Es ist ein Adieu – kein endgültiger Abschied. Nach 38 Jahren als Designer steigt der in Antwerpen (Belgien) geborene Dries Van Noten aus dem Modegeschäft aus. Sein Abgang markiert das Ende einer Ära. Van Noten war Mitglied der Gruppe Antwerp Six, die der belgischen Mode in den 1980er-Jahren zu grossem Ruhm verhalf. Während seiner Karriere kleidete er zahlreiche Berühmtheiten wie Cate Blanchett, Beyoncé, Nicole Kidman, Rihanna oder Jake Gyllenhaal ein. Seine Mode ist regelmässig auf den Seiten der «Vogue» zu sehen, und er wird seit seinen Anfängen von deren Chefredaktorin und Modeikone Anna Wintour unterstützt.
Der strahlende 66-Jährige emp-fängt zwei Tage nach seiner letzten Modeschau in seinem Büro in der Rue du Plâtre im Herzen des Pariser Marais-Viertels zum Gespräch. Wir treffen auf einen Enthusiasten der Bekleidung, für den Bescheidenheit und harte Arbeit echte Grundwerte sind. Er wirkt glücklich, beruhigt und entspannt. Sein Laufsteg-Adieu war kein wehmütiger Blick zurück. Stattdessen verlässt er die Bühne mit einer frischen, innovativen und zeitgenössischen Kollektion.
Dries Van Noten, als Sie im März dieses Jahres Ihren Rücktritt bekannt gaben, ohne dass Ihre Nachfolge geklärt war,reagierte die Modebranche stark. Überraschte Sie das?
Ehrlich gesagt hatte ich nicht mit einem solchen Ausbruch von Emotionen gerechnet. Es gab Traurigkeit und bisweilen auch Wut, aber auch viel Empathie. Die spanische Luxusgruppe Puig hatte im Jahr 2018 eine Mehrheitsbeteiligung an meiner Marke erworben. Mein Abgang war bereits geplant. Trotzdem betrachtete man mich weiterhin als unabhängigen Designer. Es ist, als wäre eine bestimmte Art, Mode und insbesondere Kleidung zu machen, zu meinem Markenzeichen geworden. Ich hätte mich nicht auf Accessoires als Haupteinnahmequelle verlassen können.
Ich hoffe, Sie sind mit Ihrer Entscheidung zufrieden.
Ja, das bin ich. Ich freue mich darauf, endlich wieder mehr im Hier und Jetzt zu sein, anstatt mein Leben mit Planen zu verbringen. Ich werde nicht mehr unter diesem ständigen Druck der Kollektionserstellung stehen. Und diese Tatsache wird mein Leben zwangsläufig verändern. Als Puig Mehrheitsaktionär wurde, war bereits entschieden, dass ich das Unternehmen verlassen würde. Aber ich werde weiterhin im Haus Dries Van Noten als Berater in Sachen Beauty und bei künftigen Boutique-Eröffnungen tätig sein.
Welchen Fussabdruck hinterlassen Sie in der Modebranche?
Das zu beurteilen, überlasse ich gern anderen. Aber ich hoffe, ein Designer gewesen zu sein, der mit seinen Kollektionen Emotionen geweckt hat. Ausserdem konnte ich über mehrere Jahrzehnte hinweg unabhängig bleiben. Für andere Designer heute ist das kompliziert, da die Modebranche hauptsächlich von grossen Luxusgüterkonzernen kontrolliert wird.
Was hat Sie in diesem Beruf am glücklichsten gemacht?
Ich habe festgestellt, dass die Menschen sehr an meinen Kleidern hängen und sie wertschätzend im Schrank aufbewahren. Ich bin froh, dass ich ihnen Freude und Spass in ihren Alltag bringen konnte.