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Euro 2016

Yann Sommer ist unser Super-Goalie

Er kocht, er wäscht, er singt: Yann Sommer ist der Traum aller Schwiegermütter - und an der EM hechtet der Nati-Goalie in die Weltklasse. So schön ist der Schweizer Fussball.

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«Wirklich? Die spucken?!» Als er neben den beiden Lamas steht, die auf dem Golfplatz vor dem Mannschaftshotel in Juvignac weiden, hat Yann Sommer plötzlich Respekt. Aus der Ferne hatte der Schweizer Goalie beim Fotoshooting mit der «Schweizer Illustrierten» die friedlichen Tiere erspäht und spontan vorgeschlagen, mit ihnen für ein Foto zu posieren. Der sechsjährige Iquitos und sein zweijähriger Sohn Inca gehören zum Inventar der Golfanlage, wo die Schweizer Nati logiert. Sie sind Menschen gewohnt, wahrscheinlich auch fliegende Golfbälle.

Vorsichtig nähert sich Sommer den Lamas, legt seine Hand an Iquitos’ Hals und spricht mit ruhiger Stimme: «Chumm, alles isch guet...» Iquitos verharrt still, lässt es geschehen. Schon als Kind hatte Sommer einen Draht zu Tieren: «Zu Hause hatten wir unter anderem Ratten, Meerschweinchen und einen Hund.» Ein Lama zu streicheln, das ist hingegen neu für den 27-jährigen Goalie von Borussia Mönchengladbach. Wahrscheinlich wird er die Fotos auf seinen Social-Media-Kanälen posten - und Tausende Likes dafür einheimsen. Sommer gehört zu den Fussballern, die ihrer Fangemeinde mehr als das übliche «Pflichtfoto» mit dem Daumen hoch vor oder nach einem wichtigen Spiel servieren. Als die Nati diese Woche zwei Tage freihatte, düste der Zürcher wagemutig und lächelnd im Golfcaddy übers Green und stellte den witzigen Kurzfilm, unterlegt mit fröhlicher Musik, ins Netz.


Dieser Mann verkauft sich gut. Und leistet auch viel. An der EM in Frankreich war Sommer der grosse Rückhalt der Schweizer Mannschaft in der Vorrunde. Mit seinen Paraden hat er massgeblichen Anteil daran, dass sich die Schweiz zum ersten Mal in der Geschichte für den Achtelfinal einer EM qualifiziert. Experten von Ex-Deutschland-Keeper Oliver Kahn bis Frankreich-Coach Didier Deschamps schwärmen von Sommers Können. Die Mitspieler ebenso. Und dies, obwohl er mit «nur» 1,83 Metern der kleinste Goalie dieser EM ist. Eine Diskussion, die Yann Sommer seit Beginn seiner Profikarriere begleitet. Auf die Grösse käme es nun wirklich nicht an, vielmehr zählen Fähigkeiten wie Timing, Sprungkraft, Technik und Mut, entgegnet Sommer dann jeweils: «Viele wissen gar nicht, wie wichtig Zwischenschritte sind, wenn man zum Pfosten hechtet.» Damit macht er die «fehlenden» Zentimeter mehr als wett. Und spätestens in Frankreich spricht keiner mehr davon. Stattdessen hagelt es Lob. Beim 0:0 gegen Frankreich wird er gar zum «Man of the Match» gekürt. «Natürlich hört man das gern», sagt Sommer, «aber wenn es zu viel wird, ist es fast unangenehm.»

Yann Sommer überlässt nichts dem Zufall

Er weiss, woher er kommt, und er steht mit beiden Füssen auf dem Boden. Denn in seiner Karriere musste er auch manchen Umweg meistern, um ganz nach oben zu kommen. Weil er beim FC Basel keine Perspektiven sieht, wechselt er mit 18 zum FC Vaduz, wo er in Trainer Heinz Hermann einen Mentor findet. Via GC kehrt er zum FCB zurück, schafft den Durchbruch mit 23. Nur im Nationalteam muss er sich länger gedulden: Erst nach der WM 2014 in Brasilien, als Diego Benaglio seinen Rücktritt bekannt gibt, ist der Weg für Sommer frei. So erklärt sich, warum ein dermassen talentierter Goalie erst mit 27 sein Debüt an einem grossen Turnier feiert. Es ist das Schicksal vieler Torhüter: Es kann nur einen geben. Doch Sommer klagt nie. Vor jedem Spiel - ob Bundesliga oder Nationalteam - führt er sich in Gedanken diesen Weg vor Augen, den er gegangen ist. Dinge, die er in seiner Karriere erreicht hat. Von den Junioren beim FC Herrliberg ZH und Concordia Basel über den FCB-Nachwuchs, Vaduz, GC, zurück zum FCB, bis zu Borussia Mönchengladbach, wo er seit 2015 spielt und zum Leistungsträger avancierte. «Es ist ein Ritual, das mich in die Konzentrationsphase bringt», sagt Sommer. «Aber ich könnte auch ohne das gut spielen.» Die Idee stammt von seinem Mentaltrainer Christian Marcolli, seinem ehemaligen U12-Auswahltrainer, der heute nicht nur Sportler, sondern auch CEOs und Manager von Konzernen betreut.

Yann Sommer überlässt nichts dem Zufall. Und er blickt über den Tellerrand hinaus. Wenn andere Fussballer in der Freizeit Playstation zocken, nimmt er Gesangsstunden und spielt Gitarre.

Dazu sieht er auch noch toll aus. Das macht ihn als Werbebotschafter interessant. «Ich stehe aber nur für Produkte, mit denen ich mich identifizieren kann und die ich auch selber benutze», sagt er. Die Sportbekleidungsmarke Nike, weil er die gern trägt. Die Hautpflegelinie Nivea Men, weil ihm ein gepflegtes Äusseres wichtig ist. Panasonic, weil er gern fotografiert - auch schön hergerichtete Teller für seinen Kochblog. Auf www.sommerkocht.ch stellt er regelmässig Rezepte vor, die er selber erfindet. Die Inspiration dazu holt er auf dem Markt im nahen Düsseldorf, wo er wohnt. Oder bei Spitzenköchen: Erst kürzlich durfte er mit seinem Vater Daniel den Sternekoch Andreas Caminada besuchen und mit ihm einen exquisiten Dreigänger kreieren. Sommers wichtigstes Credo: Frisch und gesund müssen die Zutaten sein. Sportlertauglich. Bei aller Disziplin erlaubt sich Sommer auch Schwächen: «Schokolade kann ich nur schwer widerstehen!»


Dieser Goalie der Schweizer ist ein sehr, sehr hübscher Mann


Die Leidenschaft fürs Kochen hat er von seinen Eltern. «Wir legten grossen Wert auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung», sagt seine Mutter Monika. Der Familientisch war heilig: «Wir warteten jeweils mit dem Essen, bis Yann abends vom Training kam. So konnte es auch mal halb neun werden, bis wir gemeinsam am Tisch sassen.» Die Verbindung zu den Eltern ist bis heute sehr eng. Mutter Monika macht seine Finanzen, Vater Daniel ist Koordinator im Hintergrund. Offiziell gilt Yann Sommer noch immer als Single - zum Leidwesen seiner zahlreichen Verehrerinnen. Zu denen sich an der EM nun auch noch eine prominente ehemalige Spielerfrau gesellt hat: Sylvie Meis (ehemalige van der Vaart) verriet auf RTL diese Woche, dass Yann Sommer «ein sehr, sehr hübscher Mann» sei. Er schmunzelt nur, wenn er das hört.

Denn bei allen Hobbys, die Yann Sommer mit Leidenschaft pflegt, bei all seinen Talenten steht Fussball an erster Stelle. Das war schon immer so, sagt Mutter Monika: «In all den Jahren kam es nicht ein einziges Mal vor, dass mein Sohn nicht gern ins Training ging!» Trotzdem ist die selbstständige Pferde-Shiatsu-Therapeutin überzeugt, dass Yann nach der Karriere nicht unbedingt im Fussballbusiness bleiben wird. «Er hat so viele Interessen, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Ich denke, er will noch etwas anderes im Leben machen als Fussball.» Wenn Yann Sommer auf Heimatbesuch weilt, begleitet er seine Mutter manchmal. Die Liebe zu Tieren ist geblieben. Solange sie nicht spucken...

Von Ilona Scherer am 25. Juni 2016 - 05:30 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 15:05 Uhr