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«Nie hatte ich solche Schmerzen»

Warum hat Kim sich dieses Kleid nur angetan?

An der diesjährigen Met Gala präsentierte sich Frau Kardashian-West in einem inzwischen legendären Mugler-Dress, das schon aus einigen Kilometern Entfernung unfassbar ungemütlich aussah. Jetzt gab sie endlich zu, dass der Mermaid-Look tatsächlich ganz schön schmerzhaft war. Trotzdem fragen wir uns: Wieso erlauben sich eigentlich so viele Menschen ein Urteil?

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LOS ANGELES, CA - FEBRUARY 17: Kim Kardashian is seen on February 17, 2019 in Los Angeles, California.  (Photo by gotpap/Bauer-Griffin/GC Images)

Kim Kardashian im Korsett an der diesjährigen Met Gala.

GC Images

Kim Kardashian erinnerte an der diesjährigen Met Gala in Muglers Naked-Wet-Dress mit Wassertropfen-Applikationen an eine frisch dem Ozean entstiegene Meerjungfrau. Sie wirkte nass. Und arg eingeklemmt. Das Video der Kim-ins-Korsett-schnallen-Aktion ging (natürlich) viral. Dass die Prozedur nicht nur fürchterlich schmerzhaft aussah, sondern es tatsächlich auch war, erzählte Kim nun endlich gegenüber dem WSJ Magazin:

«Noch nie hatte ich in meinem Leben solche Schmerzen».

... und die endeten offenbar noch lange nicht mit dem Ablegen des berühmt-berüchtigten Kleides.

«Ich muss euch Bilder von den Nachwirkungen zeigen – als ich das Kleid auszog, hatte ich riesige Einkerbungen in meinem Rücken und meinem Bauch.»

Wie das so ist im Zeitalter modernster Massenkommunikation – wahnsinnig viele Menschen haben eine Meinung zu Kims Geständnis. Da wird gerüsselt, gestichelt, getwittert und geinstagramt. Die Weltöffentlichkeit ist nicht einverstanden mit Kims schmaler Taille und dem voluminösen Hintern, der sich da keck unterm schmerzhaften Korsett hervor wölbt. Und hier gehts los: Mode und modische Entscheidungen, Trends und «ja, das macht man halt nicht so»-Momente sind keine neue Erscheinung. Dass Menschen eine Meinung zum weiblichen Körper haben, auch nicht (früher tuschelte man einfach hinter dem Rücken der Leute, heute bläst Hinz und Kunz ungefragt seine Meinung via Social Media raus).

Kims Leben hätte früher kein gutes Ende genommen

Dass Kims Look ziemlich unbequem war, wissen wir eigentlich aber schon länger. Immerhin gab schon direkt nach der Gala zu, dass sie sich in ihrem Mugler-Met-Look nicht hinsetzen konnte, geschweige denn aufs Töpfchen durfte. Das ist die viel spannendere Frage: Wieso tun sich Frauen sowas eigentlich an? Denn im Unterschied zu früher geht ja heute eigentlich alles. Hätte sich im 18. Jahrhundert eine Frau in Hosen und Crop-Top auf die Strasse getraut, hätte ihr Leben vermutlich kein gutes Ende genommen. Mode für Frauen machten Männer. Ihr Blick auf den weiblichen Körper prägte das, was Frauen über Jahrhunderte trugen. Die Wespentaille und der grosse Hintern gelten nicht erst seit Kardashian für viele als erstrebenswert.

So trugen die Damen im 18. Jahrhundert etwa Kissen zur Betonung des Hinterns unter ihren Röcken. Ein Konzept, das die Versailler Modeschöpfer mit Marie Antoinettes (1755 – 1793) Monsterröcken ad absurdum führten. Natürlich gings mit diesen Röcken nicht nur um die Betonung des Hinterteils. Zum zeitgenössischen Frauenbild gehörte auch, dass man Frauen vordergründig vor allem als kokettes Beiwerk ihrer Gatten sah. Die müssen nicht zwingend durch die Türe passen oder schnell vorwärts kommen. Im Kleid spiegelte sich der Reichtum des Hochadels. Je unpraktischer das Kleid, desto klarer wurde, dass die Trägerin nicht wirklich zu arbeiten hatte. Arbeiterinnen konnten es sich schon damals nicht leisten, in überdimensionierten Röcken mit super eng geschnürtem Korsett auf dem Acker zu stehen. Oder woher glaubt ihr, dass der Ausdruck «es schnürt mir die Luft ab» kommt?

Darf die das denn eigentlich?

Kulturgeschichtlich gesehen ist das Korsett also quasi der materialisierte männliche Blick auf den weiblichen Körper. In früheren Zeiten war das einfach so. Heute ist das nicht mehr in Ordnung. Emanzipationsgeschichte und Modegeschichte sind viel enger verzahnt als manchen lieb ist (unser Busen ist zum Beispiel so befreit wie noch nie). Mode ist irgendwo immer ein Ausdruck von Zeitgeist. Und der geht aktuell eher in Richtung Befreiung, anything goes auf allen Ebenen.

Und dann kam Kim Kardashian. Sie macht ihren Körper zur Modelliermasse. Sie treibt den Korsett-Wahnsinn auf die Spitze. Drücken wir ihr die Daumen, dass sich ihre Organe noch nicht verschoben haben (vermutlich nicht, sie läuft ja nicht immer so rum …). Wie sie sich anzieht, ist sowieso ihre Sache. Der wahre Skandal liegt doch in den Reaktionen der Weltöffentlichkeit. Denn im Gemotze zeigt sich, dass wir in einer Hinsicht nicht weit vom toilettenfreien Versailles des 18. Jahrhunderts entfernt sind. Denn es gibt immer noch viel zu viele Leute, die einer erwachsenen Frau das Recht absprechen, mit ihrem Körper zu machen, was sie will. Und damit sind wir wieder bei der Kernfrage: Wieso tut sie sich das eigentlich an? Die Antwort ist easy: Weil sie es kann.

Von Denise Kühn am 11. Juli 2019 - 12:30 Uhr