Es hämmert und scheppert in der kleinen Werkstatt der Metallfabrik Birth-Gramm in Lamone. Die Produkte aus der kleinen Gemeinde im Sottoceneri sind weltbekannt: Heinz Birth fabriziert hier Edelweiss und kleine Kuhglocken aus Aluminium, versilberte Schlüsselanhänger und Sonnen aus Messing. Während die typisch schweizerischen Souvenirs überall dort zu haben sind, wo viele Touristen verkehren, gehören die Sonnen schon fast zum historischen Erbe der Schweiz. Ruth Dreifuss trug eine Sonnenbrosche, als sie in einer turbulenten Wahl 1993 in den Bundesrat gewählt wurde. Heute ist diese eine Brosche im Historischen Museum in Luzern zu finden.
Heinz Birth führt die Tessiner Werkstatt in der zweiten Generation. Und die dritte ist mit Tochter Sherylin auch bereits am Werk. «Meine Grosseltern stellten hier Gugelhopf-Formen her», erzählt sie lachend. «Und ich führe die Tradition mit Schmuck weiter.»
Ihr Vater hat Ihnen das Handwerk beigebracht. Wie war es für ihn, als Sie Werkzeuge und Maschinen auf eine andere Art gebrauchten?
Sherylin Birth: Mein Vater hat mich immer unterstützt und ermutigt, mit seinen Werkzeugen und Maschinen zu experimentieren. Er war es, der mir die Techniken beigebracht hat. Aber jetzt bin ich diejenige, die ihm einige neue Dinge zeigt, vor allem bei der Oberflächenbearbeitung. Doch um die Handfertigkeiten und die Gesten so zu beherrschen wie er, habe ich noch einen langen Weg vor mir.
Eigentlich sind Sie Modedesignerin. Wie kommts, dass Sie nun ein Schmucklabel besitzen?
Während meines Studiums zur Modedesignerin habe ich meinen Vater gefragt, ob er mir Accessoires aus Messing machen könne. Zu meiner Überraschung war es möglich, mit seinen Maschinen und mit den Abfällen aus der Fabrik Schmuck herzustellen. Nach meinem Studium zeigte er mir einige Techniken, und ich erkannte, dass ich das auch allein kann. Mir wurde sofort klar, dass ich keine Bekleidungskollektion auf den Markt bringen wollte. Ich möchte mit den Resten unserer Werkstatt eine Marke schaffen und die vorhandene Fabrik und die Maschinen nutzen.
Sie leben in Lausanne, die Fabrik ist im Tessin. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich teile meine Zeit zwischen Produktion und Verkauf auf: Zwei Wochen verbringe ich im Tessin, wo ich die Stücke herstelle, und zwei Wochen in Lausanne. Dort kümmere ich mich um alles, was mit meiner Marke zu tun hat. Ich habe auch immer noch ein kleines Modeatelier, wo ich weiterhin nähe und Muster entwerfe.
Sie arbeiten mit organischen Formen und zelebrieren die Unvollkommenheit. Wie ist diese Arbeitsweise entstanden?
Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Asymmetrien und Unregelmässigkeiten, was mich dazu brachte, in London für das Modelabel Marques Almeida zu arbeiten. Eine Marke, die ihren Erfolg durch raue Oberflächen und unregelmässige Formen erzielt. Als ich anfing, mit Messing zu arbeiten, machten es die grossen Maschinen in der Fabrik unmöglich, auf kleine Objekte perfekte Details zu platzieren. Daher war es für mich ganz natürlich, Unregelmässigkeiten zu akzeptieren:
Es ist diese Unvollkommenheit, die meinem Schmuck Charakter verleiht und meinen Stil definiert.
Was machen Ihre Schmuckstücke besonders?
Sicherlich haben meine persönliche Geschichte und mein Hintergrund in der Mode einen grossen Einfluss auf meinen Schmuck. Ich arbeite nicht als traditionelle Goldschmiedin, aber ich respektiere diese Kunst zutiefst. Meine Herangehensweise ist anders: Ich kreiere Schmuck, indem ich darüber nachdenke, wie er zu einem bestimmten Look passt und wie er im Alltag getragen werden kann. Dabei lege ich den Schwerpunkt auf das Design und seine Vielseitigkeit.
Woher kommt Ihre Inspiration?
Meine Inspiration kommt hauptsächlich aus der Praxis: Ich experimentiere mit neuen Techniken und arbeite direkt mit dem Material. Ich denke darüber nach, was ich tragen möchte und berücksichtige auch das Feedback meiner Kunden.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie momentan konfrontiert?
Derzeit wird die Produktion immer intensiver und die Techniken, die ich verwende, werden komplizierter, was mehr Zeit im Atelier erfordert. Früher oder später werde ich eine Lösung für mein Pendeln zwischen Lugano und Lausanne finden müssen. Die Rückkehr in die Tessiner Metallfabrik ist eine interessante Option, aber ich glaube, dass es im Moment noch nicht der richtige Zeitpunkt ist.
Was ist von Ihrem Label «Sherylin» demnächst zu erwarten?
Ich lasse mich immer von der Kreativität leiten. Zurzeit arbeite ich an Haushaltsgegenständen, die ich zu kleinen Schmuckstücken forme. Die ersten Exemplare erscheinen im November!