Wenn sie ihren Song «Däheimu» hört, gerät sogar Sina selbst ins Träumen: übers Wallis. Und ihr Heimatdorf Gampel. Die majestätischen Berge. Die dunkelgrünen Wälder, frühlingsfrischen Wiesen. Mit 17 ist sie von dort weg. Nun ist sie 48, wohnt nahe dem Hallwilersee im Mittelland.
«Jetz bin i widär däheimu.» Sina ist in Saillon, nur 40 Autominuten von Gampel entfernt. Wenn sie von der Terrasse den Blick ins Tal wandern lässt, erahnt sie das Heimatdorf. Sina tankt Kraft. Ende Februar hat die Mundartsängerin, die bürgerlich Ursula Bellwald heisst, die alle aber nur als Sina kennen, ihr elftes Album veröffentlicht: «Tiger & Reh». Seither ist sie auf Tour mit ihren vier Musikern - und das bis Ende Jahr.
«Je länger ich weg bin, desto mehr wurde ich mir meiner Wurzeln bewusst.» Sina wiederholt im Rest der Schweiz lieber dreimal, was sie gesagt hat, als dass ihr ein fremder Dialekt über die Lippen käme. «Die Sprache hat etwas Unerschütterliches.» Auch die Eigenart der Walliser, ihre Bodenhaftung und ihren Zusammenhalt. Nicht nur in Gampel.
Mit dem längst über die Landesgrenzen hinaus berühmten Open Air (20. bis 23. August) ist auch ihr eigener Weg eng verknüpft. Anfangs sagt sie auf der Bühne Bands an. 1994 folgt ihr grosser Auftritt, als Sina mit ihrer ersten CD an der Spitze der nationalen Charts steht.
Sie wuchs mit dem Open Air auf. So wie ihre Familie. Sina hat einen Bruder und zwei Schwestern. Ihre Mutter ist regelmässig als Sanitäterin im Einsatz, ihre Cousins betreiben jahrelang die «legendäre Hotshot-Bar», wo Sinas Schwestern Drinks mixen. Und Sina? Heuer singt sie «Widär däheimu». Kann es auch geniessen, ohne lähmendes Lampenfieber vor dem Heimpublikum aufzutreten. «Ich freue mich vor allem auf alte Freunde.» Oder wie sie singt: «... da leert mu schön Bescheiduheit.» Bescheiden luxuriös übernachtet Sina heute in Saillon - im «Cube», einem Ein-Zimmer-Hotel, das bis Ende Jahr jede Woche seinen Standort wechselt.
Sinas beste Freundin Benita ist seit 20 Jahren an ihrer Seite - auch als Managerin. Als Jugendliche besuchten sie dieselbe Schule. Sina: «Allerdings war ich eine Klasse über ihr.» Richtig kennengelernt haben sich die Walliserinnen aber erst später in Zürich. Heute telefonieren die beiden täglich miteinander. Benita wirft nicht nur ein Auge auf Zahlungen und Abmachungen der Musikerin, sie sucht auch Sponsoren und handelt Verträge für Platten und Konzerte aus. «Alles Dinge, für die ich kein Händchen habe», sagt Sina. Sie kann sich so voll und ganz auf ihre Musik konzentrieren. «Wir sind das perfekte Team.»
Sina singt «ä Monat in är Främdi». Sie selbst lebt seit mehr als 30 Jahren nicht im Wallis. Was sie am meisten vermisst? «Äs Zabund.» Jetzt ist einer der Momente, wo sie lieber dreimal wiederholt, was sie gesagt hat. Aber «Zabund» lässt sich auch nicht in einen anderen Dialekt übersetzen. Eine kleine Mahlzeit vor dem Znacht. «Keine grosse Sache», wie Sina sagt: einen Kaffee, dazu etwas Trockenfleisch. Und ganz wichtig: Man hockt zusammen, redet miteinander, ehe dann wieder jeder seines Weges geht. Wenn Sina das hat, weiss sie: «Bi widär däheimu.»