SI online: Wie war es, für Melanie Winiger den Kopf hinhalten zu müssen?
Bettina Schindler: Das war mehr Dürfen als Müssen. Ich empfinde es als Privileg, eine bekannte Persönlichkeit zu doubeln. Damit wird meist ein höherer Anspruch an die Qualität meiner Arbeit gestellt. Zudem war schon von Beginn an irgendwie klar, dass mit «One Way Trip» etwas Grossartiges entsteht, bei dem ich unbedingt dabei sein wollte.
Wann kamen Sie zum Einsatz?
Bei einer Kampf- und einer Feuerszene. Neben Melanie Winiger habe ich auch Isabelle Barth gedoubelt. Zudem war ich mit meinem Team für diverse Spezialeffekte wie zum Beispiel Regen, Wind, Feuer oder Schüsse zuständig.
Wie viele blaue Flecken holten Sie sich?
Über ein paar blaue Flecken beklage ich mich nicht - ich habe mir den Beruf Stuntfrau schliesslich bewusst ausgesucht.
Welche Szene war denn besonders brenzlig?
Die Szenen, in denen ich als Doubel fungierte, waren nicht sehr gefährlich. Bei der Feuerszene hätte es höchstens passieren können, dass jemandem ein Fehler unterläuft und sich daraus eine völlig neue Situation ergibt, die man dann meistern muss.
Also war der Film keine grosse Herausforderung für Sie?
Die Herausforderung bestand eher in den Nachtdrehs - der Kälte, dem Regen und den gelegentlichen Jobs dazwischen für andere Produktionen, die mich nicht genügend schlafen liessen. Aber alles in allem war es ein toller Dreh!
Wie war Melanie Winiger?
Ich habe sie sowieso schon sehr positiv in den Medien wahrgenommen und mich gefreut, sie persönlich kennenzulernen. Allerdings war unser erstes Zusammentreffen nicht bei «One Way Trip», sondern schon vorher für den Film «Sinestesia». Ich habe Melanie als sehr offene, nette und energievolle Person kennengelernt, die genau weiss, was sie tut. Ich hatte auch immer den Eindruck, dass es ihr unheimlich wichtig ist, ihr Bestes zum jeweils aktuellen Projekt beizutragen. Und sie scheint, sehr teamorientiert zu sein.
Welche anderen Stars durften Sie schon doubeln?
Esther Schweins für «Liebling, lass uns scheiden», Sofia Milos für «Tatort», Mona Petri für «Das Fräuleinwunder» und Carla Juri «Dällebach Kari».
Dann war «One Way Trip» eigentlich ein kleiner Fisch?
Nein, denn vermutlich wird «One Way Trip» der erfolgreichste Film, bei dem ich mitgewirkt habe. Normalerweise beurteile ich meine Rollen aber eher nach dem Schwierigkeitsgrad und der Ausgefallenheit des Stunts. Und da gibt es andere Produktionen, die für mich von grösserer Bedeutung waren - die Serie «Tatort» zum Beispiel, in der ich eine Treppe hinunter stürtzen musste. Bei «One way Trip» waren andere Dinge ausschlaggebend: Das Setup, die Locations und die ganze Stimmung am Set waren einmalig! Ich hatte das Gefühl, dass alle das Allerbeste aus diesem Projekt holen wollten.
Wie kommt man als Frau überhaupt auf die Idee, Actionheldin zu werden?
Wie kommt man darauf, eine Ballettschule zu absolvieren? Egal ob Ballett, Malen oder Stunts: Es ist die Leidenschaft für etwas, was einen alles versuchen lässt, mit dieser Tätigkeit erfolgreich zu sein. Sicherlich war ich schon immer eher ein taffes Mädchen, habe Judo und Kickboxen gemacht sowie Fussball gespielt. Das ist eine tolle Grundlage für meine jetzige Tätigkeit.
Sind Frauen vielleicht auch die besseren Stunt-Darsteller - weil sie mehr Schmerzen aushalten?
Schmerzen und absolute Konzentration sind tatsächlich kein Problem für mich. Darum bringe ich sicherlich neben den körperlichen auch die mentalen Aspekte mit, um erfolgreich zu werden. Ob Mann oder Frau ist aus meiner Sicht jedoch egal. Für diesen Beruf werden Filme mit Männern und Frauen gemacht, so ist die Gleichstellung garantiert.
Wäre Melanie Winigers Job eigentlich auch etwas für Sie? Oder ist Ihnen die Schauspielerei dann doch zu langweilig?
Die Sparte interessiert mich und ist auch ein Teil meines Stunt-Berufs. Ich habe bereits geschauspielert, wenn auch ohne Text - Sie können mich in einem aktuellen Migros-Werbespot sehen. Das hat mir grossen Spass gemacht, vor allem weil ich da Stunts mit der Schauspielerei verbinden konnte. Ich möchte gerne noch einige Jahre im Actionbusiness tätig sein. Aber irgendwann wird mir mein Körper sicher dankbar sein, wenn ich ganz auf das Schauspielern umsattle. Schauen wir mal…