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Der Chef von Schweiz Tourismus im Interview

Martin Nydegger: «Die Schweiz ist ein ideales Veloland»

Schweiz Tourismus hat 2018 zum Velo-Jahr gekürt. Der neue Direktor Martin Nydegger geht mit gutem Beispiel voran. Er nimmt an den grossen Velo-Events slowUp und Ride the Alps teil.

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Martin Nydegger

Martin Nydegger, 47, Direktor Schweiz Tourismus, am Start zum slowUp Ende April rund um den Murtensee in Avenches VD.

Kurt Reichenbach

Herr Nydegger, wir treffen Sie am slow-Up, an der autofreien Velo-Tour rund um den Murtensee. Nehmen Sie zum ersten Mal teil?
Ja, es ist meine persönliche slowUp-Premiere, in meiner Heimat notabene. Ich komme aus dem Seeland. Jetzt kann ich meiner Familie diese schöne Gegend präsentieren. Meine Frau kommt aus Chile. Um ihr die Schweiz zu zeigen, unternehmen wir viele Ausflüge.

Gefällt Ihrer Familie das slowUp?
Ja, sie ist sehr beeindruckt: Rund 60 000 Leute fahren miteinander um den Murtensee! Allein ist man nie, da läuft immer etwas. Doch meinen 11-jährigen Sohn mussten wir zwischendurch schon etwas motivieren. Immerhin ist die Strecke 35 Kilometer lang. Drüben in Môtier spienzelte er immer wieder auf die Bahngleise und meinte, es würde hier im Fall auch ein Zug fahren … (lacht).

Wir haben in der Schweiz die schönsten Pässe überhaupt

Was macht den grossen Erfolg des slowUp aus?
In der ganzen Schweiz gibt es mittlerweile 17 slowUp-Strecken, mit unterschiedlichen Topografien. Rund um den Murtensee ist die Strecke relativ flach, die Landschaft attraktiv, das Wetter ist heute gut, das Einzugsgebiet zwischen Romandie und Bern gross. Und es ist wirklich ein schönes Gemeinschaftserlebnis.

Mit dem Coop Ride the Alps, wo einzelne Passstrassen gesperrt werden, hat Schweiz Tourismus auch einen eigenen Velo-Event geschaffen.
2018 ist unser Velo-Jahr – mit Fokus auf Rennvelo, Mountainbike, Trekking- und Tourenbike. Dabei wollen wir das touristische Velo-Angebot nicht einfach nur vermarkten, sondern auch Neues kreieren. Wir haben in der Schweiz die schönsten Pässe überhaupt. Nur müssen sie die Velofahrer mit den Autos und Töffs teilen. Mit dem Coop Ride the Alps haben sie nun ihren Lieblingspass wenigstens an einem Tag für sich. Dieses Jahr gibt es zehn Austragungen. Ich werde sicher auch einen Pass fahren, bin aber sonst eher der geniessende Mountainbiker (lacht). Früher war es für mich ein Fitnessgerät. Heute ist Velofahren ein Gemeinschaftserlebnis mit der Familie.

Martin Nydegger

«Früher war das Mountainbike für mich ein Fitnessgerät», sagt Nydegger, der zehn Jahre Tourismusdirektor im Unterengadin war.

Kurt Reichenbach

Welche Zielmärkte spricht Schweiz Tourismus mit dem Schwerpunkt Velo an?
Es ist in erster Linie der Markt Schweiz und Europa. Die Engländer interessieren sich vor allem fürs Rennvelo, die Deutschen mehr fürs Mountainbike, und die Holländer sind sowieso Velo-begeistert. Sie kommen ja schon fast mit dem Velo zur Welt (lacht).

Was sind die Feedbacks im Markt?
Ich war bei den Lancierungen in Deutschland, England und Holland dabei. Es kommt sehr gut an! Viele sind auch überrascht, da wir bislang die Schweiz nie wirklich als Veloland positioniert haben. Jetzt stellt man fest: Es stimmt eigentlich, mit diesen Strassen, mit diesen Landschaften, mit diesen Bergen ist die Schweiz ein ideales, vielfältiges Veloland.

Wir müssen die alpine Schweiz mit ihren Attraktivitäten und Schönheiten wieder stärken

Welches Potenzial sehen Sie darin? Kann die Schweiz im Sommer und Herbst zur Velo-Destination werden, wie Mallorca im Frühling?
Das ist natürlich die Wunschvorstellung, aber primär wollen wir uns jetzt einmal als Veloland in Erinnerung rufen – und zwar auf unterschiedlichen Leistungsstufen. So sprechen wir die verrückten Mountainbiker und Downhiller oder die fitten Rennvelofahrer an. Aber auch diejenigen, die mit dem Tourenvelo oder mit dem boomenden E-Bike gemütlich unterwegs sind. Besonders populär ist die extra für E-Bikes konzipierte Herzroute quer durch die Schweiz.

Wenn Sie einen solchen Schwerpunkt setzen, kommt da auch in der Branche etwas in Bewegung?
Absolut! Zumal die Branche seit zwei Jahren weiss, dass wir 2018 ein Velo-Jahr haben. Die verschiedenen Destinationen stimmen Tourenvorschläge ab, bereiten das Kartenmaterial auf und betreiben zusammen mit uns ein flächendeckendes Velo-Marketing.

Martin Nydegger

«Die Top-Ausflugsziele und die Städte florieren. Doch das Berggebiet macht uns Sorgen», sagt Nydegger über die Heraus-forderungen von Schweiz Tourismus.

ZVG

Destinationen wie die Lenzerheide, das Engadin oder das Wallis sind sehr weit und haben in den letzten Jahren ein Top-Angebot geschaffen. Haben andere Regionen den Bike-Trend ein bisschen verpasst?
Der Entwicklungsstand ist in der Tat unterschiedlich, es gibt auch unterschiedliche kantonale Gesetze. Aber Sie haben Recht: Graubünden ist wohl der führende Bike-Kanton. Doch andere holen auf, das Wallis oder das Berner Oberland geben richtig Gas. Und das Tessin macht es mit seinen Velowegen und der Signalisation phänomenal. Schön ist auch, dass die Bergbahnen mitziehen und die Bikes transportieren. So gewinnt man Höhenmeter und kann wunderbare Abfahrten geniessen, zum Beispiel auf den neuen Flow Trails im Engadin oder in Lenzerheide.

Die Schweiz ist so vielseitig, da kann man immer wieder Neues entdecken.

Sie sind seit Anfang Jahr neuer Direktor von Schweiz Tourismus. Was sind Ihre Pläne?
Auch wenn die aktuellen Zahlen erfreulich sind, stehen wir vor ein paar Herausforderungen. In den letzten acht Jahren haben wir ziemlich Logiernächte und Gäste verloren, vor allem in den europäischen Märkten, wegen des starken Frankens. Diese Touristen fehlen uns heute, sie wollen wir zurückgewinnen. Wir haben in der Schweiz Top-Ausflugsziele, die vor allem von unseren asiatischen Gästen stark nachgefragt werden. Wir haben florierende Städte. Doch das Berggebiet macht uns Sorgen. Wir müssen die alpine Schweiz mit ihren Attraktivitäten und Schönheiten wieder stärken.

Wo verbringen Sie Ihre Ferien in der Schweiz?
Überall! Ich war zehn Jahre Tourismusdirektor im Unterengadin. Deshalb will mein Sohn jeweils unbedingt dorthin in die Skiferien. Das freut mich sehr! Es ist wichtig, dass wir unsere Kinder für Winterferien begeistern, damit sie unseren Destinationen ein Leben lang erhalten bleiben. Unsere nächsten Sommerferien machen wir im Tessin, zuletzt waren wir eine Woche in der Romandie. Die Schweiz ist so vielseitig, da kann man immer wieder Neues entdecken!

Ein Interview aus «Velo»

Von Stefan Regez am 28. Mai 2018 - 17:45 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 12:24 Uhr