Freitag war High-Tag! Das haben wir ganz Donatella und Gunnar zu verdanken. Die beiden kennen sich nicht und könnten unterschiedlicher nicht sein. Donatella ist 64, unnahbar, winzig klein und der grösste Teil ihres Gesichtes noch im Jugendschutzalter. Gunnar ist Mitte fünfzig, ein Berg von einem Mann, trägt pragmatisch bequeme Kleider und setzt sich an jedermanns Tisch. Donatella huldigt dem digitalen Exzess mit einer unglaublichen Laufsteg-Show während Gunnar uns beinahe aus seinem Restaurant schmiss, als wir nach dem Wifi-Passwort fragten. Aber alles der Reihe nach.
Viel Tamtam von der Signora
Versace war noch nie die Anlaufstelle für Mauerblümchen. Das wird uns einmal mehr bewusst, als wir mit den anderen Gästen der Show Schlangestehen. Die Schuhabsätze sind messerscharfe Pfeilspitzen, die Farben und Muster skandieren: «SCHAU.MICH.AN.». Dazu ist jedes Outfit ist mit gut einem halben Liter frischem Botox oder alternativ mit Hyaluronsäure abgeschmeckt.
Am Laufsteg angekommen, verwandelt sich der knallbunte Jahrmarktsrummel plötzlich in ein philosophisches Gesamtkunstwerk. Den ganzen Catwalk entlang ist eine gigantische Videowand errichtet. Darauf erscheint ein Abbild der Publikumsreihen, die Menschen erblicken jede ihrer Bewegungen in Echtzeit und alle sind gebannt wie einst Narziss vor dem Teich. Die Sitzreihen und die digitale Spiegelfläche zugleich füllen sich nach und nach mit Celebrities wie Emily Ratajkowski, Chiara Ferragni und Jon Kortajarena.
Dann verändert sich die pixelige Reflektion uns gegenüber. Wabernd verflüssigt sich das riesige Wandbild. Wie in einem Zerrspiegel verformen sich die Gäste in die Länge und Breite, noch mehr Handys schnellen in die Höhe und versuchen das visuelle Spektakel zu bannen. Für einen kurzen Moment erscheint Donatellas Antlitz hundertfach auf dem Bildschirm und dann stampfen die Models über den Runway. Auf der Videowand braut sich ein gewaltiges Pixelgewitter zusammen, es rollen die Medusenköpfe bis wir zum Schluss völlig benommen auf den Auftritt der Designerin höchstpersönlich warten. Konsequent nimmt sie den Applaus aber nur als digitale Projektion entgegen und läuft dann lässig aus dem Bildrand hinaus. Souverän, Signora. Wir sind entzückt.
Zeit für Kulinarik
Nach diesem, ersten Spektakel lieferte uns eingangs erwähnter Gunnar ein komplett anderes, von kulinarischer Sorte. Gunnar ist Patron der Osteria della Stazione l’Originale und gewährt nur jenen Einlass, die sich vor seine verschlossene Glastüre stellen und klingeln. So behält er die Kontrolle über seine Klientel, denn man munkelt, dass Gunnar Gäste schon beim leisesten Anflug von Antipathie seinerseits rauschmeisst.
Die Menükarte voller friaulischer Spezialitäten ist uns ein Rätsel, sogar unsere Italien-Korrespondentin kann vieles nicht übersetzen. Als wir Gunnar in pedantisch-schweizerischer Art mit Fragen dazu löchern, reagiert er unwirsch und sammelt die Karten ein. Es folgt ein Potpourri seines gesamten Angebotes, ohne dass wir auch nur einen einzigen Wunsch äussern konnten. Alles ist himmlisch lecker. Nur als wir nach dem Passwort für das Wifi-Netzwerk fragen, sind wir nochmal kurz vor dem Rausschmiss. Schliesslich ginge es hier um essen und nicht um Telefon-Daddeleien herrscht uns Gunnar an. Souverän, Signore. Wir sind entzückt. Einmal mehr.