Die letzten drei Wochen sei es ihrem geliebten Mann immer schlechter gegangen. Nur vier Tage nach dem Tod von Pfarrer Ernst Sieber, † 91, spricht Witwe Sonja Sieber erstmals über die schwerste Zeit ihres Lebens. «Ernst musste ins Spital. Ich wachte jeden Tag an seinem Bett, die Kinder wechselten sich nachts ab», erzählt sie dem «Blick».
Sie habe seine Hand gehalten, die Familie sang Lieder und Ernst Sieber summte mit. «Er konnte nicht mehr sprechen», so seine Frau weiter, «aber wir verstanden uns. Es war zuletzt sein grösster Wunsch, nach Hause zu seinem geliebten Heiland zu dürfen.»
«Wir waren beide impulsiv»
Ernst Siebers Wunsch: «Hoffentlich kann man im Himmel auch malen.» Bis zum Schluss habe der Pfarrer, der so vielen Menschen in Not geholfen hat, an seinem Glauben festgehalten. «Darin war er unerschütterlich.» Ihr Mann sei für sie ein Genie in jeder Hinsicht gewesen. «Ich liebe seine Worte, seine Bilder, seine Statuen. Alles war mit Humor gespickt.»
Natürlich habe es in der 60 Jahre dauernden Ehe auch Streit gegeben.«Jede Menge! Wir haben uns oft Wortgefechte geliefert. Wir waren beide sehr impulsiv», erzählt Sonja Sieber. Doch die Streitigkeiten haben nicht lange gedauert. «Die Liebe war immer die Grundlage für unsere Beziehung. Wir haben immer wieder zu uns zurückgefunden.»
Sein letzter Dank galt der Bevölkerung
Jetzt, nach seinem Tod, lasse sie ihren Mann aber in Ruhe. «Er wünschte sich so sehr, in den Himmel zu kommen. Da darf ich ihn jetzt nicht runterholen. Davor habe ich grossen Respekt.» Schliesslich habe sie 60 Jahre Zeit gehabt, ihren Ernst um Rat zu bitten.
Die Bilder des begeisterten Malers wolle die Familie nicht verkaufen. «Sie sind unser kostbarer Schatz. Wir machen eine Auststellung. Die Bilder von Ernst sollen für alle zugänglich werden.» In seinem letzten Brief habe ihr Mann sich an seine Gemeinde gewendet. «Er schrieb: ‹Unser Dank möge so gross sein, dass er weit über meinen Tod hinausreicht. Bis zum Herzen Gottes.› Er richtete seinen Dank an die ganze Bevölkerung. Ohne deren Hilfe und Spenden hätten wir nie so vielen Menschen helfen können.»
Sein Lebenswerk
Pfarrer Ernst Sieber ist am Samstag, 19. Mai 2018, friedlich eingeschlafen. Er hinterlässt seine Frau Sonja und acht Kinder. Vier eigene: Martina, Jasmin, Ilona, Jethro. Und vier adoptierte: Simone, Michele, Patrice, Nuredin. Sein Leben widmete der beliebteste Pfarrer der Schweiz Menschen in Not.
Er rief den Pfuusbus ins Leben - eine Schlafmöglichkeit für obdachlose Menschen -, die Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli und das Sunedörfli, ein Rehabilitationszentrum für ehemals suchtabhängige Menschen. Rund 30 Sozialwerke tragen mittlerweile seinen Namen. Zudem feierte er jeden Dezember mit 600 Randständigen im Hotel Marriott in Zürich Weihnachten.