Kaiserwetter im Engadin: Fotograf Mäder und Journalist Schräder haben viel Sonne mit ins winterliche Engadin gebracht. Das Treffen mit Spitzenkoch Daniel Bumann und seiner Frau Ingrid findet im hellen Licht der Bündner Bergwelt statt – bei Aufschnitt und Brot. Wir sitzen im 700-Seelen-Dorf La Punt, nur einen Steinwurf von seinem Restaurant Chesa Pirani entfernt. In dessen blitzblanker Küche hat sich der 56-Jährige in den letzten zwanzig Jahren 18 Gault-Millau-Punkte und zwei Michelin-Sterne erkocht. Immer eine Herausforderung vor Augen, immer ein Ziel vor sich.
SI Style: Herr Bumann, was macht einen guten Gastronomen aus?
Daniel Bumann: Vieles hängt von der Einstellung ab. Wenn das Bemühen, die Leidenschaft und die Freude gross sind, dann ist in der Regel auch die Qualität gross. Und wenn es an diesen Grundvoraussetzungen fehlt, dann ist auch die Qualität mangelhaft.
That’s it?
Nein. Das alleine reicht natürlich nicht. Da kommen noch etliche Dinge hinzu. Zum Beispiel: Die finanziellen Mittel, der Standort, ein motiviertes Team. Die Ausbildung darf man auch nicht vergessen.
In der Sendung «Bumann – Der Restauranttester» versuchen Sie Gastronomen in Not zu helfen. War das Fernsehmachen für Sie ein langgehegter Wunsch?
Nein. Ich habe nie davon geträumt mal in einer Fernsehsendung aufzutreten. Es ist einfach per Zufall passiert. Und irgendwann bist du einfach voll drin. Eigentlich wollte ich nach der ersten Staffel gleich wieder aufhören.
Warum?
Zu diesem Zeitpunkt habe ich es mir nicht leicht gemacht, weiter zu machen, weil damals vieles für mich nicht gepasst hat. Doch der Sender unternahm alles, damit die Infrastruktur optimiert wurde. So auch für meine Frau, welche mich auch in diesem Format voll und ganz unterstützt - sie hat nun ihre wichtige Aufgabe vor, während und nach den Dreharbeiten offiziell inne.
Und warum ging es dann trotzdem immer weiter?
Weil man sich dann irgendwann in einem Sog befindet und nicht mehr zurück kann. Angefangen hat es damit, dass die Sendung schon nach der ersten Staffel für den Fernsehpreis nominiert worden ist. Die vom Sender haben gesagt: «Du kannst uns jetzt, da wir so erfolgreich sind mit dem Produkt, nicht im Stich lassen! Die Leute wollen mehr!» Ich frage mich selber oft auch: Warum machst du das?
Und?
Wenn nicht so viel dranhängen würde, hätte ich auch schon lange aufgehört. Es bewegt sehr viele Leute – nicht nur diejenigen, die ich in den Gastrobetrieben betreue. Das schauen sehr viele Mitbetroffene aus der Branche. Die können sich dieses oder jenes hinter die Ohren schreiben.
Sie wollen pädagogisch wirken?
Ja! Das Format soll auch einen Haufen Leute davon abhalten den Traum vom eigenen Betrieb zu verwirklichen. Nur weil man zuhause gerne am Herd steht, heisst das noch lange nicht, dass man eine Beiz aufmachen sollte. Hinter dem Job des Gastronomen ist viel mehr verborgen, als man annimmt. Man muss extrem vielseitig sein. Es braucht so viel, um erfolgreich zu sein in dem Beruf.
Wieso erleiden so viele Gastrobetriebe Schiffbruch?
Das Geschäft ist knallhart. Gerät ein Betrieb in Schieflage, türmen sich die Schulden unglaublich schnell. Die Betroffenen merken oft gar nicht, was mit ihnen passiert. Mir wird oft vorgeworfen, ich springe mit den Leuten zu hart um. Aber wir haben wenig Zeit in den jeweiligen Betrieben. Man muss den Leuten ihre Situation gnadenlos vor Auge führen, sonst schaffen sie es niemals das Steuer herumzureissen.
Aber wieso steigen denn so viele Leute ohne grosse Vorkenntnisse in die Gastronomie ein?
Der Spruch «Wer nichts wird, wird Wirt» kommt nicht von ungefähr. Den Traum den Gastgeber zu spielen und von Tisch zu Tisch zu gehen und einzukassieren, hegen ganz viele. Und viel zu viele setzen ihn um.
Warum?
Weil sie denken: Da kann man schnelles Geld verdienen. Die Realität ist leider eine ganz andere.
Ist das für Sie als Spitzenkoch nicht ätzend mit Leuten zu tun zu haben, die auf den falschen Dampfer gesetzt haben?
Nein, überhaupt nicht! Wie gesagt: Ich profitiere auch davon, lerne neue Menschen kennen, kann mein Wissen einbringen, lerne das Metier Fernsehen kennen. Aber das heisst nicht, dass die Aufgabe nicht fordernd ist. Nach zwei Monaten Dreharbeiten bin ich völlig ausgelaugt. Das macht aber gleichzeitig auch den Erfolg des Formats aus. Die Leute merken, dass ich alles gebe.
Wie schaffen Sie den Ausgleich?
Mit Sport. Aber auch dort suche ich die Herausforderung – sei’s beim Langlaufen, sei’s bei Langstreckenläufen. Ich bin sehr leidensfähig. Ich leide auch jedes Mal. Aber ich will nicht tot umfallen. Ich will aufrecht durchs Ziel.
Welches ist Ihre grösste kreative Leistung?
Ich habe bis jetzt immer das Glück gehabt, dass ich im richtigen Moment den richtigen Einfall geschenkt bekommen habe. Die wesentliche Idee in meinem Leben, war eigentlich meine Frau zu heiraten. Über sie bin ich auch zum Safran gekommen, denn ein Teil ihrer Familie stammt aus dem Walliser Dörfchen Mund – dem einzigen Ort in der Schweiz, an dem Safran angebaut wird. Daraus kreieren wir seit 25 Jahren unsere Safranmenüs. Gibt’s sonst nirgends auf der ganzen Welt.
Welches ist die wichtigste Lektion, die Sie von ihren Eltern mit auf den Weg bekommen haben?
Spontan fällt mir ein Spruch ein: «Einem bösen Hund gibt man zwei Knochen.» – Der hat in meinem Leben sehr viel Wahrheit.
Welches war der Moment, an dem Sie gemerkt haben: Kochen ist mein Metier?
Ich wollte eigentlich Sportreporter werden. Ich hatte einen guten Ausdruck, viel Temperament und war fasziniert vom Sport – ich bin es heute noch. Dann habe ich aber gemerkt, dass man dafür studieren muss. Und das war nicht so mein Ding. Deshalb hat sich für mich ein anderer Weg eröffnet. Meine Eltern hatten im Wallis ein Ausflugsrestaurant – und wir vier Kinder waren alle eingespannt. Ich bin den guten Gerüchen gefolgt – meine Mutter hat hervorragend gekocht – und so bin ich in der Küche gelandet.
Ihre erste Erinnerung ans Kochen?
Coups machen ohne Ende, Walliserteller machen ohne Ende. Und alles schön anrichten.
Der glamouröseste Moment Ihrer bisherigen Karriere?
Ich durfte schon viele schöne Momente erleben. Diese zu werten, ist sehr schwierig. Aber der Weltmeistertitel, den wir 1988 mit der Schweizer Kochnationalmannschaft geholt haben, war schon etwas ganz Besonderes. Mit dem Sieg hätte niemand gerechnet.
Wie lange kosten Sie einen solchen Sieg aus?
Bei mir heisst es eigentlich immer: Abputzen und weiter. Denn dann wartet schon die nächste Herausforderung. Das ist auch das Einzige, was ich mir vorwerfen kann: Den fehlenden Genuss. Man sollte auch mal innehalten und seinen Erfolg geniessen können.
Der unglamouröseste Moment Ihrer bisherigen Karriere?
Das sind all jene Momente, in denen ich einstecken muss. Wenn etwas passiert, was ausserhalb meiner Macht steht. An solchen Niederlagen habe ich lange zu kauen. Zum Beispiel, wenn sich ein langjähriger Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen dazu entscheidet den Betrieb zu verlassen.
In der Küche geht es laut zu und her. Da fliegen oft die Fetzen. In Ihrer Küche auch?
Ich glaube, das hat sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren massiv verändert. Zum Teil kann man das der technischen Entwicklung zuschreiben. Eine moderne Küche ist ein toller Arbeitsplatz. Der Druck und der Stress haben abgenommen.
Sie fluchen und schimpfen also nicht jeden Tag.
Nein. Ich setze mein Fluchen gezielt ein. Ich kann schon auch toben wie eine Wildsau – aber nur, wenn es angebracht ist. In dieser Beziehung habe ich viel gelernt. Ich war früher viel lebendiger.
Ihre letzte musikalische Entdeckung?
Als wir in Pfäffikon im Kanton Schwyz gedreht haben, sind wir mit der Feuerwehr ausgerückt, um Werbung für das Lokal zu machen, dem wir unter die Arme gegriffen haben. Zufällig haben wir dann auch die Mutter von Beatrice Egli vor ihrer Metzgerei angetroffen. Das war eine unglaublich herzliche Begegnung. Mutter und Sohn Egli haben uns gleich noch den ganzen Betrieb gezeigt.
Welcher Sportler begeistert Sie am meisten?
Da kann ich mich nicht auf einen festlegen. Im Einzelsport sind es Leute wie Dario Cologna oder Roger Federer. Sie faszinieren mich durch ihre Einfachheit und Professionalität. Beim Mannschaftssport ist es Bayern München. Dieses Gefüge, die Psychologie dahinter ist absolut beeindruckend. Deshalb bewundere ich auch Leute wie Ottmar Hitzfeld oder Arno Del Curto, die ein solches Gefüge kreieren können.
Sie auch?
Ich bin zwar kein Ottmar Hitzfeld, aber ich glaube schon, dass ich mittlerweile ein recht gutes Händchen für das Personal habe. Sonst könnten wir nicht schon so lange auf diesem Niveau kochen. Bumann’s Chesa Pirani gibt es jetzt seit zwanzig Jahren – und der Erfolg nimmt nicht ab.
Die Interviewserie «A Personal Note From ...» ist ein Gemeinschaftswerk von Journalist Adrian Schräder und Fotograf Lukas Mäder. Im 2-Wochen-Rhythmus treffen sie dafür kreative Menschen aus den verschiedensten Bereichen. Den Abschluss jedes Gespräches bildet die «Personal Note»: Auf einem weissen Papier halten die Interviewten einen Gedanken handschriftlich fest.