Die Schweiz hat eine grossartige Schauspielerin verloren. Monica Gubser, deren Karriere erst im hohen Alter mit «Lüthi und Blanc», «Die Herbstzeitlosen» und «Die letzte Pointe» so richtig aufblühte, ist für immer verstummt. Wie die Familie gegenüber «Blick» sagt, sei sie gestern Mittwoch um 14 Uhr in einem Spital in Solothurn «sanft entschlafen».
Die gebürtige Zürcherin wurde 88 Jahre alt. «Sie durfte genau so gehen, wie sie es sich gewünscht hatte.» Gubser hinterlässt drei Söhne, mehrere Enkel- und Urenkelkinder, ihren Mann hatte sie bereits früher an Alzheimer verloren. Die Beerdigung finde im engsten Familienkreis statt, so die Mitteilung der Familie. Nächste Woche soll es in Solothurn dann eine öffentliche Abschiedsfeier geben.
«Hollywood hat nicht auf dich gewartet»
Sie ist 13 Jahre alt, als ihre Liebe für die Schauspielerei entfacht wird. Monica Gubser erinnert sich in einem Interview mit SRF an diesen Moment: «Ich besuchte mit der Schulklasse die Theateraufführung ‹Der Sturm› von Shakespeare. Die geheimnisvolle Atmosphäre faszinierte mich. Als ich die Schauspieler in ihren Kostümen sah, wurde ich unruhig und wusste: Auf diese Bühne möchte ich.»
Ihre Eltern unterstützen sie in ihrem Traum, warnen ihre Tochter aber auch: «Du wirst hart arbeiten müssen und wenig Geld verdienen - Hollywood hat nicht auf dich gewartet.» Gubser hat Talent, arbeitet hart und schafft es an die Schauspielschule in Zürich. Sie bekommt nach ihrem Abschluss sofort Engagements - erst in Basel, dann in Solothurn.
Von der Bühne in die Wirtschaft
Es sind intensive Jahre auf der Bühne, vormittags Texte lernen, abends vor dem Publikum stehen, so gut wie keine freien Tage. Nach den Aufführungen habe sie mit ihren Kollegen den Abend jeweils im Zunfthaus zu Wirthen ausklingen lassen. Dort lernt sie später nicht nur ihren Mann kennen, sondern kehrt der Schauspielerei ganz den Rücken. «Ich wollte eine Familie. Mit der Heirat fing ein anderes Leben an: Von den Schwiegereltern übernahmen wir das Zunfthaus in Solothurn und bekamen drei Knaben. Später führten wir fast 25 Jahre das Restaurant Chez Derron (das heutige «Baseltor»; Anm.d.Red.)», so Gubser.
Die Schauspielerei ist für die Wahl-Solothurnerin ad acta gelegt. Auch als ein, wie sie ihn nennt, «hartnäckiger Regisseur aus Deutschland» in ihr Restaurant kommt und sie von einer Rückkehr überzeugen will, lehnt sie ab. Glücklicherweise lässt dieser nicht locker, sodass Gubser schliesslich nachgibt und in ihren 60ern ihre allererste Filmrolle in «An allem Schuld» bekommt - das Restaurant ist inzwischen verkauft. Es folgen wieder Engagements auf der Bühne und weitere vor der Kamera. In der TV-Serie «Lüthi und Blanc» spielt sie Michael Fricks (Gilles Tschudi) Mutter Gertrude, im Kino-Streifen «Die Herbstzeitlosen» schlüpft sie in die Rolle der Hanni Bieri, sie ist in «Heidi» und «Der Teufel von Mailand» zu sehen.
Ihr allererste Film-Hauptrolle mit 86
Mit zunehmendem Alter werden zwar die Versagensängste grösser. Sie fürchtet sich, dass «der Ruf zum Abtreten laut würde, falls ich einmal aus dem Text fallen sollte». Diese Ängste aber sind unbegründet und Gubsers Karriere nimmt erst richtig Schub an. Sie ist 86-jährig, als ihr für die «Die letzte Pointe» die Hauptrolle in einem Film angeboten wird. Zum allerersten Mal überhaupt. Regisseur Rolf Lyssy, 83, («Schweizermacher») ist begeistert von seinem Star: «Ich wundere mich, wieso man Monicas Qualitäten nicht vorher entdeckt hat. Ich könnte mir keine Bessere für diese Rolle vorstellen.»
In «Die letzte Pointe» spielt Gubser die 90-jährige Gertrud, die befürchtet, dement zu sein, und sich deshalb das Leben nehmen möchte. Der Film feiert am Zurich Film Festival 2017 Premiere und ist ein voller Erfolg - etwas, das Gubser sehr ehrt und gleichzeitig überrascht, wie sie im Gespräch mit «ZFF Daily» verrät:
Auch danach denkt sie nicht ans Aufhören. Wieso auch? «Ich finde, solange man kann und will, soll man irgendetwas tun. Egal was. Alte Leute, die nichts mehr tun, wirken noch älter als sie sind. Solange ich noch Freude habe am Beruf, werde ich ihn ausüben. Solange sie mich wollen und ich kann», meint sie in einem Gespräch mit SRF.
Keine Angst vor dem Tod
Lyssys Film lässt sie auch über den eigenen Tod nachdenken. Sie wisse, irgendwann einmal loslassen zu müssen. Sie könne sich gut vorstellen, als Mensch wiedergeboren zu werden und all das, was sie bereits in ihrem Rucksack habe, in ihrem neuen Leben einfliessen lassen zu können. Dieser Gedanke nehme ihr die Angst vor dem Tod.
Doch grundsätzlich glaubte Gubser an ein Leben danach. «Ich glaube fest daran, dass ich einmal in Dimensionen komme, von denen ich jetzt noch gar nicht weiss, dass es sie gibt. Und vielleicht gibt es dort ganz andere Dinge, die viel schöner sind als hier. Das ist doch auch noch eine Option!» Und vielleicht sehe sie dort ihre bereits verstorbenen Schauspiel-Kollegen Jörg Schneider, †80, und Mathias Gnädinger, †74, wieder. Sie tröste sich mit dem Gedanken, auch einmal dorthinzugehen, «wo die jetzt sind». «Dann sehen wir uns wieder, und dann bin ich wieder froh.»