Seine Mode als Engländer an der Fashion Week in Kopenhagen zu zeigen, ist nicht gerade üblich. Schliesslich werden in der dänischen Hauptstadt mit Vorliebe skandinavische Brands vorgestellt. Christopher Raeburn hatte Glück. Er wurde im Rahmen der dänischen Modewoche als einer von drei Finalist*innen für die diesjährigen Zalando Sustainability Awards nominiert. Zu Recht. Seit der Firmengründung nutzt er für seine Kreationen ausschliesslich bereits bestehende oder nachhaltige Materialien. 2020 gewann er dafür in der Kategorie «Umwelt» sogar einen Fashion Award. Für den ersten Platz des Zalando Sustainability Preises hat es in diesem Jahr nicht gereicht. Die Siegesprämie von 20 000 Euro und die exklusive Partnerschaft mit Zalando staubte der Sportswear-Brand RANRA ab. Kein Grund für Christopher Raeburn den Kopf in den Sand zu stecken. Mit seinen innovativen Designs gilt er als Pionier in der Branche. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was ein Label wirklich nachhaltig macht und was er sich in der Zukunft von seinen Kollegin*innen wünscht.
Style: Sie arbeiten viel mit Stoffresten. Woher stammt diese Idee?
Christopher Raeburn: Unser RÆMADE-Ethos ist der Kern unserer Marke, eine Philosophie, die alles, was wir bei RÆBURN tun, beeinflusst. Diese Philosophie entstand während meines Studiums, als ich die Funktionen militärischer Artefakte kennenlernte. Doch brachte mich vor allem die Tatsache, dass die Beschaffung von Rohmaterialien entweder unglaublich teuer oder fast unmöglich war, dazu nur das zu verwenden, was ich gerade vor mir hatte.
Woher beziehen Sie diese Stoffe?
Die Beschaffung selbst ist eine Tätigkeit, die ich immer noch sehr geniesse. Sie erinnert mich daran, wie das Unternehmen entstanden ist und was wir bisher erreicht haben, und ich freue mich auf das, was wir in Zukunft schaffen können. Die Beschaffung von Originalstücken ist eine Art Archäologie, und sie führt mich immer wieder in britische Lagerhäuser und auf Reisen; ich bin immer auf der Suche nach Inspiration.
Schränkt Sie die Arbeit mit bereits bestehenden Materialien in Ihrer Kreativität ein?
Überhaupt nicht. Es handelt sich dabei um einen gewissen archäologischen Prozess. Wir identifizieren wichtige Artefakte aus der Vergangenheit, die reich an Geschichte, Details und inhärenter Funktionalität sind. Wir überarbeiten sie so, dass sie davor bewahrt werden, weggeworfen und vergessen zu werden.
Heutzutage bezeichnen sich viele Marken als nachhaltig. Was braucht es, um wirklich nachhaltig zu sein?
Für mich hat der Begriff Nachhaltigkeit an Bedeutung verloren. Für viele Unternehmen hat er nämlich nur einen kommerziellen Zweck – was ein Widerspruch in sich ist. Die Modeindustrie ist weltweit der zweitgrösste Umweltverschmutzer und trägt die Verantwortung für enorme Ausbeutung. Das muss geändert werden. Bei RÆBURN haben wir uns verpflichtet, uns selbst und die gesamte Industrie herauszufordern, um eine echte Kraft für das Gute zu werden. Jedes Jahr verkünden wir unser RÆSTART-Manifest, in dem wir unsere konkreten Ziele für eine bessere Zukunft formulieren. Wir teilen alle drei Monate unsere Fortschritte mit und sorgen so für volle Transparenz und Rechenschaftspflicht. Wir hoffen, dass sich uns mehr Brands anschliessen.
Was machen Sie mit Kleidungsstücken, die nicht verkauft werden?
Reststücke werden in unserem Londoner Atelier für die Herstellung von Manschetten, PKT-T-Shirts, Karten, Taschen, Notizbücher, Maskottchen und Kissen verwendet. In unserem RÆBURN Lab machen wir davon auch in Workshops und Veranstaltungen Gebrauch. Darüber hinaus ist unser Standardsortiment nicht saisonabhängig. Es besteht aus Evergreen Produkten, die nur nachproduziert werden, wenn sie auch ausverkauft sind. Unsere RÆMADE-Teile werden sogar nur auf Bestellung gefertigt, um den Abfall weiter zu minimieren. Stoffreste aus Kollektionen bieten wir in unseren Fabric-Shops zum Verkauf an.
Stellt Greenwashing ein Problem in der Branche dar?
Absolut. In der Modebranche wird Nachhaltigkeit leider oft als Trend betrachtet. Die gute Nachricht ist aber, dass es viele grosse und kleine Marken gibt, die wirklich versuchen, etwas zu ändern; es ist nur sehr komplex und braucht Zeit. Ich hoffe, dass stärkere politische Massnahmen ergriffen werden, um Verhaltensweisen zu erzwingen, sowie mehr Belohnung und Unterstützung für Unternehmen, die das Richtige tun. Das könnte wirklich etwas bewirken
Englische Mode und Kopenhagen – passt das zusammen?
Wir hatten das Glück, als Finalisten des Zalando Sustainability Awards ausgewählt zu werden. Eine tolle Möglichkeit, um unsere Kollektion an der CPHFW (Copenhagen Fashion Week) zu präsentieren. Für uns passt das sehr gut, da die nordischen Länder einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit legen und wir derzeit aktiv danach suchen, unser Geschäft mit den richtigen Partnern auszubauen.
Wie nachhaltig ist eine Fashion Week?
Bekanntlich überhaupt nicht. Aber ich glaube wirklich, dass sich das ändert. Mit COP 26, dem Global Fashion Summit, setzt die Branche ein Zeichen. Die CPHFW geht da mit einem guten Beispiel voran.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mode?
Als Branche müssen wir darüber nachdenken, was es bedeutet, ein Produkt zu schaffen, das lange hält. Es ist ganz klar, dass niemand genug über die Langlebigkeit von Produkten spricht, und das ist ein Problem. Es ist schön und gut, über die Verwendung von recycelten Materialien und Zero-Waste-Designs zu sprechen, aber wenn die Produkte nicht lange halten und wir nur mehr davon herstellen, dann füttern wir die Bestie.