Da steht man in New York in einer Bank und will ein Konto eröffnen. Dann fragt der Bankangestellte nach dem Beruf. Personal Trainer sei er, antwortet Stefan Schwitter, 31. Und seine Frau, Nina Burri, 37, sagt: «Ich bin Kontorsionistin.» Der Beamte schaut auf. Stimmt, dieses Gesicht kennt er aus dem Fernsehen. Bei «America’s Got Talent», der TV-Castingshow, die in den USA landesweit ausgestrahlt wird, hat es die Schlangenfrau im August in die Viertelfinals gebracht - unter Beifall von Jurymitglied Heidi Klum.
Nun sitzt Nina Burri also vor ihm. Der Angestellte loggt sich sofort bei Youtube ein, um ein Video von Ninas letztem Auftritt anzuschauen. Er sei auch Künstler, sagt er dann entzückt, Musiker in einer Band. Und zufälligerweise könnten sie am nächsten Wochenende in einer Show noch einen Bühnen-Act brauchen! Er rufe gleich seine Agentin an. «So kam ich zu meinem ersten Job hier», sagt Nina im Gespräch mit der «Schweizer Illustrierten». Willkommen im Big Apple!
Mitte Juli ist die Bernerin mit ihrem Ehemann vom rechten Zürichseeufer an den Hudson River ausgewandert. Mit nichts weiter als vier Koffern und dem Kopf voller Träume. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wollen die beiden den internationalen Durchbruch schaffen. Er als Fitness-Instruktor, sie mit ihren eleganten Verrenkungen im Showgeschäft.
«Die Schweiz zu verlassen, war aus beruflicher Sicht der logische nächste Schritt», sagt Nina. Denn hier hat die Schlangenfrau alles erreicht. Seit die ehemalige Béjart-Tänzerin 2007 in China eine Ausbildung zur Kontorsionistin machte, hat sie Kultstatus erlangt. Erst mit der Teilnahme bei der SRF-Castingshow «Die grössten Schweizer Talente», dann mit einer landesweiten Tournee im Nationalcircus Knie. Da, im engen Wohnwagen, hat Nina auch gelernt, mit wenig Platz auszukommen. Gut so! Denn ihre luxuriöse Viereinhalb-Zimmer-Wohnung mit Zürisee-Sicht haben Nina und Stefan gegen eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Queens getauscht. Nicht die beste Adresse in der Metropole. Aber auch nicht die schlechteste.
«Long Island City, wo wir leben, befindet sich im Aufbau und ist im Begriff, der neue Trendort von New York zu werden.» Die Wohnung ist 68 Quadratmeter gross und liegt im 26. Stock eines Wolkenkratzers. Zwar mit hausintegriertem Fitnesscenter und Kino, aber Luxus sieht anders aus. Das spärliche Mobiliar stammt vom Anwalt des Paares, der seine Wohnung geräumt und ihnen alles Überflüssige vermacht hat. Immerhin: Nur fünf Subway-Minuten trennen Nina und Stefan vom Central Park. «Das ist bereits einer unserer Lieblingsorte», sagt Stefan. Nicht nur weil man dort Ruhe in der hektischen Grossstadt findet. «Auch weil wir dort viele Künstler sehen, die uns inspirieren.»
Das Paar ist ein eingespieltes Team. 2011 verliebte sich Nina bei einer Tasse Kaffee auf den ersten Blick in den ehemaligen Wrestling-Star aus Zürich. Und am 10. Juli, zwei Tage vor der definitiven Abreise in die USA, haben Nina und Stefan ihren ersten Hochzeitstag gefeiert - respektive nicht. «Wir waren so beschäftigt, dass wir die Feier bald in New York nachholen müssen!» Heute ist Stefan nicht nur Ninas Mann, Liebhaber und Freund, sondern auch ihr Trainer.
Ich fühle mich mit 37 fitter, beweglicher und stärker als noch vor ein paar Jahren
Mit 37 Jahren, einem Alter, in dem eine Kontorsionistin die Pensionierung meist schon hinter sich hat, startet Nina richtig durch. Auch dank dem Coaching ihres Ehemanns. «Ich fühle mich ganzheitlich fitter, beweglicher und stärker als vor ein paar Jahren.» Gegenseitige Unterstützung und Freiräume schweissen das Paar zusammen. Und, man stellt es sich vor, sicher auch unglaublicher Sex! «Meine Beweglichkeit scheint die Fantasie der Leute zu beflügeln. Aber ich mache bestimmt kein dreistündiges Warm-up, nur um im Bett Schlangenposen einnehmen zu können. Spass haben wir zwischen den Laken ganz normal, wie andere Paare auch.»
Die internationale Karriere ist für das «Vogue»-Model bereits angelaufen. Nina ist für Shows in New York, Schanghai und Kanada gebucht. Und natürlich in der Schweiz. «Im Oktober und November komme ich jeweils für eine Woche zurück.» Unter anderem, um hier Kontorsions-Workshops zu geben. Und auch, um sich mit Schoggi einzudecken. «Meine Schwester darf mir nur zwei Tafeln aufs Mal schicken, mehr ist verboten», sagt Nina. «Nicht wegen der Figur, sondern wegen der Einfuhrbestimmungen.»
Stefan vermisse den guten Kaffee. Und beide ihre Familien. Damit hat es sich aber auch schon. «Wir fühlen uns in New York sehr heimisch. Die Stadt hat uns den Anfang auch leicht gemacht!» Nicht nur mit schönem Wetter, auch mit Überraschungen. «Besagter Banker ist jetzt übrigens einer unserer besten Freunde.»