Er ist der stille Schaffer im Hintergrund: Hans Flatscher, 49, gebürtiger Salzburger, seit sieben Jahren Ehemann von Skilegende Sonja Nef, 45, seit sechs Jahren Cheftrainer der Schweizer Ski-Frauen. Vor zwei Wochen tritt der «Wundercoach» («Bund») zurück. Künftig kümmert er sich um den Ski-Nachwuchs – und mehr um seine Familie.
Hans Flatscher, hat Sonja Ihnen das Messer auf die Brust gesetzt, dass sie so überraschend als Cheftrainer der Schweizer Ski-Frauen zurückgetreten sind?
Lachend zeigt Hans Flatscher mit Daumen und Zeigefinger einen Fingerbreit: Das Messer steckte schon so tief drin in meiner Brust.
Sonja Nef: Das dachten sich wohl einige, als sie von Hans’ Rücktritt hörten.
Ihre Ehe ist immerhin im verflixten siebten Jahr.
Nef: Stimmt, aber das haben wir am 9. Juli hinter uns. Und wir sind nach wie vor glücklich.
Flatscher: Im Ernst: Wenn ich gesagt hätte, ich mache es noch ein Jahr, hätte ich Unruhe ins Team gebracht und es sicher auch nicht so konsequent durchgezogen. Neben meiner Familie war mir auch wichtig, das zu tun, was am besten für die Mannschaft ist.
Egal, obs Gerüchte gibt?
Wenn man es so spontan entscheidet und bekannt gibt, wie ichs getan habe, gibts immer Gerede.
Sie waren die letzten sechs Jahre als Frauen-Cheftrainer sehr erfolgreich. Was ist passiert?
Ich bin im Ski-Zirkus jeweils von Oktober bis März sehr viel unterwegs: von Sölden über Skandinavien und Nordamerika, Killington, weiter nach Kanada, Lake Louise, St. Moritz, Val-d’Isère. Weihnachten daheim, dann weiter: Oslo, Zagreb, Maribor, Flachau, St. Anton oder Zauchensee.
Wie oft sind Sie da überhaupt zu Hause gewesen?
Vor allem in Übersee gibt es Blöcke von drei Wochen, wo ich nicht zu Hause bin, und das ist schwer vereinbar mit Familie. Oft bin ich erst Sonntagnacht daheim, muss dienstags schon weiter. Von den Kindern bekomme ich da nur wenig mit, zumal Sophia und Anna in der Schule sind und ich so unter der Woche mit ihnen nicht viel unternehmen kann.
Sie begründen Ihren Rücktritt damit, dass es Ihnen ein Anliegen sei, «meine Kinder in den nächsten, für sie wichtigen Jahren, enger begleiten zu können»?
Das ist so! Seit die Mädchen zehn sind, habe ich das Gefühl, dass sie mehr gemeinsam mit mir machen möchten, vor allem an schulfreien Tagen. Sie sinds zwar seit ihrer Geburt gewohnt, dass ich im Winter lange Zeit weg bin, dafür im Sommer mehr Zeit habe. Aber ich hatte mehr und mehr das Gefühl, dass sie es vermissen, auch mal im Winter ein Wochenende mit der ganzen Familie zum Skifahren zu gehen – nicht nur mit Sonja.
Haben Sophia und Anna das auch mal so zu Ihnen gesagt?
Nicht direkt. Es war eher so, dass sie, kaum war ich daheim, fragten: «Wann musst du wieder weg?» Ich habe da bewusst gar nicht gesagt, dass ich am nächsten Tag schon wieder weitermuss.
Sophia, du musstest jeweils zum Geburtstag auf deinen Papi verzichten.
Sophia: Er war nicht daheim, aber er rief mich jeweils morgens an und gratulierte mir. Wenn er dann nach Hause kam, feierten wir ein zweites Mal – als Familie.
Das ändert sich jetzt?
Anna: Ja, wir freuen uns, dass Papi mehr zu Hause sein wird.
Sonja, vermissten Sie Hans sehr?
Nef: Es gab einige Telefonate, wo ich sagte: «Jetzt müsstest du da sein.» Natürlich halfen uns auch meine Eltern viel! Aber letztes Jahr starb mein Papa, und da gab es Situationen, wo ich zu Hause sass und dachte: «Wie schön wäre es, wenn Hans jetzt da wäre.»
Gab das vergangene Jahr den Ausschlag für Hans’ Entscheidung?
Nef: Es war eine zähe Saison mit Renn-Terminen, Verschiebungen und Olympia. Hans war häufiger weg, und für mich wars besonders streng mit drei Chnöpfen. Ich realisierte, dass ich am Limit laufe.
Flatscher: Ich bin ja überzeugt, je grösser die Kinder werden, desto mehr brauchen sie beide Eltern.
Nef: Ich dachte früher: Je grösser sie werden, desto ringer wirds. Aber es wird anders, und sie brauchen sowohl ihr Mami als auch ihren Papi daheim.
Sonja, Sie als Ex-Rennläuferin kennen den Ski-Zirkus. Gabs Momente, in denen Sie Wut im Bauch spürten, weil Sie Kinder und Haushalt an der Backe hatten, während Ihr Mann gerade irgendwo einen Sieg mit seinen Ski-Frauen feierte?
Nef: Nein, nie! Seit Anfang unserer Beziehung vor 24 Jahren verbindet uns die Leidenschaft für den Skisport. Er gehörte immer zu uns und wird auch weiter zu uns gehören. Die Kinder und ich fieberten mit seinen Frauen mit. Es waren auch unsere Frauen, unsere Mannschaft. Sophia und Anna waren deshalb zuerst ein bisschen traurig, als Hans ihnen sagte, dass er als Frauen-Cheftrainer aufhört.
Wieso das?
Sophia: Weil wir jetzt nicht mehr mit Papi zu den Rennen können.
Anna: Wir durften sogar mal mit Wendy Holdener mittrainieren.
Sonja, Sie und Hans sind seit 24 Jahren ein Paar, seit sieben Jahren verheiratet. Er ist oft nicht daheim. Andere Beziehungen zerbrechen. Wieso funktionierts bei Ihnen?
Nef: Unsere Beziehung hat starke und tiefe Wurzeln, weil wir in den 13 Jahren, bevor die Kinder kamen, eine gute Grundlage gelegt haben. Hans und ich verbrachten brutal viel Zeit zusammen, wir lernten uns in Ruhe wirklich gut kennen. Und: Wir reden bis heute miteinander – über alles. Hans hat, auch wenn er unterwegs ist, sein eingeschaltetes Handy neben sich am Bett liegen. Er ist immer erreichbar. Und es gab Situationen, in denen ich einfach das Bedürfnis hatte, mit ihm zu reden.
Flatscher: Ich sagte Sonja stets, sie könne mich zu jeder Zeit anrufen, ob spätnachts oder frühmorgens.
Auch per Skype?
Nef: Ja, deshalb auch die Kamera auf unserem Fernseher. So konnten Sophia, Anna, Julian und ich hier in Mörschwil zu Mittag essen, und Hans schaute in Amerika zu. Es gab in all den Jahren, in denen er im Ski-Weltcup tätig ist, kaum einen Tag, an dem wir nicht via Face-Time oder Skype telefoniert haben.
Hans, gabs bei Ihnen Momente, in denen Sie ein schlechtes Gewissen wegen Ihrer Familie plagte?
Flatscher: Ja, die gabs. Auch als wir noch keine Kinder hatten. Es gibt Dinge, die du gern gemeinsam erleben würdest, aber es geht nicht.
Nef: Ich glaube, uns begleitet seit je der Spruch: Alles zu seiner Zeit.
Hans, einfach etwas kürzer zu treten, war keine Option?
Flatscher: So, wie ich meinen Beruf auffasse, bin ich überzeugt, es hätte nicht funktioniert. Entweder mache ichs ganz, oder ich lasse es. Es bringt nichts, physisch ein paar Tage mehr zu Hause, aber mit dem Kopf woanders zu sein.
Nef: Ich hätte das auch nicht gewollt!
Flatscher: Ich war zehn Tage vor meinem Rücktritt innerlich absolut überzeugt: Ich höre nicht in einem oder zwei Jahren auf. Meine Kinder brauchen mich jetzt! Irgendwann sind sie aus dem Haus.
Bei Ihrem Rücktritt wussten Sie nicht, wie es weitergeht?
Flatscher: Das ist so. Dass ich den Nachwuchs übernehme und weiter tun kann, was ich am liebsten mag, ist toll. Aber das Schönste ist, dass ich künftig auch im Winter das eine und andere Wochenende bei der Familie bin und auch mal Freunde treffen kann.
Die blieben auch auf der Strecke?
Nef: Im Winter ist es schwieriger, mit Freunden abzumachen!
Flatscher: Wäre ich heimgekommen und hätte mit Velofreunden oder dem Stammtisch abgemacht, wäre Sonja sicher mit dem Messer gekommen ...
Nef (lacht): ... aber ganz sicher!
Jetzt, wo Hans im Winter eher mal am Wochenende bei der Familie sein wird, gibt es da einen besonderen Wunsch?
Nef: Ja, irgendwann mal eine ganze Woche Skiferien als Familie – das hatten wir noch nie.