Herbst/Winter, Frühjahr/Sommer – so übersichtlich und simpel ist der Modekalender der Prêt-à-Porter- und Haute-Couture-Welt schon lange nicht mehr. Um der Schnelllebigkeit der Trends nachzukommen, spickten in der Vergangenheit immer mehr Designer das Jahr mit sogenannten Zwischensaisons: Resort-, Cruise- und Pre-Fall, … Ein rentables Geschäftsmodell, schliesslich schaffen es die Brands mit ihren zusätzlichen Kollektionen deutlich mehr Kunden anzusprechen.
Was den Brands selbst aber einiges an Gewinn mehr bescheren mag, hat für andere schwere Folgen. Immer wieder kommt es zu Skandalen, weil die Näher*innen unter unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen, Fabriken einstürzen, Kinder als Arbeiter eingesetzt werden und, und und … Von den fatalen Auswirkungen auf die Umwelt ganz zu schweigen. Umstände, die Modemacher Alessandro Michele nicht länger unterstützen möchte. Der entschied sich jetzt nämlich kurzerhand dazu, Guccis straffen Kollektions-Kalender deutlich zu entschleunigen. Via Instagram verrät er am vergangenen Sonntag:
«Ich werde das abgenutzte Ritual der Saisonalitäten und Shows aufgeben, um einen neuen Rhythmus zu finden, der besser zu meiner Expressivität passt.»
Gucci-Kollektionen wird es laut Michele ab jetzt nur noch zweimal im Jahr geben, frei von Regeln und Genres.
Eine Entscheidung, die sicher auch mit Covid-19 zusammenhängt. Da die Produktion vieler Firmen momentan ganz schön hinterherhinkt und Grossveranstaltungen wie der Fashion Month im September unvorstellbar sind, müssen die Konzerne (zumindest für die nähere Zukunft) so oder so umdenken. Guccis Kering-Schwester-Brand Saint Laurent verkündete schon vor drei Wochen, die diesjährige Pariser Fashion Week auszusetzen und den eigenen Kollektions-Kalender zu überarbeiten.
Wohlgewollte Reaktionen auf den Appell vom belgischen Kreativkopf Dries Van Noten? Mit einer Gruppe von CEOs, Einkäufern und Designern veröffentlichte der Anfang Mai einen offenen Brief an die Modeindustrie. Darin forderte er die Konzerne dazu auf, mehr Nachhaltigkeit zu schaffen und die Anzahl der Kollektionen drastisch herunterzufahren.
Wie viele Labels dem guten Beispiel von Dries Van Noten, Gucci oder Saint Laurent folgen, bleibt abzuwarten. Die Marken des Big Players LVMH haben sich bisher noch nicht zum Thema gemeldet.