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Für das Cover der neuen Style posieren Denise Biellmann, Sarah van Berkel und Kimmy Repond in glamourösen Looks auf ihrem gewohntem Terrain – dem Eisfeld. Im Video nimmt euch Denise Biellmann hinter die Kulissen des besonderen Shootings mit. Schweizer Illustrierte
Denise Biellmann:

«Zu meiner Zeit hat der Eiskunstlauf geboomt. Das soll wieder so werden»

Drei Generationen, eine Leidenschaft: Denise Biellmann, Sarah van Berkel und Kimmy Repond – die drei bekanntesten Schweizer Eiskunstläuferinnen inszenieren Glamourlooks und geben einen herzerwärmenden Einblick in ihre eisige Welt.

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Viele Mädchen träumen von den glitzernden Eiskunstlauf-Dresses. Wie wählt man so eines eigentlich aus?

Kimmy Repond: Ich schicke immer meine Kürmusik und meine Ideen für das Kleid ein. Dann macht der Designer mir einen Vorschlag dazu.

Also sind alle Eiskunstlaufkostüme massgeschneidert?

Denise Biellmann: Als Kind hat meine Mutter sie mir genäht. Später hatte ich dann ebenfalls eine Kostümdesignerin. Ich habe zu Hause einen Fundus mit meinen Outfits von Shows und Wettkämpfen. Da hat sich über die Jahre einiges angesammelt!

Sarah van Berkel: Ich habe früher oft Kleider von meinen Club-Kolleginnen nachgetragen. Später habe ich gemerkt, dass die Kleider ab der Stange mir nicht ganz passen, da ich einen langen Oberkörper habe. Ich hatte meine Schneiderin im Tessin, durfte die Stoffe und Farben selber auswählen. Aber es war nicht so glamourös, wie man sich das vorstellt! Oft musste ich zwei- oder dreimal zur Anprobe, bevor ich damit glücklich war.

Kimmy Repond: Früher habe ich natürlich auch die Kleider meiner beiden grossen Schwestern getragen. Jetzt passe ich da aber nicht mehr rein, da ich grösser bin. Zum Glück! So darf ich meine eigenen haben. (Lacht)

Das Zurechtmachen im Eiskunstlauf ist sehr wichtig. Worauf schauen Sie besonders?

Denise Biellmann: Das Gesamtpaket muss den Stil des Programms unterstreichen. Dazu gehören Haare, Make-up und das Kleid.

Sarah van Berkel: Als Kind hat mir das Schminken und Frisieren nicht so gefallen. Ich trug die Haare kurz, eher bubenhaft. Ich mochte das so und fand, dass es eigentlich keine Optimierung braucht. Ich musste da reinwachsen.

Kimmy Repond: Ich liebe es, mich im Training zu stylen. Ich fühle mich dadurch einfach wohler. Denise Biellmann: Die Haltung und die Anmut verändern sich dadurch auch sofort.

Denise Biellmann, Sarah van Berkel und Kimmy Repond

Denise Biellmann, Sarah van Berkel und Kimmy Repond standen für die STYLE gemeinsam auf dem Eis.

Chris Tribelhorn, Petya Lova

Wie viel Zeit investieren Sie vor einem Wettkampf oder vor einer Show in das Styling?

Kimmy Repond: Ich lasse mir gern etwas mehr Zeit. Etwa eineinhalb Stunden brauche ich für alles. Leider bin ich nicht gut im Haaremachen, deshalb trage ich eigentlich immer einen Dutt im Nacken.

Sarah van Berkel: Apropos Haare: In Russland gibt es einen Aberglauben, dass es Unglück bringe, seine Haare am Wettkampftag zu waschen. Das hatte mir meine russische Choreografin erzählt. Deshalb habe ich es immer einen Tag vorher gemacht.

Sie sind drei Generationen Eisläuferinnen. Was bewundern Sie aneinander?

Kimmy Repond: Denise und Sarah waren immer meine zwei grossen Vorbilder. Es war mein Ziel, eines Tages auch solche Resultate zu erreichen. Ich habe die beiden schon als Kind bei Art on Ice verfolgt und zu ihnen hochgeschaut. Eines Tages möchte ich auch Europameisterin werden – und eine Medaille bei einer WM gewinnen.

Denise Biellmann: Ich bewundere die Stärke der beiden, und dass sie zeigen, was sie können. Wir teilen die Freude und Leidenschaft für diesen Sport, das verbindet uns einfach.

Sarah van Berkel: Denise ist eine Pionierin. Sie hat viele Elemente weltweit als erste Frau geschafft, ohne dass sie bei jemandem abschauen konnte. Und was ich noch mehr bewundere: Dass sie trotzdem so bescheiden geblieben ist. Und einfach ein lieber Mensch. Und bei Kimmy sehe ich diesen brennenden Ehrgeiz und diese Freude auf dem Eis, die ansteckend ist. Und ich bewundere, dass sie nie aufgibt, trotz vieler Verletzungen.

Denise Biellmann, was war zu Ihrer Zeit im Eiskunstlauf anders?

Ich war die einzige Frau, die fünf Dreifachsprünge beherrschte. Die anderen Frauen konnten vielleicht einen oder zwei. Und nur die besten drei Männer konnten ebenfalls fünf, so wie ich. Heute ist das Feld an der Spitze viel breiter geworden, Dreifachsprünge zeigen eigentlich alle und es wird auch erwartet. Zu meiner Zeit waren auch die Eisen und Schlittschuhe viel schwerer. Und das Pflichtfahren war ein Bestandteil jedes Wettkampfs und kam mit in die Bewertung der Kür. Bei der Pflicht mussten festgelegte Figuren so präzise wie möglich gelaufen werden. Ich habe es gehasst. 1990 wurde das Pflichtfahren abgeschafft. Wäre der Pflichtteil nicht gewesen, hätte ich noch viel mehr Medaillen gewonnen.

Denise Biellmann

Denise Biellmann weiss genau, wie sie sich spektakulär inszeniert.

Chris Tribelhorn, Petya Lova

Was bedeutet Ihnen der Eiskunstlauf?

Sarah van Berkel: Für mich war es ein Zuhause. Und ein Ventil, meine tiefsten Gefühle auszudrücken. Alles, was ich gelernt habe für mein Leben, habe ich in diesem Sport erfahren.

Kimmy Repond: Ich habe es einfach schon immer geliebt. Auch ich habe schwere Tage, aber trotzdem freue ich mich immer auf jedes Training.

Denise Biellmann: Es ist einfach mein Leben. Bis heute. Ich vergesse dabei die Welt um mich herum.

Welcher Moment auf dem Eis war für Sie der emotionalste, der bedeutsamste?

Kimmy Repond: Einer war sicher die EM-Bronzemedaille im 2023 im finnischen Espoo. Aber besonders emotional für mich war die WM in Montreal diesen März. Ich kämpfte mit einer Rückenverletzung und konnte mich nicht gut vorbereiten. Nach dem Kurzprogramm stand ich auf Rang 12, dann lief ich meine bislang beste Kür und landete schliesslich auf Rang 5. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet und bin sehr stolz auf diese Leistung.

Sarah van Berkel: Bei mir ist es natürlich der EM-Titel 2011 in Bern. Da es auch mein letzter Wettkampf war, spielten so viele Emotionen mit. Alles hatte sich angestaut. Und alles durfte in Form von Tränen raus.

Denise Biellmann: Es war die Goldmedaille bei der WM 1981 im amerikanischen Hartford. Das war schon als Siebenjährige mein Traum gewesen. Diese Glücksgefühle hatte ich bis dahin noch nie in dieser intensiven Form erlebt.

Und welcher war der schwerste Rückschlag Ihrer Karriere?

Kimmy Repond: Die letzte Saison. Über ein halbes Jahr erlebte ich ein Auf und Ab. Du schöpfst immer wieder Hoffnung, dann werden die Schmerzen und Verletzungen wieder schlimmer. Das war mental sehr anstrengend. An der EM im litauischen Kaunas konnte ich fast nicht mehr laufen vor Schmerzen. Und ich konnte die Saison gar nicht richtig geniessen. Das war hart.

Denise Biellmann: Bei der EM in Göteborg 1980 war ich als 18-Jährige das erste Mal an einem Wettkampf ohne mein Mami. Ich fühle mich nicht wohl und fiel zweimal hin. Das war ich nicht gewohnt, normalerweise performte ich immer top. Ich habe mich geschämt und hatte das Gefühl, mich vor der Schweiz blamiert zu haben. Ich hatte danach eine Blockade und wollte nach Hause, aber mein Trainer hat das nicht zugelassen. Ich musste zwar nicht antreten, habe mir aber den Wettkampf von der Tribüne angeschaut. So konnte ich die Angst überwinden. Göteborg bleibt ein rotes Tuch für mich.

Sarah van Berkel: Dort willst du keine Ferien machen, gell?

Denise Biellmann: (Lacht.) Nein danke!

Kimmy Repond

Kimmy Repond wünscht sich, dass der Eiskunstlauf-Sport in der Schweiz wieder populärer wird. Sie liebt es, in vollen Stadien aufzulaufen.

Chris Tribelhorn, Petya Lova

Denise Biellmann und Sarah van Berkel: Was denken Sie über die neuen Generationen? Wo sehen Sie die Herausforderungen?

Sarah van Berkel: Wir haben eine super Generation im Schweizer Eiskunstlauf. Es ist krass, was die jungen Läuferinnen und Läufer heutzutage alles unter einen Hut bringen müssen. Mit Schule, Social Media, sich selbst vermarkten, um Sponsoren zu gewinnen, und den Trainings wird das schnell zu viel. Ich habe als Teenager einmal pro Woche Trockentraining gehabt, heute müssen die Jungen eine Stunde pro Tag trainieren. Den ganzen Aufwand können viele Familien fast nicht mehr stemmen, auch finanziell nicht.

Denise Biellmann: Ich sehe die Herausforderung in der Gesundheit. Man muss an seine Grenzen gehen, sonst hat man nie Erfolg. Trotzdem muss man auf seinen Körper hören und darf nicht übertreiben. Kinder und Jugendlich können diese Grenzen schlecht einschätzen. Diese Aufgabe müssen die Coaches übernehmen und ihre Schützlinge zügeln.

Was würden Sie sich für den Eiskunstlauf wünschen? Mehr Preisgeld?

Kimmy Repond: Ja, das wäre natürlich sehr toll! (Schmunzelt.) Aber vor allem würde ich mir mehr Eislauf-Shows wünschen, so wie früher. Es wäre schön, wenn unser Sport in der Schweiz populärer werden würde, und wir nicht in halbleeren Stadien performen müssten. In Japan an der WM bin ich zum Beispiel vor 18 000 Zuschauern gelaufen.

Denise Biellmann: Ich hatte das Glück, dass Eiskunstlauf zu meiner Zeit geboomt hat. Wir hatten immer ausverkaufte Wettkämpfe und Shows, in Amerika war es die Sportart Nummer 1. Das soll wieder so werden!

Sarah van Berkel: Die Show Art on Ice ist in der Schweiz immer noch sehr populär. Es wäre schön, wenn diese Popularität auf die Wettkämpfe rüberschwappen würde. Wenn man an der Weltspitze steht so wie Kimmy, kann man gut vom Sport leben. Aber für die meisten bleibt Eiskunstlauf als Beruf für immer ein unerfüllter Traum.

Kimmy Repond: Ich hatte ja die Ehre, schon mit dreizehn Jahren an Art on Ice vor Zehntausenden Zuschauern aufzutreten. An der Schweizer Meisterschaft waren es dann nur noch vierhundert. Das ist schon eine ganz andere Nummer.

Denise Biellmann: Zum Glück ist 2027 wieder Heim-EM.

Kimmy Repond: Ja, darauf freue ich mich wie verrückt!

Sarah van Berkel: Und da schauen wir dann auch, dass alle Schweizerinnen und Schweizer nach Lausanne zuschauen kommen, gell!

Sarah van Berkel

Sarah van Berkel hat die Seiten gewechselt: nach der Profi-Eiskunstlaufkarriere blickt sie nun als Athletenmanagerin und Sportjournalistin etwas anders auf den Sport.

Chris Tribelhorn, Petya Lova

Sarah van Berkel, 40
Dieser Sieg ging unter die Haut: An ihrem letzten Wettkampf an der Heim-EM in Bern 2011 holt die Eisläuferin die langersehnte Goldmedaille. Mit ihrem eleganten Stil verzauberte sie die Fans lange. Heute ist sie Mama von zwei Kindern, Sportjournalistin, Athletenmanagerin, sie wirkt bei Eislaufprojekten mit.

Kimmy Repond, 18
Dreifache Schweizer Meisterin, EM-Bronze und WM-Fünfte: Die junge Eisläuferin ist der derzeit hellste Stern am Schweizer Eislaufhimmel. Und Repond träumt gross: vom EM-Titel, von den Olympischen Winterspielen 2026 in Italien und von einer Medaille bei einer Weltmeisterschaft.

Denise Biellmann, 61
Die Schweizer Eiskunstlauf-Legende und Weltmeisterin von 1981 gilt als Pionierin des Sports. Ihre ikonische und nach ihr benannte Biellmann-Pirouette machte sie umso populärer. Heute trainiert sie im Dolder den Schweizer Nachwuchs und tritt in Eislaufshows auf.

Das Shooting wurde auf der Eisfläche des OYM-Spitzensportzentrums in Cham inszeniert, wo sonst auch der EV Zug trainiert. Das Center bietet seit 2020 eine Top-Infrastruktur für Athletiktraining, modernste Sportanlagen und interdisziplinäre Forschung, die Athletinnen und Athleten aus elf Sportarten in vier Kernkompetenzen fördert. Kürzlich wurde auch der OYM Campus eröffnet.

Von Yara Vettiger am 17. Dezember 2024 - 12:00 Uhr