Die Calamondino-Pflanze steht mitten in der Küche. «Zum Gedeihen braucht sie aber viel Sonne. Sie muss ans Fenster», sagt Shem Thomas (bürgerlich Thomas Kühnis), 37. Alles hat eben seinen Platz. So hat auch er seinen im Leben gefunden. Seit Kurzem wohnt der Single in einer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung mit zwei WG-Gspänli, die er vorher nicht kannte. Alle sind im gleichen Alter, er suchte WG-erprobte Mitbewohner. «Wenn es kein WC-Papier hat, sollte es selbstverständlich sein, dass man welches kauft.»
Die Altbauwohnung liegt im fünften Stock, mitten im urbanen Zürcher Kreis 4. Mit Blick auf Hochhäuser, Gleise und Baustellen. Der Musiker und Sänger wohnt am liebsten zuoberst. «Das Gefühl, dass mir Menschen auf dem Kopf herumlaufen, mag ich nicht», erzählt er lachend. Die grosse Sehnsucht des Rheintalers ist jedoch ein altes Holzhäuschen im Grünen. Richtung Innerschweizer Berge. Ein Musikstudio käme auch rein: «Damit ich jederzeit in Ruhe Songs schreiben kann. Die Stille inspiriert mich.»
Shem Thomas verbringt seine Freizeit häufig in den Bergen und in der Natur. Oft hat er nur einen kleinen Rucksack dabei, manchmal nur ein 20er-Nötli und einen Riegel. Trinkt aus Bächen oder Brunnen, schläft im Auto, macht Bergläufe. «Das ist meine Art Abenteuer. Auch einige Lieder seines ersten Albums «You’re (Not) the Only One» sind grösstenteils in den Bergen entstanden. Es stieg auf Platz 2 der Schweizer Charts ein. (Das Album von Tiziana Gulino, der Siegerin von «The Voice of Switzerland» 2014, landete auf Platz 21.)
Thomas ist nicht unglücklich, dass er Zweiter wurde bei «The Voice». Er fühlte sich so freier, seine Ideen und seine Kreativität umsetzen zu können, war froh, mit seinem Album keinen Schnellschuss abliefern zu müssen. «Ich bin knallhart, wenns um meine Musik geht, verkaufe mich nicht und mache nur wenig Kompromisse.» Schon 2004 hatte er sich bei der SRF-Casting-Show «Music Star» beworben. Schaffte es bis in die Live-TV-Sendungen, entschied sich aber in letzter Sekunde gegen eine Teilnahme, weil er sich zu jung und unerfahren fühlte.
Den Entschluss, ganz auf die Karte Musik zu setzen, fasste Shem Thomas erst vor drei Jahren. Zuvor unterrichtete er an verschiedenen Schulen als Primarlehrer und machte nur in seiner Freizeit Musik. «Das erfüllte mich überhaupt nicht.» Er nahm sich eine Auszeit, kaufte sich einen VW-Bus und wohnte ein halbes Jahr am Waldrand. Dort fand er seine ganz eigene «Geschwindigkeit», stellte die Weichen neu für seine Zukunft - er lebt das Leben in dem Rhythmus, der zu ihm passt.
Heute ist er an seinem Ziel angekommen. Shem Thomas kann von seiner Musik gut leben und freut sich «ab jedem Menschen», den er damit berührt. «Ich hoffe, dass das Ganze noch wächst und grösser wird.» So wie der Calamondino, der jetzt am Küchenfenster steht.