Wenn es euch geht wie der Autorin dieses Textes, dann findet ihr vielleicht auch, das Beauty-Tutorials und Pflege-Routinen etwas Entspannendes und Faszinierendes haben. Wer sieht, wie sich Hailey Bieber, Schönheitsikone der Stunde, morgens und abends double cleansed, mit Seren betupft und anschliessend so oft eincremt, bis sie aussieht wie ein, Zitat, «glasierter Donut», der möchte … es ihr gleich tun, um ebenfalls wie eine zuckrige, porenlose Backware auszusehen.
Ebenfalls auf ewig von Unreinheiten und verstopften Poren verschont zu sein scheint Emily Ratajkowski. Die überraschenderweise in einem Tutorial mit Make-up Artist Hung Vanngo verriet, während des harten Lockdowns 2020 exzessives Skin Picking betrieben zu haben. Besessen sei sie gewesen – so sehr, dass ihr Mann sich gezwungen sah, ihren Vergrösserungsspiegel einzukassieren. Aber fangen wir, für alle, die bisher nur Bahnhof verstehen, ganz von vorne an.
Was ist Skin Picking?
Die «Skin-Picking-Disorder» oder auch Dermatillomanie ist eine Impulskontrollstörung, die den Betroffenen oft als Ventil für negative Gefühle wie Unsicherheit, Stress, Trauer oder Druck dient. Immer wieder verspüren sie den Drang, an ihrer Haut herumzudoktern, Pickel auszudrücken, Hautschüppchen abzurupfen, hier zu ziehen, da zu kratzen und zu quetschen. Als Tools dienen dazu nicht nur die eigenen Fingernägel oder Zähne, auch Pinzetten, Nadeln, kleine Scheren, sogar Messer kommen zum Einsatz. In extremen Fällen führt das zu Wunden und einem noch schlechteren, gereizten Hautbild – was einen Teufelskreis aus immer obsessiverem Skin Picking auslöst.
Dass Emily Ratajkowski ein solcher Härtefall war, wagen wir zu bezweifeln. Trotzdem kennen wir sicher alle die kurzfristige Besessenheit von einer porentief reinen Haut. Glowy und zart wie bei Hailey Bieber. Wie bei sämtlichen glatt bügelnden Insta-Filtern. Da kann man schon mal das grosse Ganze aus den Augen und sich wie Emrata im Vergrösserungsspiegel verlieren. Mit dem Effekt, dass unsere Haut zurückschlägt und ihre Überforderung mit Rötungen und Pickelchen zum Ausdruck bringt. Pfoten weg! Wie bei der Hautpflege (Stichwort Stewardessen-Krankheit) gilt es auch bei ihrer Behandlung ein gesundes Mass zu finden. Dafür braucht es entweder einen starken Willen, wie in Emilys Fall eine*n durchgreifende*n Partner*in oder professionelle Hilfe. Die tatsächliche Krankheit Dermatillomanie, von der immerhin etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung betroffen sind, ist nämlich nicht zu unterschätzen. Und kann von den Betroffen selbst oft nicht allein überkommen werden. Schämt euch nicht! Sprecht mit eurer Hautärztin oder eurem Hautarzt über euren Zwang und sucht gemeinsam nach einer Lösung oder Selbsthilfegruppe/Therapie.
Vielleicht helfen in einem ersten Schritt schon folgende Tricks, wenn der Impuls sich wieder mal bemerkbar macht:
- eine alternative Beschäftigung für die Hände suchen (Pop Fidget, Stressball, Luftpolsterfolie, Zauberwürfel, …)
- auf die Hände setzen
- so wenig Spiegel im Umfeld zugänglich machen