Es begann mit einer Kuhhaut, die von der Decke einer Pelletteria baumelte – eines typisch italienischen Lederwarengeschäfts. Die Brüder Lucas und Claudius Knecht suchten nach Ersatz für Lucas’ Lederrucksack, der ihm in Italien gestohlen wurde. Da realisierten sie: Da hängt ein Tierleben dran, und sie begannen zu recherchieren. «Viele denken, Leder sei ein Nebenprodukt der Fleischproduktion», sagt Claudius Knecht. «Aber Lederproduktion ist eine eigene Industrie, Tiere werden extra dafür gezüchtet.» Meist in China, aber noch häufiger wisse man nicht, woher das Leder komme.
Die Brüder haben 50 000 Franken in das Projekt investiert. Seit dem Verkaufsstart im November 2020 haben sie rund 50 000 Franken verdient und damit die Investition gedeckt. Dieses Jahr wollen sie das Zehnfache verdienen.
Eine Alternative muss her, dachten die Brüder. Wieder recherchierten sie und landeten erneut in Italien. In Florenz erfand der Südtiroler Hannes Parth eine Methode, mit der man aus Äpfeln Leder herstellen kann, sogenanntes Applepeel. In dieses Leder kommen nur Rückstände aus der Apfelsaftproduktion. Schalen, Kerne und Stängel werden getrocknet, pulverisiert und mit rezykliertem Kunststoff gemischt. Die klebrige Masse wird Schicht um Schicht auf eine dünne Baumwollmatte aufgetragen. Am Schluss sorgt eine Prägung für die Lederoptik – Sohotree war geboren!
Auf ihrer Website verkaufen die Brüder Portemonnaies, Handyhüllen, Rucksäcke und Schlüsselanhänger aus Apfelleder. Einzig der Geruch verrät, dass es sich dabei nicht um Tierleder handelt: Das Apfelleder riecht nach frisch gedruckten Buchseiten. Mit dieser ebenso originellen wie bahnbrechenden Entwicklung haben die Brüder einen Nerv getroffen. Im November 2020 starteten sie den Verkauf, und bereits fünf Wochen später war das Lager leer. 800 Artikel gingen weg wie warmer Apfelkuchen, die Produktion läuft heiss. Auch mit Ananas oder Trauben liesse sich Leder machen, aber der Apfel sei einfach typisch Schweiz, finden die Brüder. Die Äpfel werden in Südtirol geerntet und in Florenz verarbeitet. Warum nicht im Land von Wilhelm Tell? «Das ist mitunter eine Kostenfrage», sagt Lucas Knecht. In der Schweiz seien die Lohnkosten gut doppelt so hoch wie in Italien. Die Produkte würden dann viel mehr kosten.«Uns ist wichtig, dass sich jeder nachhaltige Lederwaren leisten kann», sagen die Brüder und legen damit den Grundstein für die nächste Apple-Revolution.
Ein Portemonnaie besteht zu etwa einem Drittel aus Bio-Baumwolle, 40 Prozent rezykliertem Kunststoff, der Rest ist aus Äpfeln.