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  4. Peter Lindbergh ist tot: Das Leben und Werk des Fotografen
Eine Legende ist gestorben

Peter Lindbergh sah mehr als die Supermodel-Hülle

«Er hinterlässt eine grosse Lücke» heisst es seitens der Familie auf seinem Instagram-Account. Am 3. September starb der deutsche Fotograf im Alter von 74 Jahren. Fehlen wird «der Vater der Supermodels» vielen – vor allem als Mensch mit einem sehr ehrlichen Blick auf die Frau.

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«Mich interessieren Frauen, die selbst etwas zu sagen haben und Selbstbestimmung ausstrahlen.» Peter Lindbergh war niemand, der einfach draufhielt. Er kratzte mit seiner Linse nicht an der Oberfläche seiner Portraitierten – er berührte sie und damit die Seele des Betrachters. Im Alter von 74 Jahren starb der Fotograf, der mit seinen eindringlichen Schwarz-Weiss-Fotografien zu einem der bedeutendsten Künstler der letzten 40 Jahre zählt, jetzt überraschend. Was bleibt, ist ein beeindruckendes Werk, mit dem er Modefotografie auf seine Weise prägte.

Was ein gutes Bild für ihn ausmachte? Ein makelloser Körper? Nein. «Es ist nicht die Aussenhülle des Knochengerüsts, nicht die Physiognomie eines Gesichts, sondern der unsichtbare Teil eines Menschen, den man einfängt, wenn er oder sie gewillt ist, ihn preiszugeben ...», so Lindbergh. So ist der Blick seiner Modelle meist stechend, bestimmt. Er schien ihnen Kraft verliehen zu haben. Ein Stilmittel, das ihm zum Erfolg verhalf.

Ein neuer Blick auf Schönheit

Im Jahre 1944 kam Lindbergh als Peter Brodbeck in Lissa im heutigen Polen zur Welt und verbrachte seine Kindheit mit zwei Geschwistern in Duisburg. Mit 18 Jahren zog er aus, um die Welt zu erobern. Er verweilte kurzzeitig in Luzern und Berlin. Nach einem Malerei-Studium in Krefeld entschied er sich 1971 endgültig für die Fotografie. Im Jahre 1978 begann Lindbergh erstmals, in Paris für die Vogue zu arbeiten. Zehn Jahre später kam Anna Wintour ins Spiel: Sie beauftragte ihn, das Cover ihrer ersten Ausgabe als Chefredaktorin der amerikanischen Vogue zu schiessen. Das Bild war bunt, aber der Blick durch die Lindbergh’sche Kamera markant: Das israelische Model Michaela Bercu lacht – ganz echt, die Augen zusammengekniffen – man spürt die Frau vor der Kamera, man spürt den Mann dahinter. 

Echt zu sein, war ihm stets wichtig. «Es herrscht diese verheerende Religion vor, in der absolute Perfektion und Jugend die Massstäbe sind, an denen Frauen gemessen werden. Ich halte es für inakzeptabel, dass in unserer heutigen Zeit Schönheit von kommerziellen Interessen bestimmt wird oder auf exzessiven Photoshop-Manipulationen basiert», so Lindbergh über das, was heute in der Fotografie passiert. Da werden Poren wie Fältchen geglättet, Augen grösser gezogen, Lippen aufgeblasen. «Schönheit», so der deutsche Fotograf, «ist undefinierbar. [...] Man muss die Schönheit halt herausholen, und das geht nur, wenn man den Modellen zeigt, dass man sie nicht manipuliert.»

Das Wahre hinter dem Idealen

Die Grundvoraussetzung: Vertrauen in seine Models. Und «seine Models» waren oft die ganz Grossen. Sein wohl berühmtestes Bild zeigt Linda Evangelista, Naomi Campbell, Tatjana Patitz, Cindy Crawford und Christy Turlington in New York – auf dem Cover der britischen Vogue im Jahre 1990. Für Claudia Schiffer und Kate Moss galt er gar als Vaterfigur. Oft trugen die Mädchen nichts als ein übergrosses Hemd. So lenkt nichts ab von der Persönlichkeit.

Im Mai diesen Jahres lief nach zahlreichen Ausstellungen die Doku «Peter Lindbergh – Women’s Stories» von Jean-Michel Vecchiet in den Kinos. Im Interview mit Spiegel Online sagte er anlässlich des Films: «Einen echten Menschen, der sein ganzes Leben im Gesicht trägt, vor sich sitzen zu haben, ist toll. Und selten.»

Danke, Peter.

Von Linda Leitner am 4. September 2019 - 15:45 Uhr