Samstagmorgen, der Wecker klingelt. Ich war weit weniger frisch, als ich hätte sein sollen. Wars die Bulgari-Party am Vorabend, auf der einer ein Glas, eine andere ein Tablett mit Frischkäse-Küchlein nach uns geworfen hatte und wir unseren Schock mit Gin ertränken mussten? Wars die lange Phase gescheiterter Einschlafversuche danach? Oder einfach nur mein Kopf, der nach drei Tagen voll visueller Reize, dröhnender Musik, schlechter Luft und dichtem Programm nach ein paar mehr Stunden der Geräuschlosigkeit in den weissen Bettlaken lechzte? Keine Zeit zum Nachdenken.
The Shows Must Go On
Wer die Nachrichten verfolgt, hats mitgekriegt: Im Verlauf des Freitags wurden in der Lombardei, der Provinz um Mailand, mehrere Fälle des Coronavirus bestätigt. Während die betroffenen Dörfer unter Quarantäne gestellt wurden, nahmen die Geschehnisse in der Stadt ihren gewohnten Gang. Und doch durfte ich als inzwischen langjährige Fashionweek-Teilnehmerin feststellen, dass ich meinem Hinterteil an den Shows von Samstag und Sonntag ungewohnt wenig Quetschung zumuten musste. Auch bei sämtlichen Präsentationen hatte ich freie Sicht auf die Action. Armani machte aus seiner Show am Sonntagabend gleich eine komplette Geister-Veranstaltung: Er liess keine Gäste zu und erschien zur Location selbst mit Atemmaske. Die Entwürfe des 85-jährigen kamen trotzdem auf den Laufsteg. Sie wurden auf Instagram live gestreamt und sind jetzt bei IGTV als Video verfügbar.
Bevor am Sonntag alle nach Hause bzw. weiter in Richtung Paris reisten, wurde nochmals von grossen Namen geladen. Salvatore Ferragamo, Bottega Veneta, Missoni, Bally, Boss. Dazwischen kleinere, aber mitunter nicht weniger sehenswerte Brands wie MSGM, Annakiki, Drome oder einer meiner persönlichen Lieblings-Up-and-Comers Gabriele Colangelo. Ob 1000 Besucher oder ein paar weniger, langweilig wirds nie.
Talk of the Town
Die zweifelsohne am sehnsüchtigsten erwartete Show war diejenige von Bottega Veneta, die dritte Hauptkollektion von Fashion’s New It-Boy Daniel Lee. Ein paar hundert Menschen durften live dabei sein, am Samstag um 17.00 Uhr. Ich glücklicher Hampeli zählte dazu. Ich nahm Platz auf den weissen Kuben, die den Laufsteg säumten, beobachtete das Who-is-Who der internationalen Modebranche hereinströmen, hörte die schweren Boots auf dem Boden aufschlagen, das leise Rascheln der Fransen, als die Models zu klassischer Musik durch die weisse Halle schritten. Für gute zehn Minuten herrschte Frieden in meiner kleinen Bubble. Definitiv ein Highlight meiner Zeit in Mailand – und einer dieser ganz persönlichen Pinch-Me-Momente, in denen ich mich frage, wie genau ich es eigentlich hierher geschafft habe.
But … Food?
Was soll ich sagen … Das Essen kam leider etwas zu kurz in diesen letzten zwei Tagen. Also genau genommen fings gut an – und ging dann relativ steil abwärts. Nach dem Hammer-Znacht vom Freitagabend gönnten ich und meine lieben Kolleginnen von der Annabelle uns nämlich am Samstag ausnahmsweise mal einen richtigen Lunch: Insalata Caprese und Spaghetti al Pomodoro im chicen Sant’Ambroeus. Food-Himmel, salut! Hätte ich damals schon gewusst, dass ich das Nachtessen zwischen Corona-Virus-verängstigten Dates, Missoni-Show, Bottega-Veneta-After-Party und Packen werden sausen lassen müssen, hätte ich allenfalls nach Nachschub gefragt.
Und so sitze ich hier nun im Zug – das ausnahmsweise nicht extrem feine Hotel-Senato-Rührei liegt schon Stunden zurück – und snacke zerbröselte Darvidas. Und danke dem Leben. Nicht nur, für die tolle Woche die hinter mir liegt, sondern auch, weil meine lieben Eltern mich heute Abend zum Znacht eingeladen haben. Oh du schönes Leben!