Auch wenn das Original aus München stammt, gibts überall in der Schweiz Imitationen des Oktoberfests. Unsere SI-online-Redaktoren Nadine und Toni wollten wissen, ob wir Schweizer mit dem bayerischen Original mithalten können.
Unsere Nadine hat dafür die «Züri-Wiesn» im HB getestet, unser Toni das Münchner Original.
Der knallharte Vergleich deckt fünf Kategorien ab: «Speis und Trank», «Das andere Geschlecht», «Musik», «Outfits» und «Ambiente». Möge der Bessere gewinnen!
Runde 1: Das Ambiente
Nadine: Ja, von aussen sieht die «Züri-Wiesn» nicht sehr amächelig aus. Doch kaum betritt man das Zelt, ändert sich das schnell. Blau-Weiss überall: An der Decke, auf den Tischen, ja wirklich überall! Und auch sonst würde man nicht denken, dass ein Pop-Up-Oktoberfest in einer Bahnhofshalle so toll aussehen kann. Das Beste am Abend war definitiv die Stimmung: Alle sangen lauthals mit, schunkelten und tanzten auf den Bänken - genau wie sichs gehört. Und das in der Schweiz!
Toni: Dieses Jahr zog es mich in den «Himmel der Bayern». Mit seiner weiss-blauen Decke und den kleinen Wolken und Sternen ist das Hacker-Festzelt eines der schönsten Zelte, die ich in den vergangenen Jahren besucht habe. In der Mitte steht die Bühne, drumherum stehen mehrere Hundert Bierbänke und Tische. Traditionsgemäss wurde auf diesen Bänken und Tischen getanzt, gesungen und geschunkelt.
Zürich 1 - 1 München; Bayern hat den Heimvorteil, doch Zürich hält mit der Stimmung definitiv mit.
Runde 2: Die Outfits
Nadine: Hach, war ich erleichtert zu sehen, dass ich nicht die Einzige war, die in Zürich im Dirndl angetrabt kam. Kaum jemand hat die Tracht oder Lederhose zu Hause gelassen - was massiv zur Stimmung beitrug. Und vor allem die Damen trugen wunderschöne Exemplare. Viele tauchten gar in hohen Hacken auf - Respekt dafür! Bei mir wurdens dann doch die Chucks...
Toni: Ganz klar: Ohne Dirndl, Lederhose oder kariertem Hemd fällt man auf der ganzen Wiesn auf. Man kann echte Münchner von Touristen kaum unterscheiden. Alle laufen in Trachten herum - auch ausserhalb des Festgeländes. Dies trägt sicherlich zu einer besonders ausgelassenen Feierlaune bei.
Zürich 2 - 2 München; Die Schweizer haben die bayerischen Traditionen ernst genommen und sich Dirndl und Lederhosen besorgt.
Runde 3: Die Musik
Nadine: Ich bin ja wirklich kein Schlager-Fan. Aber an der Wiesn darf das schon mal sein. Und die Musik war wirklich nicht schlecht. Eine Live-Band heizte den Besuchern an den «Züri-Wiesn» mächtig ein: Es vergingen keine zwei Stunden, ehe im ganzen Zelt auf den Bänken getanzt wurde. Polonaisen gabs auch zur Genüge - und das nicht nur zu deutschem Schlager. Dieser war zwar im Fokus, doch auch internationale Dauerbrenner wie Gloria Gaynors' «I Will Survive» gabs zu hören. Und ja, auch «Atemlos!» von Helene Fischer hat natürlich nicht gefehlt!
Toni: Normalerweise höre ich weder Schlager noch bayerische Blasmusik. Dennoch freue ich mich alle Jahre wieder aufs Bänkebesteigen und Mitsingen zu Helene Fischer, Beatrice Egli, DJ Ötzi oder Jürgen Drews. Dieses Jahr konnte ich dies leider nicht wirklich. Nur wenige Schlager-Hits wurden gespielt, und nach drei Stücken wurde jeweils eine halbstündige Pause gemacht. Das Programm war sehr trocken und es herrschte zwischendurch etwas Langeweile. Bei den Besuchern war die Stimmung dennoch grandios. Es wurde auch ohne musikalische Begleitung gemeinsam gesungen.
Zürich 3 - 2 München; Geile Live-Musik schlägt trockene Blasmusik
Runde 4: Speis und Trank
Nadine: In Zürich konnte man aus Schweinshaxn, Hendl, Fleischkäse und Pilzragout (für die Vegetarier) auswählen. Ich hatte natürlich die Haxn - und mmmh, war die gut! Oh, Brezn und Weisswürste gabs natürlich auch. Und ein bayerischer Apfelstrudel zum Nachtisch. Lecker! Zu trinken gabs jede Menge Bier. Erdinger Weissbier natürlich und Haldengut, was - zugegebenermassen - nicht sehr bayerisch war.
Toni: Zu essen gabs traditionelle Wiesn-Speisen wie Schweinshaxn mit Knödel, Weisswürste, Laugenbrezel oder Käsespätzle. Apfelstrudel und Kaiserschmarrn durften natürlich auch nicht fehlen. Zu trinken gabs natürlich Bier, sehr viel Bier. Apfelschorle oder Spezi (Cola und Orangenlimonade) gabs für jene, die das Bier umgehen wollten - habe aber kaum jemanden ohne kühles Blond gesehen. Kulinarisch war die Wiesn ausgezeichnet!
Zürich 3 - 3 München; Das Original holt mit bayerischem Bier auf.
Runde 5: Das andere Geschlecht
Nadine: Einer sexy Lederhose kann man kaum widerstehen - oder eben doch? Die Männer in Zürich haben sich schon rausgeputzt, muss ich sagen. Mein «Mr. Right» liess sich jedoch nicht finden. Doch auf der Wiesn sucht man sich ja auch keinen Mann fürs Leben. Höchstens an der netten Bedienung, die leider - ja leider! - für eine andere Reihe zuständig war, hätte ich Interesse finden können... Dennoch gabs definitiv ein paar Exemplare im Zelt, die nicht übel ausschauten. Flirten wäre definitiv möglich gewesen, auch wenn sich die Gruppen an den Tischen - ganz schweizerisch - doch eher untereinander austauschten.
Toni: Eines ist - so glaube ich - allen bewusst: Kaum jemand sucht auf der Wiesn nach der grossen Liebe. Die Frauen sind deutlich offener und gelassener im Vergleich zum «Züri-Usgang». Man hat das Gefühl, die Frauen schnüren ihr Dekolleté - das sogenannte «Holz vor der Hüttn» - um die Wette. Dennoch wirkt es in den Dirndln nicht billig. Nirgendwo sonst hat man die Möglichkeit, so viele lockere Kontakte zu knüpfen wie am Oktoberfest. Definitiv eine Flirt-Oase. Was dabei rauskam, bleibt mein Geheimnis.
Zürich 3 - 4 München; Der Flirt-Faktor in München lag um einiges höher als in Zürich.
Das Urteil
Schweren Herzens geht der Sieg an unsere deutschen Nachbarn. Auch wenn das Münchner Original musiktechnisch nicht mit der «Züri-Wiesn» mithalten konnte, hat uns die bayerische Wiesn durch die offenere Art ihrer Besucher und ihr wahrhaftig deutsches Bier knapp geschlagen.