnelle Wechsel von Feuer zu Eis – das geht nur auf Island. Ein Boot auf Rädern fährt die Gäste vom Festland in die Gletscherlagune Jökulsárlón – direkt neben dem Vatnajökull, Europas grösstem Gletscher. Majestätisch thronen die türkisblauen, weissen und von der Vulkanasche schwarzen Eisberge im Meer. Dass die Gletscherzunge im 19. Jahrhundert noch bis ins Meer reichte und heute drei Kilometer davon entfernt ist, erklärt der Dritte im Reiseleiter-Bunde: Klimatologe Heinz Wanner, 72. Er ergänzt Koller und Hjartarson. Um den Tag ausklingen zu lassen, hält der Naturwissenschafter während der Reise vier Vorträge – offiziell. «Inoffiziell sind es etwa fünfzig. Sobald das Wetter wechselt, weiss Heinz ganz genau, warum und was das für einen tieferen Sinn hat. Er ist ein grossartiger Geschichtenerzähler», sagt Koller.
Island überrascht – und berührt: «Anfangs war ich nicht sicher, ob ich es hier im Norden mögen würde. Aber diese Landschaft rührte mich sogar zu Tränen», sagt eine Passagierin. Es ist eine Landschaft, die einen warmherzig empfängt, den vom Alltag erhitzten Kopf abkühlt und die Gedanken erdet. Erst recht, wenn man dabei von einem Guide-Trio mit so viel Herzblut begleitet wird. Koller, Wanner und Hjartarson führen ihre Gäste über Land, Eis und Feuer – und wieder zurück in die Schweiz. «Sie fahre richtig Nord i mänge Fjord, ir ‹Ocean Diamond› isch me gärn a Bord, doch d Ziit louft furchbar schnäll, nei jemmers, nei, s geit scho bald wieder hei.»
Eine Geschichte aus «Cruise»