Die Datenbanken sind kahl. Und das heisst nicht, dass sie leer sind. Wenn man den Suchbegriff «Coachella 2019» durch die virtuellen Fotoalben jagt, dann werden lange Beine ausgespuckt. Dazu nackte Bäuche und Arme. Glatt und gebräunt. Auf den grinsenden Köpfen der Menschen hocken zwei Knödel. Tanzen tun die Fotografierten in der Regel nicht, sie posieren. Sie campen nicht im Regen, sie suchen nach dem besten Insta-Spot. Das Coachella als medienträchtigstes Festival der Welt schwemmt Victoria’s-Secret-Models und Influencer in unsere Insta-Feeds und Mode-Rubriken, die uns einen ganz bestimmten Stil diktieren: Viel Gehäkeltes drängt sich in den Vordergrund, viel Denim, viel Glitzer, viel sehr wenig. Sexy sein gehört heute zum Festivalpass wie früher der Schlamm.
Plump, plumper, Coachella
Nun ist das Coachella für die VIPS natürlich anstrengend. Der Plan ist so straff wie ein gut in Szene gesetzter Influencerkörper: Rund ums eigentliche Festival in der kalifornischen Wüste schmeissen Firmen bunte Poolparties mit aufblasbaren Schwänen, Blumenozeanen und einer perfekt ausgeleuchteten, gebrandeten Fotowand. Pool ist gut, vielleicht kommt der Grossteil in Bikinis. Fotowand ist wichtig für die Hauptaufgabe der Gäste: Zeigen, dass man da war und gut aussah. Gut aussehen heisst, sich einem übersexualisierten Dresscode zu unterwerfen. Hat man die eine Party erfolgreich attendet, heisst es umziehen, Handy laden und neues Bindi aufkleben. Denn entweder wartet der nächste lukrative Event oder es geht tatsächlich um das Coachella selbst, wo es dann gilt, sich anzustellen. Nicht fürs Line-up, nein, in die Schlange fürs obligatorische Bild vorm ikonischen Riesenrad. Ja, die Schlange gibt es wirklich. Keiner will mehr bei Acts wie Ariana Grande, Childish Gambino oder Katy Perry in der ersten Reihe tanzen. Was auch unpraktisch wäre. Schliesslich kam eine Kendall Jenner in Kitten Heels. Influencerin Olivia Culpo in Mules. Im Moshpit liesse es sich da nicht gut aushalten. Ausser man könnte eine geile Insta-Story draus machen.
Kylie Jenner kam auch vorbei. Laut Instagram. In einem transparenten Super-Mini mit noch kleinerer Bag. Es gab eine Zeit, da sass man zwischen den Konzerten mit Bier am Boden rum und fühlte sich frei. Kylie könnte weder anständig sitzen, noch scheint sie mehr mitführen zu müssen als zwei Tic Tacs. Bella Hadid dagegen machte blau. Sie kam gar nicht erst, wie so viele. Wo war Kate Bosworth? Zoé Kravitz? Die A-Riege Hollywoods wurde abgelöst von Models und Influencern. Und nicht mal da kamen die Grossen. Wo war Chiara Ferragni? Vielleicht ist sexy vor einem Riesenrad hocken für die auch nicht mehr das Non plus ultra. Warten wir das zweite Wochenende ab.
Nun hat natürlich jeder seine eigene Vorstellung von sexy. Unserer entsprechen die knappen, zuckersüssen Hippe-Techno-Looks nicht. Es gibt so viele coole Frauen da draussen, warum erwischen die Fotografen auf den Open-Airs immer nur die freizügigen? Weil alle anderen vor der Bühne stehen und tatsächlich die Konzerte hören? Vielleicht. Wäre auch besser so. So beschleicht uns das Gefühl, man dürfe ein Open-Air nur besuchen, wenn man schön ist. Wenn man die grellen Zuckerwatte-Looks gut und gerne trägt. Wenn man aussieht wie ein Influencer-Model-Klon. Wir haben uns jedenfalls mal auf den Strassen umgeschaut und festivaltaugliche Looks aufgespürt, die viel nonchalanter sind als der ganze Lolita-Coachella-Wahnsinn. Denn sind wir ehrlich: So gutes Wetter wie in Palm Springs ist bei uns auch selten.
Für unsicheres Wetter
Gegen Beinzeigen spricht rein gar nichts. Natürlich darf man dazu auch Baum und Arme zeigen, wenn man das möchte. Die etwas erwachsenere Variante ist ein Jeanskleid mit robusten Boots – mit Jeansjacke für etwaige Kälteschübe.
Bei Schlamm: Wanderschuhe statt Gummistiefel
Schutz gegen nasse Füsse muss sein. Damit einem die ausserdem nicht kaputtgetanzt werden, schützen Hiking Boots ganz wunderbar. Wallende Kleider dazu sind ein schöner Stilbuch und waren schon immer ein fester Bestandteil der Festival-Stilbibel. Wer sagt aber, dass immer alles beige sein muss? Leuchtende Farben sind doch viel besser: so findet man sich in der grauen Masse schneller wieder.
Wenn es frisch ist: Lässig in Oversize
Die Vorteile: Bewegungsfreiheit, Kälteschutz durch den Strickpulli und nächtelange Tanzgarantie dank Vans. Cooler kann man eigentlich nicht erscheinen. Und ein besseres Statement gegen die Übersexualisierung der Festivallooks kann man auch kaum setzen.
Hawaiihemden sind heisser als das Wetter
Es müssen nicht unbedingt die Gucci-Sneakers sein, aber: Wer diesen Sommer so richtig auffahren will, kombiniert die Sporthosen des Boyfriends (die eigenen gehen natürlich auch) mit einem Hawaiihemd. Weisse Socken und Turnschuhe dazu – fertig. Geschmackloser gehts nicht? Darum geht es irgendwie. Wir lieben Anti-Looks schliesslich.
Wer auch bei Wolken Shorts tragen will
Zack, Strumpfhose drunter. Der Cardigan kann easy ausgezogen und um die Hüfte gebunden werden, die starken Farben schreien nach Aufmerksamkeit. Und das ganz ohne Haut.
Endlich Schlamm – der Klassiker
Der Schlamm ist unser Freund. Ein weit geschnittenes Kleid, sagt: «Entspannt euch doch bitte einfach mal!» Und darum geht es doch eigentlich auf Festivals.