Er donnert auf Ski mit über 150 Kilometern pro Stunde die Hänge hinab und lotet auch auf der Strasse gerne die Grenzen aus. «Es ist ziemlich ähnlich, je schneller man unterwegs ist, desto enger wird die Fahrbahn, desto höher muss die Konzentration sein. Dieses Gefühl liebe ich», erzählt der aktuelle Abfahrtsweltmeister Patrick Küng.
So war es für den 31-Jährigen umso schwieriger, die Zeit der Entschleunigung wegen einer Patellasehnenentzündung zu akzeptieren. Statt mit dem Speed-Team ins Trainingslager nach Chile zu reisen, standen für den Glarner diesen Sommer und Herbst Reha-Training, Physiotherapie und Arzttermine auf dem Programm. «Es gab Wochen, da bin ich fast verzweifelt, weil es nicht vorwärts ging.» Ans Schneetraining war im September noch nicht zu denken, seit Monat ist er nun aber zurück im Training.
Wir haben den erfolgreichsten Schweizer Skirennfahrer der vergangenen Saison zuvor in einem anderen Umfeld abgelichtet. Und ihm zur Abwechslung Fragen abseits des sportlichen Terrains gestellt.
SI Sport: Wann sassen Sie das erste Mal am Steuer?
Patrick Küng: Ich glaube, da war ich elf Jahre alt. Autos haben mich immer fasziniert. So liess mich mein Grossvater einmal auf einem Parkplatz auf den Fahrersitz.
Bei welchem Tempo wirds Ihnen mulmig?
In der Schweiz halte ich mich natürlich an die Tempolimiten. Aber ennet der Grenze bin ich auch schon 200 Stundenkilometer gefahren. Viel schneller würde ich aber nicht fahren, vor allem, wenns nicht ganz geradeaus geht.
Was findet man immer in Ihrem Auto?
Kaugummis! Und Kleingeld für Parkuhren. Ich rege mich aber immer auf, weil in den Kurven immer irgendwo Münzen klimpern.
Ihre Lieblingsmusik beim Autofahren?
Ich bin nicht so der CD- oder MP3-Typ. Ich höre sehr oft Radio und nutze die langen Autofahrten auch, um Infosendungen und Nachrichten zu hören.
Wann singen Sie mit?
Wenn ich Lieder von früher aus den 90ern höre, die mich mitreissen. Es muss jetzt aber niemand Angst haben - ich singe nur alleine oder mit guten Bekannten als Beifahrer.
Haben Sie ein bestimmtes Lied, das Sie jeweils vor den Skirennen hören?
Es kommt drauf an, ob ich etwas aggressiver werden oder mich eher beruhigen muss. Ich bin gar kein Hardrock-Fan. Wenns also ums Pushen geht, höre ich eher House-Musik. Manchmal sind die Ohrstöpsel vor den Rennen auch nur schon gut, damit man etwas abgeschottet ist und mit niemandem mehr reden muss (lacht).
In der nordamerikanischen Wildnis lasse ich mich jeweils gehen
Wie fühlen Sie sich wohler, glatt rasiert oder mit Drei-Tage-Bart?
Das kommt ganz auf die Situation an. Im Winter in der nordamerikanischen Wildnis lasse ich mich jeweils ein bisschen gehen in der Hinsicht. An der WM fuhr ich zum Beispiel die Abfahrt mit Bart. Zwischen dem Festen und der Siegerehrung fand ich dann noch Zeit, um mich zu rasieren. Aber allgemein habe ich eh einen schwachen Bartwuchs: Als Eishockeyspieler müsste ich jeweils schon am Anfang der Saison anfangen, den Playoff-Bart wachsen zu lassen.
Was für Beautyprodukte benutzen Sie?
Gesichtscreme und ab und zu Haargel. Und das Wichtigste: eine gute Sonnencreme. Weil wir ja oft auf dem Gletscher sind, ist das sehr wichtig. Ich habe immer die gleiche! Leider gibt es von meiner Lieblingscreme nicht mehr die mit Sonnenschutzfaktor 50, sondern nur noch mit 40, das nervt!
Schnarchen Sie?
Nein, das hasse ich! Ich bin ein sehr ruhiger Schläfer. Ich mag es gar nicht, wenn jemand schnarcht oder sich im Bett bewegt. Auch bei Frauen nervt mich das, auf Dauer würde ich dann getrennte Betten bevorzugen.
Sie sind aber schon noch Single, oder?
Wenn man mir nicht gerade eine Affäre anhängt mit jemandem, den ich nicht mal persönlich kenne, ja, dann bin ich noch Single.
Zurück zum Schlafen. Träumen Sie oft vom Skifahren?
Nein, eher von dummen Sachen. Zum Beispiel von Schmerzen am Bein, die mich am Wegrennen hindern oder so. Von Stürzen auf der Piste träume ich nie.
Was haben Sie immer im Kühlschrank?
Joghurt. Praktisch, weil man es zu jeder Tageszeit und schnell essen kann. Je nach Saison mag ich verschiedene Sorten. Momentan ist Passionsfrucht hoch im Kurs bei mir. Da muss ich wohl bald wechseln.
Und was sucht man in Ihrem Kühlschrank vergebens?
Mineralwasser mit Kohlensäure, das finde ich etwas vom Dümmsten. Wenn Wasser, dann trinke ich Hahnenwasser, wenn wir in der Schweiz schon das Glück haben, das ohne Bedenken tun zu können.
Ich würde gerne gut kochen köchen, aber Mami hat mich zu oft verwöhnt
Können Sie gut kochen?
Schön wärs! Früher habe ich immer Kochsendungen geschaut. Die kamen immer, wenn ich vom Skifahren runter ins Hotel kam. Ich würde gerne gut kochen können, werde dafür aber von meinem Mami zu oft verwöhnt.
Wenn Sie doch mal Gäste haben, was tischen Sie denen auf?
Dann gibt es meistens Grilladen oder Flammkuchen, das kann ich sehr gut.
Das teuerste Restaurant, in dem Sie je gegessen haben?
Dort habe ich sicher nicht selber bezahlt! Ich weiss es aber nicht mehr genau. In Denver gehen wir immer in ein teures Steakhouse. Dafür gebe ich gerne Geld aus. Aber es muss auch nicht immer ein teures Stück Fleisch sein. Ich bin sehr einfach und auch mit Ghackets und Hörnli zufrieden.
Ihr teuerstes Kleidungsstück?
Die richtig teuren Sachen bekomme ich auch da zum Glück geschenkt von meinem Kleiderpartner Mode Weber. Aber für Jeans gebe ich zum Beispiel schon mal 300 Franken aus - die trage ich dafür auch so lange, bis sie Löcher haben.
Ich mag James Bond. Früher wegen den schönen Autos und den schönen Frauen
Gehen Sie gerne shoppen?
Ja, vor allem im Ausland. Ich schaue gern, was die Leute in anderen Städten so tragen. Es ist für mich auch eine gute Abwechslung zum Training.
Wer ist Ihr Lieblingsfilmheld?
Ich mag James Bond. Früher vor allem wegen den schönen Autos und den schönen Frauen. Total oberflächlich, ich weiss.
Haben Sie eine Liste mit Sachen, die Sie in Ihrem Leben noch machen wollen?
Sicher nicht physisch, aber im Hinterkopf. Momentan steht aber der Sport im Vordergrund. Für die Zeit danach würde ich gerne noch viele Orte bereisen. Südafrika steht da zuoberst auf der Liste.
Sie reisen ja schon heute viel herum. Was muss ein Hotelzimmer unbedingt haben?
Ich war schon so oft in Hotels, dass ich das langsam richtig satt habe.
Ach ja, warum denn genau?
Ich mag dieses Fremdbestimmte nicht, die fixen Essenszeiten und so. Wenn immer möglich wohne ich in den Ferien deshalb in einer Wohnung.
Sie dürften einer Weltcup-Piste einen neuen Namen geben. Welche wärs?
Die Birds of Prey in Vail könnte man ja jetzt Patrick-Küng-Piste nennen (lacht). Und Kitzbühel müsste eigentlich auch anders heissen, weil sie so krass ist. Hahnenkamm tönt viel zu harmlos. Von dem her passt die Raubvogelpiste wieder, da wird der Name der Abfahrt gerecht.
Was macht Ihnen Angst?
Früher hatte ich Angst vor Gewittern, vorm starken Wind, Blitz und Donner. Heute mag ich es sogar, wenn man den Wetterumschwung förmlich riecht. Schlangen mag ich auch nicht, und vor Hunden habe ich grossen Respekt, weil sie unberechenbar sind. Klar mache ich mir auch Gedanken über das Leben, über die Zukunft und vor allem über den Sport. Kommt mein Knie wieder gut? Kann ich mich diese Saison verbessern? Aber Angst kann ich das nicht nennen - Leute auf der Flucht oder im Krieg haben Angst, bei mir sind das im Vergleich Luxusprobleme.
Was können Sie gar nicht riechen?
Kalten Rauch am Morgen. Wenn wir frühmorgens ganz nah beisammen für die Gondel anstehen und einer nach Zigarettenrauch stinkt - das geht gar nicht.
Und von was bekommen Sie Hühnerhaut?
Wenns kalt ist (lacht). Oder wenns ein Haar oder eine Mücke im Essen hat. Und bei Empfängen mit vielen Leuten bekomme ich Hühnerhaut auf positive und negative Art: vor Rührung und Emotionen der Freude, aber auch, weil ich mich in grossen Massen nicht unbedingt wohl fühle.
Was denken Sie, wenn Sie zehn Jahre zurückblicken?
Wenn man mir damals gesagt hätte, du gewinnst mal die WM-Abfahrt und das Lauberhorn, dann hätte ich ganz sicher unterschrieben. Ich glaube darum, ich habe sehr vieles richtig gemacht.
Sie würden heute nichts anders machen?
Vielleicht hätte ich etwas strenger sein können mit mir. Aber auf der anderen Seite muss ich manchmal ausbrechen, um dann weiter vorwärts zu gehen. Ich habe in den letzten zehn Jahren dem Skifahren zuliebe auch viel geopfert, gerade Beziehungen mit Frauen kamen zu kurz. Aber ich bereue nichts, denn die Zeit als Spitzensportler ist kurz, die muss man nutzen, und das tue ich.
Welche Schlagzeile möchten Sie gerne mal über sich lesen?
Die Hauptsache ist, dass sie korrekt sind! Schlagzeilen sind so kurzlebig, mir sind die Erinnerungen und Erlebnisse dahinter wichtiger. Aber natürlich würde ich mich über gute Resultate freuen und in der Zukunft gerne über eine gesunde eigene Familie lesen. Das ist aber noch weit weg.
Ich glaube nicht an Gott
Glauben Sie an Gott?
Nein, nicht an Gott. Aber schon an etwas, an irgend eine höhere Macht. Ich mag es jedoch nicht, wenn Leute ihr Leben zu extrem vom Glauben bestimmen lassen.
Sie gehen also auch nicht in die Kirche?
Nein, auf jeden Fall nicht aus religiösen Gründen. Aber aus architektonischer und künstlerischer Sicht gefallen mir Kirchen.
Glauben Sie ans Schicksal?
Ja, ich glaube daran, dass gewisse Dinge vorbestimmt sind. Und das, seit mein Freund Werner Elmer vor 13 Jahren gestorben ist. (Der damals 19-jährige Skirennfahrer verunglückte auf einer FIS-Abfahrt in Verbier tödlich. Anm.) Ich musste mich damit abfinden und mir sagen: Bei jedem läuft die Uhr ab, bei den einen früher, bei den anderen später. Das ist wohl vorbestimmt. Darum sollte man jeden Tag leben und geniessen.
Vergisst man das als Sportler durch die ständige Zielsetzung manchmal?
Das hat schon etwas. Man hat ja ständig neue Ziele, und jeder fragt nach der Saisonplanung. Jeder fragt, wann ich aufhöre und was nach dem Karriereende kommt. Aber ich war schon immer einer, der den Moment geniesst und lebt. Diese Lebenseinstellung wurde mir aber auch schon als negativ ausgelegt, als zu wenig ehrgeizig und seriös.
Wie würden Ihre besten Freunde Sie beschreiben?
Ein Lausbub, mit dem man alles machen kann. Wir haben früher wirklich viel Seich gemacht. Zum Beispiel von einem Bauernhof grosse Traktorpneus geklaut und den Hügel hinunter durchs hohe Gras gerollt, das war sehr lustig. Der Bauer fand das natürlich nicht und wir nach dem Wieder-hinauf-Rollen der Pneus auch nicht mehr. Mittlerweile bin ich auch etwas erwachsen geworden. Meine Freunde würden mich sicher auch als sehr ehrgeizig und gesellig bezeichnen.
Sind Sie ein guter Verlierer?
Nein! Nicht im Sport und auch sonst nicht: Ob Fussball oder Volleyball, ich bin einer der pusht, der versucht, die Gruppe mitzureissen. Ich kämpfe und gebe alles für den Sieg, bin mit vollen Emotionen dabei!
Wenn Sie Ihre Karriere mit einer Wanderung vergleichen müssten, wie würde diese aussehen?
Eine mit vielen Aufs und Abs. Ich habe nach diversen Abstürzen einen langen und harten Aufstieg hinter mir. Schon ziemlich weit oben und einen Gipfel bereits bezwungen - und doch gehts stetig bergauf. Hoffentlich bin ich noch ein ganzes Stück vom höchsten Punkt weg. Es ist wirklich ähnlich wie beim Skifahren: Manchmal geben äussere Einflüsse vor, wie weit und schnell man vorwärts kommt. Beim Wandern sind das Wetter und die passende Kleidung entscheidend, bei uns die Gesundheit, die Fitness und das passende Material.