Als French Girl führt man ein wahrlich strukturiertes Leben. Man kauft viel Baguette und Käse, trinkt in einer idealen Welt tagsüber in verschnörkelten Cafés Wein und wohnt in einer reizenden Altbauwohnung (très jolie), in der man mit den schmalen Fingern einer Intellektuellen eine langhaarige Katze streichelt. Sie wälzen sich fabelhaft aus dem Bett, streichen sich das charmant-unordentliche Haar aus dem so hinreissend-verlebten Gesicht und gleiten in ihre so lässige Garderobe. Mit eben diesem Erscheinungsbild verbindet jede Französin eine «amour fou». Voilà, le French Chic!
Wenn nun der französische Präsident so im Pariser Élysée-Palast herumschleicht, dann ist man kurz irritiert. So viel lockeren Stoff ist man nicht gewohnt. Emmanuel Macron ist übermüdet, nicht leicht verkatert von einem gediegenen Glas zu viel. Glatt gebügelte Hemden, eng gezurrte Krawatten und steife Sakkos sind Folterinstrument, wenn man an die endlosen Arbeitstage und Gespräche denkt. Da war keine Zeit, sich zu rasieren, sich zu kämmen. Was solls auch, die Zeit ist eine zum Haareraufen. Seine persönliche Fotografin Soazig De La Moissonnière, die das Staatsoberhaupt hinter den Kulissen im Amtssitz oder auf seinen Reisen mit ihrer Kamera begleitet, hat das nun festgehalten. Einen Mann, der unter Druck steht und sich mal kurz von den Zwängen seiner Position befreit. Und dabei verdammt gut aussieht. Typisch Franzose halt. Abgerockt sexy.
Sexy in den Wahlkampf
Die Bilder erreichten die Welt an einem krisengebeutelten Sonntag. Was uns das sagt? Macron arbeitet 24/7. Auch am Wochenende hält er sich im Élysée-Palast auf, irgendwann eben in Kapuzenpullover und Jeans. Jawoll, es wird Zeit, dass Frankreich realistische Bilder von ihrem Staatsoberhaupt sieht. Man ist ja nicht nur im Krieg, sondern auch im Wahlkampf. Den Hoodie hat er zudem nicht wahllos aus dem Schrank gezogen, es ist nicht einfach der, der ganz oben auf dem Stapel lag: bei dem aufgestickten Logo handelt es sich um das der französischen Luftwaffe. «CPA 10» prangt da. Die Abkürzung steht für «Commando Parachutiste de l'Air no 10». Wir sehen einen Emmanuel Macron in den sozialen Medien, der sich als Staatsmann inszenieren lässt, der alles gibt für sein Volk und ganz beiläufig hyper-fokussiert ist. Am attraktivsten sind schliesslich immer die, denen man ihre Macht nicht ansieht. Die, die ihre Skills bescheiden unter Kapuzen verstecken. Der Präsident als real gewordener Mr. Robot, der in stuck-geschwängerten Palästen durch schwere Holztüren huscht und mit seinem Nerd-Wissen die Welt retten könnte. Könnte!
Bequem ist heutzutage gar nichts mehr, aber...
... warum soll ein Präsident nicht auch mal optisch «off duty» sein? Ob nun Wahlkampf oder nicht: Bei Models wird gern deren «Off-Duty-Look» eingefangen, um zu beweisen, wie gut sie auch aussehen, wenn sie nicht arbeiten – was ja im Grunde Folgendes ist: professionell gut aussehen. Beim Anblick von Olaf Scholzs schlumpfigem Freizeitlook im Flugzeug vor ein paar Wochen wurde gekichert. Obwohl der deutsche Kanzler mit seinem Oversize-Look doch total im Trend lag. Mensch Leute, seid doch alle mal ehrlich: Was tragt ihr denn nach zwei Jahren Corona und Home Office? Die Zeiten sind alles andere als gemütlich – da darf es vielleicht wenigstens mal die Kleidung sein. An einem Sonntag.