«I’m very much down to earth. Just not this earth», sagte Karl der Grosse einst. Eine Glaswand stünde zwischen ihm und der restlichen Welt, bestätigte der stets bissige Lagerfeld ausserdem. Ja, er stand über den Tatsachen. Im Februar 2019, mit 85 Jahren, ist er verstorben, nachdem er seine letzte Haute-Couture-Show für Chanel schon nicht persönlich – wie sonst winkend – abschloss. Warum Frauen sich kleiden, wie sie sich kleiden, ist sein Verdienst. Mit seinem Verlust verhält es sich so wie mit seiner Vorstellung von Mode: «Der Mode entkommt man nicht. Denn auch wenn Mode aus der Mode kommt, ist das schon wieder Mode.» Sein Stil bleibt unvergessen.
Es war einmal …
Angefangen hat alles in Paris mit einem Mantel. Der Sohn eines Hamburger Kondensmilch-Fabrikanten gewinnt 1954 mit diesem einen Entwurf den Preis des Internationalen Wollsekretariats. Der grosse Pierre Balmain lässt den Mantel daraufhin fertigen und engagiert Lagerfeld als Assistenten. Drei Jahre bleibt er Balmain erhalten, absolviert dort seine Schneiderlehre. Und zack – geht es steil bergauf für Karl: 1958 steigt er als jüngster Creative Director bei Jean Patou ein, arbeitet in den Folgejahren immer wieder als freier Designer für Valentino und Krizia.
Karl und die Chloé-Girls
Im Jahre 1963 übernimmt Lagerfeld im Modehaus Chloé als künstlerischer Leiter das Ruder. Unter seinem kreativen Auge führt er die Marke innerhalb eines Jahrzehnts zu internationalem Ruhm, indem er dem Haus mit fliessenden Kleidern mit aufregenden Drucken seinen so typischen, romantischen Bohemian-Chic verpasst und das Chloé-Mädchen in eine selbstbestimmte und befreite Frau verwandelt. Jacqueline Kennedy Onassis und Brigitte Bardot vertrauen ihm blind. Er sollte 1992 noch einmal zu Chloé zurückkehren, kann an seinen ersten Erfolg aber nicht anknüpfen. Seit 1974 führt Lagerfeld stets eigene Linien. Zuletzt werden diese optisch von Prints, Figuren und Mustern seiner Katze Choupette dominiert.
Forever Fendi
1964 geht Lagerfeld zum italienischen Modehaus Fendi, dem er bis zuletzt erhalten blieb. Dort zeichnet sich Lagerfeld für das jetzt so ikonische und hippe Doppel-F-Logo verantwortlich. Er entwirft ausserdem exklusive Pelzkollektionen, die so teuer sind, dass man sich gezwungen sieht, eine Prêt-à-Porter Linie herauszubringen, um mehr Kundinnen anzusprechen. Ach Karl ... Da blieb sich einer treu.
Chanel = Lagerfeld
Ab 1984 leuchtet sein Stern dann heller denn je: Er macht das Erbe Coco Chanels modern. Als Tausendsassa, getrieben von Visionen, akzeptierte er keinen Stillstand. «Ich bin eine Art Mode-Nymphomane, der nie einen Orgasmus hat. Ich bilde mir immer ein, ich könnte es noch besser machen», sagte er über sich selbst. «Man muss etwas Neues machen, wenn man den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen will.»
Niemand würde Cocos Tweed und ihre eigentlich so altmodischen Perlen heute noch tragen, wäre da nicht Karl und seine immerwährende Neuinterpretation. Dazu kamen diese gewaltigen Shows, die sich jedes Mal selbst übertrafen. Karl Lagerfeld ist ein Synonym für Chanel und umgekehrt. Und ebenso für die Mode selbst. Und so hat Karl seine Zeit bestens genutzt, denn: «Zukunft ist die Zeit, die übrig bleibt.»