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Franco Knie junior

Sein Leben zwischen Familie und Manege

Er lebt zusammen mit seiner Frau Linna und dem kleinen Chris Rui seinen ganz persönlichen Familientraum. Darum bereut Franco Knie junior auch nicht, dass er vor dreizehn Jahren seinen Job als Informatiker an den Nagel gehängt hat um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten.

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Auf der einen Seite 88 Kilogramm. Auf der anderen 3,4 Tonnen. Und doch kommunizieren Franco Knie junior und Elefantendame MaPalaj auf Augenhöhe. Die Dickhäuter haben ihren Lehrer längst als «Leittier» akzeptiert. «Deri!», sagt Knie mit tiefer Stimme. MaPalaj wackelt mit den Ohren, schwingt den Rüssel über den Boden, greift nach dem Dressurhaken, der Franco aus der Hand gefallen ist, und streckt ihn ihm entgegen. «Gut gemacht, MaPalaj.» Die Elefantendame weiss: Dafür kriegt sie eine Banane!

Das Belohnungsprinzip ist Francos Geheimrezept. Haken und Peitsche hält er zwar in der Hand, «doch unsere Zusammenarbeit basiert auf Respekt und Vertrauen. Die Arbeitsinstrumente werden ausschliesslich als verlängerte Arme für die Anweisungen eingesetzt.» Bis sie ihre Frucht kriegt, muss sich MaPalaj noch etwas gedulden. Erst steht das Training des neuen Zirkusprogramms «émotions» an.

Die Proben beginnen frühmorgens in der Reithalle des Circus Knie in Rapperswil-Jona SG. Es ist kühl. Dennoch hat sich fast die gesamte Knie-Familie in dicken Daunenjacken vor der Trainingsmanege eingefunden, um Franco junior, 35, bei der Arbeit zuzusehen. Seine Elefantennummer wird spektakulär! Es ist eine Dressurmethode, die sein Vater erstmals 1973 weltweit wagte: die Kombination von Schleuderbrettartistik mit Tieren. Für die Salti sind die Fratelli Errani, darunter auch Géraldines Gatte Maycol, zuständig. Sie lassen sich von den Elefanten hoch in die Luft schleudern und landen danach auf deren Rücken. So der Plan. Noch klappt es nicht immer. Deswegen trainieren die Brüder gesichert. Besondere Sicherheitsvorschriften gelten auch für Chris Rui, den sechsjährigen Sohn von Franco Knie junior. Der wohl jüngste Dompteur der Welt wird auch dieses Jahr – «auf eigenen Wunsch!» – in der Manege stehen. Er weiss: Man darf sich nie hinter einen Elefanten stellen. Und nie ohne Begleitung durch eine erwachsene Person die Manege betreten. Wenn er sich während der Proben brav daran hält, gibts danach zu Hause eine Tasse heisse Schoggi!

Francos Belohnungsprinzip funktioniert auch beim Erstklässler. Fleissig probt Chris am Rand der Manege seinen Einsatz. Schaut sich bei seiner Mama Linna, 34, ab, wie man sich verbeugt. Und übt mit einem Tierpfleger die mehrsprachigen Befehle für die Dickhäuter: «Deri» ist Hindi für «greifen»; «down» heisst «hinlegen» auf Englisch. Und zum Schlussknicks fordert man die Elefanten mit einem französischen «à genoux!» auf. Chris liegen die fremdsprachigen Begriffe leicht auf der Zunge. Er spricht selbst vier Sprachen fliessend: Deutsch, Englisch, Italienisch und Chinesisch sowie einige Wörter Polnisch, Marokkanisch und Französisch.

Chinesisch hat ihm sein Mami beigebracht. Daheim im luxuriösen Auflegerwohnwagen mit ausziehbarem Wohnund Schlafzimmer spricht die Familie aber Englisch. «What would you like to eat for lunch?», fragt Linna nach den Proben. Zum Zmittag mag der Kleine Nüdeli. Und Lasagne. Und Pizza. «Chris’ Vorliebe für die europäische Küche zeichnete sich schon während der Schwangerschaft ab, als ich plötzlich keine Lust mehr auf asiatisches Essen hatte.»

Nun hat auch Franco junior seine Arbeitskleidung abgelegt und die schmutzigen Schuhe vor den Wohnwagen gestellt. Wie versprochen macht er für alle heisse Schoggi. «Darin ist er ein Meister!», sagt Linna. Währenddessen verkriecht sich Chris in den Bauch des Wohnwagens. Die Familie hat das Gepäckfach zum Spielzimmer umfunktioniert. Hier türmen sich Star-Wars-Figuren, Gesellschaftsspiele und sogar ein Paar Kinderski. Chris fährt als Einziger der Familie Ski. Er hat es während des Winters mit seinem Götti gelernt. «Das war lustig, aber jetzt freue ich mich wieder auf die Zirkusschule!» Denn da sitzt er mit den Kindern der Mitarbeiter in einem Klassenzimmer. Darunter auch Géraldine Knies Sohn Ivan Frédéric. Die beiden Buben sind Coucousins, fühlen sich aber wie Geschwister. An freien Nachmittagen kicken sie einen Fussball quer durch die Wohnwagenlandschaft. Oder machen den Kinderzoo unsicher. Den Tierpflegern, die soeben damit beschäftigt sind, die Elefanten wieder ans Zuschauerreiten zu gewöhnen, kommen die kleinen Helfer gerade recht! Und Chris packt die Chance. Jauchzend lässt er sich von einem Arbeiter auf den Rücken eines Elefanten setzen, um ein Dutzend Mal im Kreis zu reiten.

Von den zehn Elefanten gehen drei mit auf Tournee: Delhi, Ceylon und MaPalaj. Die drei Damen sind zwischen 26 und 45 Jahre alt, auf ein Menschenleben umgemünzt also «im besten Alter». Die mentale und körperliche Herausforderung beim täglichen Training hält sie fit. «Unsere Tiere leiden dank Bewegung und ausgewogener Ernährung weder an Gelenkbeschwerden noch an Übergewicht», sagt Franco junior. Der Tierlehrer muss zurück in den Stall. 150 Kilogramm Stroh und Heu pro Elefant müssen verfüttert, die Boxen ausgemistet werden. Obwohl Franco Knie junior nach einer Arm- und Sprunggelenkoperation noch unter Schmerzen und Schwellungen leidet, packt Franco selbst mit an.

Als die Dickhäuter ihr «Leittier» erkennen, drängen sie sich an die Gitterstäbe. MaPalaj streckt den Rüssel aus, tastet nach Francos Hand. «Sie will immer Händchen halten.» Kein Wunder, ist sie Francos Liebling. Aber das dürfen die anderen nicht spüren. Er nimmt sich für jedes Tier Zeit, tätschelt den Rüssel, spricht ein paar Worte.

Der ehemalige Informatiker hat es nie bereut, dass er seinem Beruf vor 13 Jahren den Rücken kehrte, um in die Fusstapfen seines Vaters, Franco Knie senior, zu treten. «Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens! Auch weil er im Zirkus seine grosse Liebe Linna kennengelernt hat. Am 16. Mai feiert das glückliche Paar seinen zehnten Hochzeitstag. Doch bis dahin hat Franco junior noch alle Hände voll zu tun. Nach und nach übernimmt er die technische Leitung des Nationalzirkus, während seine Cousine Géraldine ihrem Vater Fredy immer mehr küstlerische Aufgaben abnimmt. Der Generationenwechsel ist in vollem Gang!

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 20. März 2013 - 10:52 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 00:31 Uhr