Wer solches Gemüse hat, braucht keinen Raumspray mehr. Die Küche von Patricia Schmid, 31, duftet wie ein Sommergarten. Und das mitten im Winter, kurz vor Silvester! Stangensellerie, Peperoni, Rüebli und Romanesco liegen für das finale Dinner des Jahres auf dem Küchentisch. Ganz frisch, beim Online-Hofladen bestellt. Das kostet zwar etwas mehr als im Supermarkt, sagt das Model, aber man riecht den Unterschied. Und man schmeckt ihn auch! «Ich bezahle lieber fünf Stutz mehr pro Einkauf und gebe im Alter dann weniger Geld für Medikamente aus.» Diesen Leitsatz nimmt sich Patricia zu Herzen, seit sie ihn in ihrer Ausbildung zum Gesundheits-Coach in New York gehört hat. Genauso wie das Credo, alles, was sie ihrer Familie auftischt, mit Herzen von Hand herzustellen.
Den Teig für den Flammkuchen hat Patricia schon am Vortag ausgiebig geknetet, jetzt wirft er Blasen. «Der lebt richtig, so muss das sein», stellt sie zufrieden fest. Ihr Mann, Gian Tumasch Appenzeller, 32, (den sie heimlich geheiratet hat, wie der Bindestrich zwischen den Nachnamen am Türschild des Dreifamilienhauses am rechten Zürichseeufer verrät), rührt gerade die Salatsauce an. Mit Muskat. Das ist ungewöhnlich! Aber passt ihm als Kurator und Kulturschaffendem. Man müsse es beim Kochen wie in der Kunst nicht allen recht machen, ist Appenzeller überzeugt. Denn kochen kann ja jeder, abschmecken nicht. «Gewürz ist ein Statement!»
Das Paar kocht gern gemeinsam. Holt sich die Inspiration jedoch aus unterschiedlichen Ecken: Patricia bezieht sich oft auf alte Familienrezepte. Gian kocht aus dem Bauch. «Die Experimentierfreudigkeit hat mir meine Mutter vermittelt. Ich kann mich nicht erinnern, in meiner Kindheit zweimal dasselbe gegessen zu haben.»
Beim Essen soll man auf den Körper hören
Ganz neue kulinarische Wege geht Gion Luis. Der einjährige Sohn des Paars sitzt im Wohnzimmer auf dem Boden und kaut auf einem goldenen Luftballon herum. Patricia schmunzelt. «Man darf ihn nicht aus den Augen lassen. Er ist eines dieser Alles-in-den-Mund-nehmen-Kinder.» In den Ferien auf Ibiza wurde jeder Kieselstein abgeleckt. Und vorhin beim Tischdecken musste Patricia ihrem Sohn die halbe Papierserviette aus dem Mündchen klauben. Zeit, dass Gion Luis etwas Richtiges in den Magen kriegt. In einer separaten Pfanne kocht schon sein Gemüse. Ungesalzen und butterweich, so mag er es am liebsten. Dabei hat er schon acht Zähnchen im Mund! «Als er mit elf Monaten anfing, mich zu beissen, habe ich abgestillt.»
Patricia beginnt den Teig in Form zu ziehen. Daraus soll die Vorspeise des Silvestermenüs entstehen: ein Gemüse-Flammkuchen mit Chèvre, dafür ohne den Speck, den man vom Elsässer Original kennt. Patricia ernährt sich vegetarisch. Nicht weil sie Fleisch nicht mag, sie liebt den Geschmack sogar, sagt sie. Aber ihre Tierliebe ist grösser als der «Gluscht». Nur in der Schwangerschaft hat sie ihm nachgegeben. «Beim Essen soll man in erster Linie auf den Körper hören, nicht auf den Kopf», ist sie überzeugt.
Dass ihr Mann sich herausnimmt, seine Seite des Flammkuchens mit Rohschinken aufzupeppen, stört sie nicht. «Ich akzeptiere seine Fleisch-, er dafür meine Gemüse-Esserei.» Und die geht so weit, dass das Gemüse nicht mehr als Beilage, sondern als Hauptzutat auf den Teller kommt. «Inspiriert hat mich dazu das vegetarische Pariser Restaurant L’Arpège. Als Hauptgang gibt es eine bunte Gemüsemischung an Morchelsauce zu Dinkel-Vollkornspätzli.
Bereits ist die Vorspeise fertig gebacken. Gian Tumasch verfeinert den Flammkuchen beim Anrichten mit Agavendicksaft. Gemeinsam mit Ahornsirup, Kokosblüten- und Birkenzucker hat die Agave den Haushaltzucker aus Patricias antikem Küchenbuffet verdrängt. «Über die Jahre habe ich festgestellt, dass mir der raffinierte Zucker nicht guttut, weder körperlich noch geistig», schrieb sie im Sommer in ihrem Gesundheitsblog «Paddy’s Swiss Kitchen». Dort teilt sie seit Juli regelmässig Inspirationen und Rezepte für einen ausgeglichenen Alltag. Der Follower lernt, wie er ohne Zucker selber Nutella herstellen kann. Oder sich eine heisse Schoggi kocht, die nicht nur der Seele, sondern auch der Gesundheit guttut.
Raffinierter Zucker tut mir nicht gut, weder körperlich noch geistig
Seit der Geburt von Gion Luis ist der Blog Patricias erster und einziger Schritt in Richtung neuer beruflicher Karriere. Das wird er vorerst auch bleiben. «In erster Linie will ich jetzt Mutter sein.» Den Entscheid hat sie ganz bewusst gefällt. Sie hat während ihrer Ausbildung gelernt, wie wegweisend die ersten drei Lebensjahre für einen Menschen sind. Wie sehr sich Nähe und Liebe der Eltern positiv auf die Entwicklung auswirken. Um Gion Luis den bestmöglichen Start ins Leben zu geben, ist das Paar auch bereit, seinen Lebensstandard herunterzuschrauben. «Wir leben aktuell von einem Einkommen.» Und es geht auch so. Die hübschen Kristallgläser stammen aus der Brockenstube. Das Silberbesteck aus Omas Nachlass. Der Tisch ist aus zwei Böcken und einer schmalen Holzplatte zusammengestellt. Nichts gehört zusammen. Aber alles passt.
Nun knallt es zwischen den Stuhlbeinen. Gion Luis hat etwas zu heftig zugebissen, sein Ballon ist zerplatzt. Er schaut verdutzt. Patricia hebt ihn hoch und zeigt ihm den Cheesecake, den sie am Morgen gebacken hat. Voller Freude greift er danach, gräbt die Füllung einmal um. Patricia lässt ihn gewähren. Als Bettmümpfeli darf er sich die Finger abschlecken, dann ist Schlafenszeit. Den Rutsch ins neue Jahr wird der Kleine friedlich verträumen.
Sie wollen die Dinkel-Vollkornspätzli nachkochen? Hier finden Sie das Rezept zum Download: