Sie schlingen und ranken sich um die Körpermitte wie Mythen um Loch Ness. Seeungeheuer gibt es nicht. Sagt man. Zahnseide für den Körper auch nicht. Sagt man. Und doch schiebt sich dieser Trend namens «Midriff Flossing» so hartnäckig durchs Modeuniversum wie Karies. Da wird gebunden und geschnürt, was das Zeug hält: Oberteile, aber auch Röcke und dekonstruierte Keider hängen am seidenen Faden. Laut Pinterest stiegen die Anfragen nach dem Begriff «gebunden». Und wer hats erfunden? Ausnahmsweise nicht wir.
Wenn Stoff fehlt, gewinnt man
Da war Jacquemus, der für diesen Sommer jede Menge Bänder an Schultern und Bauch gezeigt hatte, die da nicht unbedingt sein müssten. Dekorative Zahnseide wurde auch von Brands wie Acne Studios, Supriya Lele und Christopher Esber neu definiert. Einen Preis dafür bekommen hat aber nur eine: Nensi Dojaka. Am 7. September wurde der albanischen Modedesignerin in der Pariser Fondation Louis Vuitton der LVMH-Preis überreicht, einer der bedeutendsten, der in der Mode an aufstrebende Talente vergeben wird.
Das Schlüsselelement Dojakas fragiler, asymmetrischer Designs: ausgesparte Formen, überlagerter, transparenter Stoff – durch eben jene feinen Schnüre zusammengehalten. Der Köper wird zum Spannungsfeld entblösster und überzogener Partien. Er ist nackt, aber doch nicht. Die Trägerin scheint darin zerbrechlich, aber auch, als hätte sie sämtliche Kämpfe in ihrer Endzeit-Uniform längst ausgetragen. Gleichzeitig sind die Kollektionen stets ein nostalgisches Zurückblicken: «Ich habe so viel in Zeitschriften der 90er Jahre recherchiert, weil ich die Kleidung, die Ästhetik und sogar die Art und Weise, wie die Bilder damals aufgenommen wurden, liebe. Sie haben etwas Rohes und Seelenvolles, das ich unbedingt zurückbringen möchte», so die Designerin zum Magazin Monopol.
Mode für Amazonen in perfekt platzierten Fetzen
Nensi Dojaka studierte an der Central Saint Martins und zeigte im Februar 2020 ihre Kollektion zum ersten Mal im Rahmen der London Fashion Week. Mit schockverliebten Celebrities war die Albanerin, die mit 16 Jahren nach England kam, schon vor ihrem Ritterschlag verbandelt: So trug Topmodel Bella Hadid einen Nensi-Dojaka-Full-Look zu den MTV-Video-Music-Awards im Jahre 2020 (siehe oben), Emily Ratajkowski erschien jüngst in einem sexy Kleid zum Tribeca Film Festival, Influencerinnen wie Camille Charrière schmücken sich mit den grazilen und doch roughen Entwürfen und Harry-Styles-Stylist Harry Lambert wickelte Schauspielerin Emma Corrin, unsere liebste Prinzessin Diana in «The Crown», in zarte Bande. Achtung, Verstrickungsgefahr!