Plastikkrise, Wegwerfgesellschaft, Überkonsum: Über das Problem mit der Nachhaltigkeit wird viel geredet und diskutiert, jede Menge geschrieben, gefilmt und fotografiert. Das ist alles gut und wichtig – hilft aber nichts, solange nicht auch Taten folgen. Und hier kommen die Skandinavier, die alten Überflieger, ins Spiel. Die haben sich für ihre Fashion Week in Kopenhagen ein bisschen mehr vorgenommen, als nur zu quatschen und einen «Sustainability Action Plan» aufgestellt, der stückweise bis Januar 2023 durchgesetzt werden soll. Und bevor jetzt jemand schreit «einen Plan aufstellen kann ja jeder»: Die Dänen stecken schon mitten in der Umsetzung. Es war schliesslich höchste Eisenbahn.
Fortschritt kommt nur durch Taten
10 Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen auf die Mode- und Textilindustrie zurück – mehr als alle Langstreckenflüge und Schifffahrten weltweit zusammen. Damit gehört sie zu den grössten Klimasündern. Und es kommt noch schlimmer: Bis 2030 soll die Industrie um weitere 81 Prozent wachsen. Alleine dagegen ankämpfen kann niemand. Aber mit gutem Beispiel vorangehen: Schon im Januar 2019 hat die Kopenhagen Fashion Week den Gebrauch von Einweg-Plastikflaschen verboten, für Fahrten innerhalb der Stadt E-Autos eingesetzt und sämtliche anfallende CO2-Emissionen während der Modewoche kompensiert. Mit dem Action Plan geht die Offensive jetzt noch ein Stück weiter. Bis 2023 sollen die Emissionen der Fashion Week um 50 Prozent reduziert werden, der Rest weiterhin ausgeglichen. Ausserdem peilen die Organisatoren eine «Zero Waste» Modewoche an. Cecilie Thorsmark, CEO der Fashion Week, bringt es auf den Punkt:
«Wir können nicht länger nur zusehen und hoffen, dass Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit von allein geschieht.»
Der Ansatz bei sich selbst
Was das im Klartext heisst? Künftig promoten die Organisatoren Veranstaltungsorte, die auf eine nachhaltige Bauweise und grüne Energieversorgung setzen, um die Fashion Shows vorrangig dort anzusiedeln. Ausserdem wird mit Partnerschaften dafür gesorgt, dass Container zum Trennen und Recyceln von Abfall aufgestellt werden und sämtliches Besteck, Geschirr und Strohhalme während der Modewoche wiederverwendbar sind. Bis 2022 ist angepeilt, alle Einwegprodukte (Kleidersäcke, Plastikbügel, Kulissenartikel für die Shows) zu verbieten und stattdessen Schulungen anzubieten, die Designern und ihren Teams dabei helfen, unnötige Müllproduktion zu vermeiden. Und weil die Skandinavier herzensgute Menschen sind, planen sie für möglichst grossen Einfluss Partnerschaften mit anderen Fashion Weeks, statt selbst den ganzen Ruhm einzuheimsen.
Gemeinsam stark
Weil eine Woche allein – auch wenn es eine Modewoche ist – nur wenig Einfluss auf die Umwelt hat, setzt die Kopenhagen Fashion Week auf ein besonderes Konzept: Ab Januar 2023 müssen Brands, die ihre Kollektion in Dänemarks Hauptstadt zeigen wollen, bestimmte Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. In sechs verschiedenen Kategorien geht es zum Beispiel um die Materialwahl, die Diversität der Models, das Set-Design oder die Arbeitsbedingungen im Betrieb. Je nach Ist-Zustand erhalten die Brands einen Score, der darüber entscheidet, ob sie das Rennen um einen Slot machen. Nur schon um überhaupt unter die Bewerber zu kommen, müssen sie allerdings 17 Minimal-Standards erfüllen. Easy? Das ist Ansichtssache: 50 Prozent der genutzten Textilien der Marken müssen zertifiziert, organisch, upgecycelt oder recycelt sein, unverkaufte Kleidung darf nicht zerstört werden und das Set-Design für die Shows muss komplett ohne Abfall auskommen. Und keine Angst: Nach 2023 hört Kopenhagen nicht auf, an mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie zu arbeiten. Der Plan bis 2025 ist bereits in Arbeit. Braucht wirklich jemand noch andere Gründe, um sich etwas mehr an den Skandinaviern zu orientieren?