Style: Nadine Strittmatter, in den letzten zwanzig Jahren liefen Sie für die bedeutendsten Modemacher und zierten die grössten Modemagazine. Sind Sie stolz?
Nadine Strittmatter: Ich bin vor allem glücklich, dass ich das alles machen konnte. Die Zusammenarbeit mit diesen kreativen Menschen prägen mich bis heute. Aber inzwischen habe ich das Gefühl, ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Auch mir selbst nicht. Wenn ich neue Jobs annehme, mache ich das entspannter als früher. Ich sage nicht mehr allen zu und fliege auch nicht für einen Tag nach New York oder London. Ich spüre den Drang nicht mehr.
Werden Sie nostalgisch, wenn Sie an die glamouröse Modewelt der Nullerjahre denken?
Es war schon lässig. Auch, weil es kein Social Media gab. Alles war mysteriöser, unbeschwerter. Man konnte machen, was man wollte, niemand hat einen beobachtet. Es hat auch niemand auf die Umwelt geachtet, das hat sich zum Glück geändert.
Haben Sie Dinge getan oder Jobs angenommen, bei denen Sie heute Nein sagen würden?
Logisch habe ich Sachen gemacht, die ich heute nicht mehr tun würde. Aber ich habe schon immer aus Fehlern gelernt.
Was haben Sie gelernt?
Ich sage nicht mehr zu allem Ja. Meine Interessen haben sich total verschoben, Mode ist nur noch ein Teil von mir.
Wo liegen Ihre Interessen jetzt?
Das kreative Arbeiten in diversen Facetten ist ein grosser Teil meines heutigen Lebens. Zudem reite ich fürs Leben gerne und fühle mich auf Reisen in anderen Ländern wahnsinnig wohl.
Sie haben eng mit grossen Modeschöpfern wie John Galliano, Jean Paul Gaultier und Karl Lagerfeld zusammengearbeitet. Wie war das?
Ich habe viel von ihnen gelernt. Das Wichtigste: Wahre Kreativität wächst im Herzen, nicht im Kopf. Sie ist wild und dreht immer weiter. Wenn du denkst, du hast es, fängt es erst richtig an. Darum – ausser einem Blick ins Archiv – nicht zurückschauen, sondern immer weitermachen.
Sie waren seit einem Jahr nicht mehr in der Schweiz. Wie fühlt es sich an, hier zu sein?
Ich liebe die Schweiz! Alles ist sauber und man kann die Haustüre offen lassen. Aber ich brauche grosse Städte, um mich zu entfalten und zu leben.
Wo ist Ihre Heimat?
Wo ich glücklich bin – am meisten in Paris! Seit ich siebzehn Jahre alt bin, wohne ich dort. Ich habe auch öfter in Amerika und England gelebt, aber nach Paris zieht es mich immer wieder zurück.
Was in Paris zieht Sie so an?
Ich mag es, Schweizerin in Frankreich zu sein. Ich ergänze mich gut mit den Franzosen, die das Leben sehr geniessen. Vor allem liebe ich die Museen, meine geheimen Plätze und den Sonnenuntergang auf der Pont des Arts.
Sie arbeiten auch als Designerin, haben mehrer eigene Kollektionen herausgebracht. Jetzt mit Le Kasha. Was ist Ihr Stil?
Minimalistisch und persönlich. Es sind Stücke, die man lange tragen kann – keine Styles der Saison, sondern Styles, die man dem eigenen Kind weitergeben kann. Ich mag den nachhaltigen Gedanken, darum arbeite ich mit guten Materialen, an denen man lange Freude hat. Die Kleider kann man beim Reisen oder bei einem schicken Essen anziehen. Sie sind bequem und trotzdem gut geschnitten.
Gibt es ausserhalb der Modewelt etwas, was Sie gerne tun würden?
Ich berate seit einiger Zeit Firmen – etwa Banken oder Modemarken – im Bereich des Kreativen. In einem anderen Leben wäre ich Reitlehrerin geworden – habe ich sogar einen Sommer lang gemacht.
Nächstes Jahr werden Sie vierzig. Wie schauen Sie dieser Zahl entgegen?
Ich freue mich unfassbar drauf. Vielleicht nimmt man mich dann endlich ernst (lacht).
Was? Fühlen Sie sich nicht ernst genommen?
Doch, doch! Aber ich hatte schon immer ältere Freunde und war immer die Jüngste. Ich finde das Alter etwas Tolles.
Sind Sie angekommen oder noch am Suchen?
Ich bin schon vom Naturell her keine, die jemals ankommen wird. Ich brauche immer etwas Neues, will immer anfangen. Ich komme an, indem ich weiterziehe und weitermache.
Mehr Interviews, Modestrecken und Inspirationen findet Ihr in der aktuellen Style-Ausgabe, die ab heute der Schweizer Illustrierten beiliegt.