Mit grossen Taschen bepackte Warnwesten, Mäntel mit Reflektoren statt solche aus Wolle und Kaschmir. Dazu Brillen, mit denen man gleissenden Laserschwertern entgegentreten könnte. Schuhe, in denen ihre Träger für jedes Gelände gewappnet sind. Raf Simons kombiniert in seiner Herbst/Winter-Kollektion für Calvin Klein 205W39NYC den orangefarbenen Workwear-Mantel gar zum Bürolook einer Wall-Street-Bankerin. Im Fall von Simons ist Mode Kommentar zur politischen und soziologischen Lage des Landes, in dem sein Auftraggeber so tief verwurzelt ist. Die hübschen Gesichter durch Sturmhauben geschützt, zertrampelten Models eleganten Schrittes das süsse Popcorn, das auf dem Laufsteg lag. Simons sticht mit seinem derangierten Glamour Löcher in die rosa Kaugummiblasen der US-amerikanischen Popkultur. «Mode versucht manchmal, Dinge zu vertuschen, die nicht so gut sind. Sie sollte aber nicht so naiv sein, unsere Realität Tag für Tag zu verleugnen», erklärte Simons dem «Wall Street Journal».
Aber was genau bedeuten »Dinge, die nicht so gut sind» für die Zukunft?
Wenden wir uns den Kollektionen für den Sommer 2019 zu, dann geht das Ganze munter, doch düster weiter: Bei Alyx schritten Sci-Fi-Krieger auf die Zuschauer zu, jederzeit bereit, auf fernen Wüstenplaneten zu überleben. Auch Louis Vuitton bot für die Männerlinie plötzlich Schutzwesten auf — kugelsicher und tarnfarben. Was wird also bald möglich sein? Kommt ein Krieg der Sterne auf uns zu? Die «Vogue» rief bereits die Bewegung «Warcore» als Nachfolger des Trends «Normcore» aus. Durchschnitt galt bis anhin bei der Masse an Möglichkeiten, die die Welt uns bietet, als exotisch. Doch nun scheint eine überdurchschnittliche Form des Hyperrealismus Einzug zu halten, die ein bisschen Angst macht.
Demna Gvasalia verbietet sich mit seinen Entwürfen jegliche Schwärmerei: Als Creative Director des spanischen Traditionshauses Balenciaga plustert er die Mannequins mit zig Lagen überdimensionaler Anoraks auf und behängt sie mit Karabinern. Gvasalia stattet für die echte Welt aus. «Ich bin nicht daran interessiert, in einem Traum zu leben. Das würde mich zu Tode langweilen», konstatiert der gebürtige Georgier und geht noch einen Schritt weiter: «Ich halte Eleganz nicht für relevant.» Bodenständigkeit ist für ihn das neue Schwarz. Falls also wirklich was passiert, wird es sich gelohnt haben, in Balenciaga zu investieren: In sündhaft teurer Designermode ist man nämlich bereit, zu kämpfen. Wogegen auch immer.
Werft euch in harte Schale!
Politik, technischer Fortschritt, Umweltkatastrophen, Marsmännchen oder Darth Vader — die moderne Frau (und der moderne Mann) demonstriert jetzt: Sie packt an, sie kleidet sich für die Eigenständigkeit. Und sie wappnet sich. Mit Kapuzen, Handschuhen und Materialien, die vor Kälte und Sturm schützen, aber in Zeiten von #metoo auch Rüstung sind. Ferner wird mit Pradas Gamaschen niemand nasse oder kalte Füsse bekommen. «Mein Traum ist es, dass Frauen auf die Strasse gehen können, ohne Angst haben zu müssen. Ich wollte diese Freiheit auf die Spitze treiben», so die Designerin Miuccia Prada zu «Vogue». Müssen wir jetzt so richtig Panik kriegen? Streamt mal Zukunftsvisions-Serien wie «Black Mirror» und »The Handmaid’s Tale».... In diesem Sinne: Frohes neues Jahr und shop 'til you drop!