Bremsen? Findet Julian, 2, unnötig. Auf Ski gilt für den Knirps momentan nur eins: «Ich will schnell!»
Das ist kaum verwunderlich - bei den Genen. Schliesslich ist sein Mami Sonja Nef, 43, Riesenslalom-Weltmeisterin von 2001. Und der Papi heisst Hans Flatscher, 45, und ist als Chef-Trainer der Schweizer Ski-Frauen gerade auf Erfolgskurs. Julian ist der jüngste Spross des Ehepaares. Diese Saison steht er erstmals auf den Ski. Ihr «Heimgebiet» Flumserberge hat die Familie für einmal gegen das Skigebiet Rifflsee im österreichischen Pitztal getauscht, wo die Töchter Sophia, 9, und Anna, 8, mit dem Skiclub Gossau trainieren.
Skischule? Finden Sonja und Hans unnötig. Julian lernt das Skifahren von seinen Eltern, genau wie seine grossen Schwestern. «Schlussendlich müssen die Kinder sowieso selbst drauf kommen, wie es funktioniert», meint Hans Flatscher. Seine Frau ergänzt: «Sie müssen selber wollen, egal wie alt sie sind. Wenn ein Kind mit fünf oder sechs nur weint auf der Piste, ist es halt auch dann noch zu früh.» Ein Glück, dass alle drei Flatscher-Kinder bereits mit zwei auf die Ski wollten. Genau wie Sonja selbst. Mit acht hat sie vor dem TV-Bildschirm dann ihrem grossen Idol Erika Hess die Daumen gedrückt. Und hatte bereits damals einen grossen Traum: «Irgendwann soll bei der Siegerehrung mein Name da eingeblendet stehen: S. Nef!»
Davon sind ihre Töchter momentan noch weit entfernt. «Sie lieben es zwar, zu trainieren und Rennen zu fahren. Aber an eine Karriere im Weltcup verschwenden sie noch keinen Gedanken», sagt Sonja Nef. Ob Sophia und Anna wissen, wie bekannt ihre Eltern sind? «Ich glaube nicht. Sie wissen, dass man mich früher mal am Fernsehen sah. Und dass ich öfter mal erkannt und in ein Gespräch verwickelt werde. Das nervt sie dann», so Sonja. Mit «Papis Frauen» fiebern sie hingegen gern mit. Ab und zu begleitet seine Familie Hans Flatscher auch an ein Rennen, geniesst das Hotel und die Piste und fant im Zielraum. Der erklärte Liebling der Mädchen: Wendy Holdener. «Sie ist schon im Besitz diverser Zeichnungen», erzählt Sonja lachend.
An Mamis Skistock fahren? Findet Julian unnötig. «Allein!», sagt der blonde Dreikäsehoch bestimmt. «Und Papa muss staunen!» Eigentlich müsste Hans Flatscher zur Trainingsstrecke, wo seine Töchter zusammen mit ihren Gschpänli Slalom fahren. Aber von seinem kleinen Sohn lässt er sich schnell um den Finger wickeln. Julian gleiche seinem Vater nicht nur äusserlich, meint sein Mami. «Sie wissen auch beide sehr genau, was sie wollen und was nicht.» Eine Eigenschaft, die Flatscher als Trainer sicher zugutekommt. Und Julian als Nesthäkchen sowieso. «Wir müssen schon aufpassen, dass wir ihn nicht zu sehr verwöhnen», sagt Sonja Nef. «Kaum zieht er eine Schnute, rennen Sophia und Anna los und machen alles für ihn.» Keine Spur von Eifersucht aufs Nachzüglerli. «Aber natürlich kommts auch bei uns manchmal zu Streit. Zum Beispiel, wenn die Mädchen im Wohnzimmer etwas aufgebaut haben und Julian alles zerstört.» Aber allgemein gilt: Zu Hause in Mörschwil SG ist der Kleinste der Grösste. «Er kann sich aber auch sehr gut allein beschäftigen», so sein Mami. Zum Glück, denn seine Schwestern sind während der Woche tagsüber in der Schule. Sophia geht in die dritte Klasse, Anna in die zweite.
Wenn Hans während der Saison mit «seinen» Damen unterwegs ist, ist Sonja öfter mal tagelang allein mit den Kindern. «Klar fällt mir dann manchmal die Decke auf den Kopf, und ich bin dünnhäutiger als sonst. Da gehts mir nicht anders als anderen Müttern auch», sagt sie. Dafür sei Hans dann wieder mehrere Tage am Stück zu Hause.
Pause machen? Finden Sophia und Anna unnötig. Auch wenn die beiden noch keine Rennfahrer-Ambitionen hegen (Sophias momentaner Berufswunsch ist Hebamme), wenns ums Skifahren geht, verstehen sie gar keinen Spass. Unterbrechungen werden nur zum Essen geduldet. Dann gehts sofort wieder zum Training. Der Papa hat den Slalom gesteckt. «Hat er das gut gemacht?» «Ja, ja ...», meint Sophia. Hans Flatscher lacht. Seine Töchter erkundigen sich nach einem Rennen schon mal beim Vater, ob sie gut gefahren seien, oder holen sich davor den einen oder anderen Tipp. Aber im Gegensatz zu den Schweizer Renn-Damen ist es bei seinen eigenen Kindern nicht sein Ziel, sie auf dem Siegertreppchen zu sehen. «Sie sollen vor allem Spass haben an dem, was sie tun», sagt er. Bei ihm habe sich seine Karriere im Ski-Sport «eher schleichend ergeben», während Sonja Nef bereits mit 16 ins C-Kader von Swiss Ski aufgenommen wurde.
Anna, die Mittlere, sei ihr am ähnlichsten, sagt Sonja. Nicht nur vom Aussehen her. «Sie ist sehr fokussiert. Sowohl auf der Piste als auch sonst.» Sophia hingegen habe immer wieder mal andere Interessen. Aber auch das sei in Ordnung. Und Julian? «Er hat vor allem einen sturen Kopf. Sonst kann man noch nicht viel sagen.»
Ski ausziehen? Findet Julian unnötig. Auch wenn seine Schwestern mit ihren Freunden bereits im Bähnli auf dem Weg ins Tal sind. Schliesslich muss er dem Papa noch zeigen, wie schnell er den Hügel runterbrettern kann. Ganz ohne Bremsen.