Die Flügel von Victoria’s Secret waren lange so etwas wie der Ritterschlag unter Models. Egal, welches New Face man fragte, für wen es denn unbedingt mal über den Laufsteg defilieren wollte, lag die Antwort «Victoria’s Secret» quasi in der Luft.
Aber die Zeiten haben sich geändert: Heute tragen wir nicht nur lieber Grosis Schlüppi als Tangas, sondern erwarten von Labels ausserdem, sich öffentlich zu positionieren – #metoo und #bodypositivity sind da nur zwei Schlagworte, zu denen es Stellung zu beziehen gilt.
Bei beiden Bewegungen hat Victoria’s Secret den Anschluss bislang irgendwie verpasst. Darum fordern nun mehr als hundert Models vom Unterwäschelabel, endlich Haltung zu zeigen. In einem offenen Brief, den sie direkt an den CEO John Mehas richteten, fordert die «Model Alliance», sich klar gegen jegliche Formen von sexueller Gewalt auszusprechen.
«In den vergangenen Wochen haben wir von vielen Anschuldigungen von sexuellen Übergriffen, mutmasslichen Vergewaltigungen und Sexhandel mit gestandenen und angehenden Models gehört. Auch wenn diese Anschuldigungen nicht direkt an Victoria’s Secret gerichtet wurden, ist doch klar, dass Ihr Unternehmen eine entscheidende Rolle in der Behebung der Situation spielt», schreiben die Frauen, darunter Doutzen Kroes, Milla Jovovich und Christy Turlington.
Sie fordern den Dessous-Giganten auf, sich am eigens initiierten Anti-Missbrauchsprogramm zu beteiligen. Hierfür soll Victoria’s Secret einen Verhaltenskodex unterschreiben, der «die berufliche Sicherheit aller wahrt und die Verletzbarkeit von Models reduziert», so die Verantwortlichen. Damit soll unter anderem sichergestellt werden, dass Models Zugang zu einem unabhängigen Beschwerdesystem haben.
Für die Models ist klar: Es ist Zeit für Veränderung. «Wir stehen ein mit den mutigen Frauen, die an die Öffentlichkeit getreten sind und ihre Geschichten geteilt haben, trotz Angst vor einer Entlassung oder einem Karriereschaden», schreiben sie. Und nehmen damit Bezug auf zahlreiche Anschuldigungen wegen sexuellen Fehlverhaltens, unter anderem gegen diverse Fotografen und den Modelscout Jeffrey Epstein. Der Konzern soll nicht nur mit ihm zusammengearbeitet haben. «Es ist zutiefst beunruhigend, dass diese Männer ihre Arbeitsbeziehungen mit Victoria’s Secret genutzt haben, um Mädchen zu ködern und zu missbrauchen.»
Es breche ihnen die Herzen, dass solche Geschichten noch immer zur Tagesordnung gehören: «Wir können und wir müssen das besser machen. Es ist Zeit für Respekt!»
Aus dem Hause Victoria’s Secret hat sich zu den Forderungen bislang noch niemand öffentlich geäussert. Wie The Cut berichtet, soll der Dessous-Brand allerdings bereits im Gespräch mit der «Model Alliance» sein.
Der einstige Kult-Brand kommt aus den Negativ-Schlagzeilen derzeit nicht mehr raus. Die Umsätze sind rapide gesunken, die legendäre Show musste, wegen zu schlechter Zuschauerzahlen in den Vorjahren, für 2019 bereits abgesagt werden. Im März «revolutionierte» man die hauseigene Bademoden-Linie – und setzte kurzerhand die Körbchengrösse ab. Von nun an gibts Bikinitops nur noch von XS bis XL.
Erst diese Woche sorgte der Brand wieder für Aufsehen, als er mit Valentina Sampaio, 22, erstmals ein Transgender-Model engagierte. Marketingchef Edward Razek, der noch Ende 2018 verlauten liess, dass Plus-Size- und Transgender-Models nicht das seien, wofür Victoria’s Secret stehe, hat sich inzwischen kurz darauf freistellen lassen …
Ja, Victoria’s Secret bezieht Stellung, nur leider immer wieder die falsche.