Lukas Mäder und Adrian Schräder treffen Lukas Jäger. Das klingt zunächst sehr unspektakulär. Zumindest einer der drei Herren ist aber nicht so konventionell wie sein bürgerlicher Name zunächst verheissen mag: Als Schlagersänger Dagobert feiert der 32-jährige Aargauer Lukas Jäger derzeit einen vielleicht etwas schleppenden, aber doch stetig vorangehenden Siegeszug durch den deutschsprachigen Raum. Am Rande seines Konzertes im Zürcher Exil ergab sich die Gelegenheit mit dem Sonderling über die Sprache, die Einsamkeit und seine grossen Ziele zu plaudern.
SI Style: Dagobert, hast Du ein Lieblingswort?
Dagobert: Nein.
Müsste das nicht klar sein bei einem Schlagersänger?
Du meinst Liebe?
Oder Sehnsucht.
Auf keinen Fall. Ich finde Wörter auch nicht so wichtig, wie man vielleicht meinen könnte. Wörter geben ja nur wieder, was schon da ist. Das ist ja nur so eine Art Übersetzung.
Wie wichtig ist der Reim?
Die Tatsache, dass man sich überhaupt dem Reimschema bedient, beweist ja eigentlich schon, dass die Worte an sich nicht so wichtig sein können. Die Art und Weise, wie das Ganze rübergebracht wird, ist viel wichtiger.
Du hast für deine Songs das Hochdeutsche gewählt. Wieso eigentlich?
Schweizerdeutsch ist meine Muttersprache, aber ich fand das schon als kleines Kind alles etwas komisch mit diesen Worten. Deutsch ist wenigstens etwas umfangreicher als Schweizerdeutsch. Damit kann man mehr anstellen.
Du hast laut deiner Biografie fünf Jahre alleine in einem Haus in Panix in den Schweizer Bergen gelebt. Zuvor hast du während einem Aufenthalt in Berlin eine ältere Frau kennengelernt und dich unsterblich in sie verliebt. Anschliessend entstanden genau hundert Songs an die Angebetete. Eine Wahnsinnsgeschichte. Oft heisst es deshalb: Dieser Dagobert ist eine geniale Inszenierung.
Wahnsinnig genial finde ich das eigentlich nicht. Das hat sich einfach alles so ergeben. Ausgedacht habe ich mir von alledem gar nichts. Natürlich habe ich schon irgendwo gemerkt, dass das alles ganz gut passt, um etwas darzustellen.
Wann?
Ich habe viele Jahre einfach so für mich Musik gemacht. Irgendwann habe ich dann aber meine Gesinnung geändert und fand: Doch, ich will jetzt die Musik mit den Leuten teilen. Das bedeutet aber, dass man auf die Leute zugehen und ihnen etwas bieten muss. Da macht es schon Sinn, wenn man etwas darstellt und für etwas steht.
Zuvor hast du gar nichts mit irgendjemandem geteilt, hast das Leben eines Einsiedlers gelebt.
Ja, der Schritt war sehr extrem. Ich war fünf Jahre lang alleine in einem Haus in den Bergen. Drei Jahre davon waren voll gut. Aber irgendwann ist es mir doch einfach zu einsam geworden. Vielleicht bin ich ja auch verrückt geworden dort oben – wer weiss. Jedenfalls habe ich gemerkt: Mein einziger Ausweg ist die Musik.
Und dann konntest du von einem Tag auf den anderen den Schalter umlegen und wieder Menschen ertragen?
Es geht ja um den Willen. Wenn man etwas will, dann geht eigentlich alles.
Wie weit geht dein Wille?
Ich wollte einfach Musik machen, die sich irgendwie verselbstständigt. Natürlich habe ich noch ein bisschen konkretere Ziele. Aber wenn ich die dir jetzt erzähle, dann würdest du mich wahrscheinlich für grössenwahnsinnig erklären.
Raus damit!
Ich will mit meiner deutschsprachigen Musik einen Nr. 1 Hit in den USA landen und dann auf Welttournee gehen.
The next Falco!
Stimmt, er war der Einzige bis jetzt. Aber das Lied hiess «Rock Me Amadeus». Das zählt nur halb. Ich will das mit einem deutschen Titel schaffen.
Weisst du schon, wie dein Welthit heissen wird?
Ich glaube, den habe ich noch nicht geschrieben. Das ist noch ein weiter Weg.
Welches war der Moment, in dem du gemerkt hast: Musik löst was bei mir aus?
(pfeift) «Wind of Change» von den Scorpions.
Welches war dein bisheriger Lieblingsmoment an einem Dagobert-Konzert?
Letzten Freitag in Essen: Mille von Kreator spielte das Solo in «Wir leben aneinander vorbei». Er ist mein absoluter Musik-Gott.
Der glamouröseste Moment?
Es gab mal ein grosses Doppelinterview mit mir und den Scorpions für die Zeitschrift «Spex». Das war schon sehr toll. Klaus Meine, der Sänger, hat mich stark an meine Mutter erinnert: ganz klein und ganz lieb.
Der unglamouröseste Moment?
Wir haben mal in Rostock in einer Halle für 500 Leute gespielt. Es sind allerdings nur elf gekommen.
Ein Beispiel für eine perfekte Songzeile?
«Du bist viel zu schön, um auszusterben. Lass deine Kinder deine Schönheit erben.»
Dein letzte musikalische Entdeckung?
Ich hab sie bereits erwähnt: Die deutsche Trash-Metal-Band Kreator. All die neue, tolle Musik will ich gar nicht hören. Ich will mich nicht ablenken lassen. Ich finde Künstler erst interessant, wenn sie...
...gestorben sind.
Nein, das nicht. Aber sie müssen schon einen gewissen Weg zurückgelegt haben. Es wird erst interessant, wenn ein ganzes Leben dranhängt.
Was gehört in die Kategorie?
Alles, was ich höre: Kreator, die Scorpions, Lou Reed, Hank Williams, The Cramps, die Flippers, Doris Day.
Gibt es Schweizer Musik, die man da einordnen könnte?
Es gab bis jetzt noch nichts aus der Schweiz, was mich richtig abgeholt hat. Ausser Double. Die waren geil.
Die Interviewserie «A Personal Note From ...» ist ein Gemeinschaftswerk von Journalist Adrian Schräder und Fotograf Lukas Mäder. Im 2-Wochen-Rhythmus treffen sie dafür kreative Menschen aus den verschiedensten Bereichen. Den Abschluss jedes Gespräches bildet die «Personal Note»: Auf einem weissen Papier halten die Interviewten einen Gedanken handschriftlich fest.