Karl Lagerfeld hegte starke Gefühle: «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren», ätzte er bei «Markus Lanz» im ZDF anno 2012. Ob der 2019 verstorbene Modepapst sich 2020 korrigiert hätte? Denn zurzeit gibt es modisch vor allem eine Nutzniesserin. Sie heisst Jogginghose. Sie hat sich durchgebissen – und 2020 zu ihrem olympischen Jahr gemacht.
Was musste sie alles erdulden, seit Emile Camuset, Gründer der französischen Sportmarke Le Coq Sportif, sie 1939 aus der Taufe hob? Sie hatte es alles andere als leicht, musste sich wie jede gute Sportlerin durchschlagen.
Bis sie 1967 eine Audienz beim Kaiser bekam: Franz Beckenbauer. Ab da musste sie stark sein. Etwa als sie in den 90er-Jahren zum britischen «Working Class Hero» erkoren wurde und Bands wie Oasis oder Blur sie ihren Eltern als Anti-Establishment-Symbol um die Ohren pfefferten. Stolz erduldete sie 2003 die pink-flauschige Juicy-Couture-Entgleisung an Paris Hilton, um 2007 als lederne Monstrosität von Kanye West neu erfunden zu werden.
Sie war wie ein Teenie, der pubertierend Grenzen überschritt. Und dann passierte 2020. Die Mode-Industrie liegt am Boden, begraben unter Bergen von Altkleidern. Die Jogginghose zeigt der Misere den Finger. Sie ist plötzlich der Rolls-Royce.
So hat etwa das vor Corona eher kleine US-Label Entireworld, das sich auf gemütliche Sporthosen spezialisiert hat, seine Umsätze dank Corona exponentiell gesteigert. Und jetzt tobt die Revolution.
Denn seien wir ehrlich: Wenn wir aus dem Jahr 2020 etwas mitnehmen, dann die Flexibilität in vielen Lebensbereichen. Die haben wir uns inzwischen zwangsläufig angewöhnt. Und die Jogginghose ist ihr Symbol.