«Wake up in the middle of a breakdown / Have sex on the table with the take out / I’m sick of the fakin’, the usin’, the takin’ / The people callin’ me obscene / You hate me, you love me, you just wanna touch me / I’m only tryna get some peace / So let me do me», singt Miley in der ersten Strophe ihres neuen Songs «Unholy». Sie hat also einen Nervenzusammenbruch, hat auf dem Tisch mit dem gelieferten Essen Verkehr (sie zelebriert ihr easy Dinner eben), hat irgendwie auf nichts mehr Lust (offensichtlich nicht mal auf Kiffen), die Leute nennen sie obszön. Sie lieben sie, hassen sie und wollen sie anfassen. Dabei will sie nur ihre Ruhe und fordert: Lasst mich doch einfach Ich selbst sein. Wenn man mag, kann man es auch übersetzen mit: Lasst es mich mir jetzt selbst machen. Ja, wir wollen es so übersetzen. Miley kommt schliesslich einfach gern.
Mit oder ohne Wrecking Ball, auf jedenfalls mit ordentlich Rumms. Und so war heute die erste von insgesamt drei EPs mit je sechs Songs angerauscht. Man war immerhin vorbereitet, denn die 26-Jährige hat «She is Coming» ziemlich saftig angeteasert: Mit Videos auf Instagram. Obszön? Joa, mag man so sehen. Ist das schlimm? Nö. Vielleicht sogar wichtig.
Sie beisst in tropfende Zitrusfrüchte, leckt den Saft ab. Sie lutscht an einer Erdbeere, verschlingt in Glitzer getauchte Bananen. Gut, das ist nun alles ziemlich eindeutig, vielleicht auch billig und aufdringlich. Aber erstens sieht es schön aus und zweitens brauchen wir diese plakativen Aussagen. Und wenn es sein muss, eben ästhetisch verpackt von Miley.
Warum? Weil es Frauen gibt, die noch immer nicht wissen, was sie tun können, damit die Grapefruit spritzt. Weil es Frauen gibt, die das Funkeln von Bananen nicht sehen können. Weil es Frauen gibt, die noch nicht verstanden haben, dass man auch auch ohne Obstkorb satt wird. Dass man für einen scharfen Smoothie nicht zwingend eine Banane braucht. Dass das eigene Geheimrezept reicht. Aber dafür muss man selbstbestimmt, selbstbewusst und frei sein. #DontFuckWithFreedom schreibt Miley deswegen neben den Post mit den frechen Früchten. Recht hat sie. Danke noch mal für den Reminder, den man nicht oft genug bekommen kann.
Eigentlich lustig, dass das alles von einer Frau kommt, die wir lange irgendwie nervig fanden. So richtig überzeugt hat Miley uns erst letztens während einer kurzen, aber glamourösen Leidensphase, in der wir uns aber heftig schockverliebt haben. Folgendes Szenario: Miley Cyrus fühlt sich unter Druck gesetzt. Von ihren Fans. Die lechzen nach einem neuen Album. Puh. Stress. Miley macht lieber nen Roadtrip durch Kalifornien. Sie packt ihren Koffer und nimmt mit: 20kg Gold und Diamanten, einen Bikini, zwei kleine Kleider, ein Jeans-Ensemble und einen Bucket Hat, ein paar Taschen und einen Schirm. Fair enough, bis auf den Schmuck ist das nicht viel. Nicht mit in den Koffer, aber mit ins Auto, kommt Alice Moitié, ihres Zeichens Foto- und Videografin. Sie brettern für Instagram durch die flirrende Hitze, die Diamanten gleissen im Sonnenlicht und Miley hat Langeweile. Im Motelbett, im Motelpool, nackt in der Wüste. Und es ist toll. Es ist melancholisch, ironisch und ästhetisch. Mit einem Schuss Trash.
Optisch hat sie sich dabei auf ihre Disney-Wurzeln besonnen und sieht haartechnisch wieder aus wie ihr Kinderstar-Alter-Ego Hannah Montana. Nur in jünger irgendwie. In krassem Gegensatz dazu funkelt sie in ihrem Feed durch den Nationalpark Joshua Tree. Gut, sie hätte nicht auf die dort thronenden Josuabäume klettern sollen, das fand das Internet nicht lustig, die würden nämlich nicht mal Fliegengewicht Miley aushalten. Aber sonst ist Miley nach ihrer Hochzeit mit Liam Hemsworth herrlich entspannt. Nichts scheint sie ernst zu nehmen: Sich selbst genauso wenig wie das Drängeln der Fans, das sie immer wieder in Captions wie «The face I make when y’all rushin me to drop music. #CantRushPerfection» (zu deutsch: «Das ist das Gesicht, das ich mache, wenn ihr mich alle dazu drängt, neue Musik rauszubringen. #Perfektionkannmannichtüberstürzen») thematisiert. Zack, Headache Pose. Wir haben verstanden, es nervt. Angeblich. Ist ja inzwischen auch ausgestanden. Das Album ist da.
Das neue Image mit den hundert Klunkern steht ihr hervorragend, obwohl sie schon immer eine war, der alles egal war. Das ist nichts Neues. Jetzt ist sie weniger grell, (ein bisschen) weniger Hyper-Kiffer. Es funktioniert alles ohne Zungeblecken und irgendwelchen Quatsch-Bärchen. Was uns viel mehr befriedigt, ist die Sehnsucht nach Freiheit und diese angenehme Dosis Bonnie & Clyde, die die Serie an Hochglanz-Bildern ebenso transportiert wie die aktuellen Album-Teaser. Es ist der stilisierte Luxus auf dem Plastikstuhl, der auf absurde Weise fasziniert. In Kombination mit albernen Insta-Stories, in der kein altes Bild zu peinlich ist, versorgt uns Miley mit dem besten aus beiden Welten. Und das macht sie plötzlich zu einer, mit der man abhängen will. Mit Smaragden am Finger auf einem samtenen Motel-Bett. Vielleicht einen Joint rauchend (auch das tut sie noch immer gern) und ihrer tiefen Stimme lauschend. Zum Glück ist sie gekommen.