Zugegeben, sich mit einer TV-Institution anzulegen, braucht viel Mut und ein bisschen Dummheit. Mut hat der Schweizer Privatsender 3+ auf jeden Fall, dumm sind die Fernsehmacher aber nicht.
Mutig sind sie, denn ihre erste fiktionale Eigenproduktion ist ein Krimi, der mit sehr wenig Budget und weitgehend unbekannten Hauptdarstellern realisiert wurde. Mutig auch, weil sie den 60-minütigen Pilotfilm am heiligen Tag für Krimifans Premiere feiern lassen: Dem «Tatort»-Sonntag.
Mutig, aber nicht blöd!
Nun wäre aber wirklich niemand so blöd, sich mit dem Quoten-Schwergewicht messen zu wollen. Auch nicht die Macher von «Bernegger & Juric». Sie wählten einen Sonntag, an dem der «Tatort» Pause macht.
SI online hat den Krimi für Sie geschaut und verrät Ihnen, warum es sich lohnte, «Bernegger & Juric» eine Chance zu geben.
Worum geht es?
Im Val Müstair verschwindet die neunjährige Leonie. Die junge Ermittlerin Eva Bernegger und der unkonventionelle Kommissar Nikola Juric werden in die Berge geschickt, um das Kind zu finden. Die Dorfgemeinschaft, das wird schnell klar, hat ihre Finger im Spiel und ist mehr als bereit, dem Alphirt die Schuld in die Schuhe zu schieben. Er steht im Verdacht, schon Jahre zuvor einen Jungen erschossen zu haben.
Es gibt gute Gründe für einen neuen Krimi
1. Die männlichen Hauptdarsteller
Es gibt zwei umwerfend tolle männliche Hauptrollen. Christian Martin Schäfer überzeugt als kauziger, versoffener, aber sehr witziger Kommissar Nikola Juric. Der 38-Jährige hat eine wahnsinnige Präsenz und ist das grosse (Schäfer ist 1,90 Meter gross) Highlight des Pilotfilms. Der einzige, der ihn locker an die Wand spielt, ist Armani, der Mops. Der kleine Vierbeiner ist so putzig und lockert den Plot des Filmes noch zusätzlich auf.
2. Der Drehort
«Bernegger & Juric» wurde im Val Müstair gedreht. Einer kleinen Gemeinde im Kanton Graubünden. Die Natur in dem Tal ist gewaltig und das wollten die Macher auch zeigen. Immer wieder zeigen sie mit Drohnen-Kameras, was dieser schöne Teil Schweiz zu bieten hat.
3. Die Musik
Ein Schweizer Krimi mit einer Kommissarin und einem Kommissar, der in einem Bergdorf spielt, muss sich natürlich die Frage gefallen lassen: «Was macht ihr anders als ‹Wilder›?» Der auffälligste Unterschied ist erst einmal die Musik, die einen ratlos, aber amüsiert zurücklässt. Weniger instrumentaler Angst-mach-Sound. Mehr Radiopop. Und zwischendrin, wenn die Berner Kommissarin Bernegger mit ihrem Jugendfreund flirtet, dröhnt einem auch mal «Schwan so wiss wie Schnee» entgegen. Irritierend, aber frisch und neu.
4. Der Humor
Im Interview mit SI online gaben die Schauspieler auf die «Wilder»-Frage zur Antwort: «Wir sind lustig. Wir nehmen uns nicht ganz so ernst.» Und das stimmt. Besonders Schäfer als Juric beweist immer wieder einmal komödiantisches Geschick. Das humoristische Gezänke zwischen Eva Bernegger und ihrem Partner ist zwar etwas altbacken. Aber es ist wie mit einem Witz vom Grosspapi: Sie sind nie zu alt und nie zu doof.
5. Die Schweiz
Man darf unken, dass die Schweiz nicht in der Lage ist, vernünftige Krimis zu produzieren. Der Schweizer «Tatort», «Wilder» und nun auch «Bernegger & Juric» beweisen das Gegenteil und es tut gut, endlich eine weitere heimische Produktion im TV zu sehen. Alleine darum wäre es schön zu sehen, was die Macher aus dem Ermittlerduo in weiteren Folgen machen. Denn es ist klar, dass die Geschichten der beiden Kommissare noch nicht zu Ende erzählt sind.
Es gibt auch etwas zu meckern
Wie immer, gibt es aber auch bei «Bernegger & Juric» etwas zu meckern. Die Produzenten sollten dringend noch an einigen Aspekten arbeiten.
1. Die Dialekte
Etwas, das wirklich sehr gestört hat, sind die verschiedenen Dialekte. Dass die Bewohner eines winzigen Bündner Bergdorfes Berner, Zürcher, Basler und Ostschweizer Dialekt sprechen, ist schlicht unglaubwürdig. Hier fehlt es der Produktion an der nötigen Detailorientierung. Auch die Innerrhödler Nummernschilder an den Autos zeigten, dass es zum Teil an Zeit und Geld gefehlt hat.
2. Eva Bernegger
Die talentierte Tanja Lehman, 29, als Kommissarin Eva Bernegger geht neben ihrem Schauspiel-Partner leider unter. Die Rolle der überkorrekten jungen Ermittlerin, die sie verkörpert, wirkt im Pilotfilm zu klischiert und seicht. Es wäre schön, in kommenden Episoden mehr Ecken, Kanten und Selbstbewusstsein bei Bernegger zu sehen.
3+ gibt dem Format nur eine Chance, wenn genug Zuschauer einschalten. Ein ungewöhnliches Vorgehen, von dem zu hoffen ist, dass es funktioniert.