Jahrelang war ihr Leben durchgetaktet. Rund dreissig Stunden Training pro Woche. Im Wasser, auf dem Velo und laufend. Von morgens bis abends war alles geplant. Auch die Hobbys – die Gartenarbeit oder das Malen. «Doch das Gemüse vertrocknete, wenn ich im Ausland war. Oder ich stand zwei Stunden vor der weissen Leinwand, weil die Ideen unter Zeitdruck nicht sprudelten», sagt Natascha Badmann.
Sie führt Tagebuch
Heute ist die sechsfache Ironman-Weltmeisterin daran, sich vom Spitzensport zurückzuziehen. Dennoch lebt die 51-Jährige nicht einfach in den Tag hinein. Sie notiert Ziele und Aufgaben in ihrem Tagebuch: 6.30 Uhr aufstehen, Physio, Referate vorbereiten, Gartenpflege. Dann ein bis zwei Stunden Sport – oder Malen im Atelier im umgebauten Bauernhaus in Oftringen AG. «Da tauche ich in eine andere Welt und vergesse die Zeit.» Jedoch nur so lange, bis der Wecker sie wieder in die Realität zurückholt.
«Sie kommt immer zu spät!»
Pünktlich zu sein – das war für sie schon immer ein Kampf. «Sie kommt immer zu spät!» Wie früher. «Da hiess es, eine Minute bis zum Start, und Natascha war noch beim Einschwimmen», sagt ihr Lebenspartner und ehemaliger Trainer Toni Hasler, 64. «Er hat recht, da muss ich mich an der Nase nehmen.» Sie gibt noch immer viel auf die Meinung ihres Partners. Manchmal aber stemmt sie sich heute dagegen.
Hasler und Badmann sind seit bald dreissig Jahren beruflich und privat ein Paar. Früher eilte ihnen der Ruf voraus, eher Guru und Untergebene als ebenbürtige Partner zu sein. Er würde gar die Interviewfragen für sie beantworten, hiess es. Diesen Eindruck bekommt man heute nicht. Hasler hält sich zurück, taucht nur auf, wenn explizit nach ihm gefragt wird.
Gewisse Ratschläge, wie etwa Guacamole zum Frühstück zu essen – «wegen der Fettsäuren» –, befolgt sie weiterhin. Andere, die das Training betreffen, ignoriert sie, macht, wozu sie Lust hat. Späte Emanzipation. Einfach sei das nicht: «Ich muss lernen, mir zu vertrauen, er muss lernen, mich machen zu lassen.» Nun nennen sie sich dafür öfter «Schätzli». Die Vornamen sind dem Geschäftlichen vorbehalten.
Badmann erinnert sich gerne an früher. Auch wenn die hawaiianischen Siegeskränze verdorrt und die Pokale ein wenig verstaubt sind – ihre Geschichten sind blühend und frisch. «Diese Trophäe gefällt mir besonders», sagt sie mit der Adler-Statue in der Hand. «Adler symbolisieren Stärke und Leichtigkeit. Ich stellte sie mir immer beim Laufen vor, wenn es hart wurde.»
«Ich wäre kerngesund, wären die Unfälle nicht gewesen!»
Badmann spricht in Bildern, wie früher. Doch der Adler in ihrem Kopf musste vor Kurzem in den Ruhestand. Laufen geht nur noch mit Schmerzen. «Ich wäre kerngesund, wären die Unfälle nicht gewesen!» Der von 2007 war der schwerste: Schlüsselbein und etliche Rippen gebrochen, beide Schultern zerschmettert. Ärzte prophezeiten das Ende der Karriere. «Sie sagten, ich könne froh sein, wenn ich ein Kilo Zucker heben könne.» Sie schafft noch fünfmal den Ironman Hawaii.
Auch wörtlich versetzt sie Berge: Vor dem Haus gibts Steine und Felsbrocken, von jeder Passfahrt mit dem Velo ein Andenken. Es werden weitere dazukommen, sie startet bei Triathlons im Team, denn Rad fahren geht noch gut. Schwimmen auch. «Dabei denke ich an einen Delfin. Der ist fröhlich, positiv und locker – wie ich!»
In ihrer Vergangenheit hat Badmann Schlimmes erlebt
Nicht immer war Natascha Badmann so voller Lebensfreude. Zu ihrer Geschichte gehören auch dunkle Kapitel: Missbrauch als Kind, eine frühe Mutterschaft mit 17, Übergewicht und Depressionen. «Dank dem Sport konnte ich meine Gedanken auf etwas Positives verlagern. Aber vergessen kann man solche Dinge nie», sagt sie und fügt an: «Es ist wie mit Unkraut im Garten. Es wächst immer wieder, doch ich konzentriere mich nur auf die schönen Rosen.»
Und auf ihre neuen Projekte: Sie möchte Motivations- und Ernährungs-Coaching anbieten. «Ich bin das beste Beispiel, dass jeder sein Leben ändern kann, wenn er wirklich will.»