Habt ihr schon mal getöpfert? Keramik gegossen? Gestrickt? Nicht zur Schulzeit, kürzlich! Nein? Shame on you! Wie findet ihr bloss euren Seelenfrieden so ganz ohne Selbstverwirklichung, ohne kreativen Output in Form von meditativem DIY? Basteln ist wie Yoga, nur dass jeder schnaufen darf wie er will. Man atmet Originalität! Wo man früher nachts durch Clubs zog, treffen sich die coolen Kids heute um acht Uhr morgens, um aus weichem Ton anatomisch korrekte Vasen zu formen. Man prostet sich mit Sellerie-Saft zu, die selbst-fabrizierten Armbänder klingeln, die Initialen auf der Brust wackeln.
Everyday I'm bastlin'
Seit Phoebe Philo in ihrer letzten Runde für Céline allen ihre astartigen Anfangsbuchstaben aus Gold um den Hals warf, ist Brandmarken durch Individualisierung zum guten Ton geworden. Hallo, ich bin Linda. Ich bin ein L. Kein A, kein B, kein C. Ein L wie viele andere, aber eben nicht jeder. Die Sucht nach dem Einzigartigsein entfaltet sich genau da am schönsten, wo eigentlich alle gleich aussehen: In den sozialen Medien schiessen Brands aus dem Boden, die alles customizen, was das Herz begehrt, und das Handgelenk hergibt. Labels wie Wald Berlin machen schon lang Geburts-Armbänder für Erwachsene, inzwischen ist die ganze Sache explodiert. Kosenamen wie Flüche lassen sich gleichermassen um die Hand wickeln, ganz bunt und fröhlich. Total individuell.
Auch, weil selbstgefädelt. Ob nun im Internet bestellt oder daheim vom Küchentisch geperlt, spielt letzten Endes keine Rolle. Ob man fürs It-Label oder die eigene Kunstfertigkeit mehr Likes einheimst, ist noch nicht erforscht. Fest steht: Auch Muscheln aus den letzten Ferien werden neuerdings jedem Diamanten vorgezogen. Man behängt sich doch gerne mit Erinnerungen, in die man selbst ein Loch gebohrt hat. So schwelgt man das ganze Jahr in der Meeresbrise des Sommers, wünscht sich zurück an Tage, an denen einfach alles besser war. Unbeschwert.
Vielleicht hat Model Gigi Hadid deshalb ihrem Neffen das Spielzeug-Auto geklaut? Eventuell hängen wir uns drum die Holzfrüchte aus dem Kaufladen um die Ohren und fädeln wie blöd bunte Perlen auf. Weil das an den Spass von früher erinnert, als man keine Pflichten hatte bis auf Wasserfarben und Tonpapier wegräumen und die Barbies vom Boden einsammeln. Vielleicht erreicht man dann den Zen-Status einer 6-Jährigen wieder? Die zwar viel im Kopf hat, aber kaum Böses? Wer braucht schon Heilsteine, wenn man Spielzeug-Schmuck tragen kann?