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Ist der Ruf erst ruiniert …

Was genau ist eigentlich dieser Feminismus?

Am 14. Juni – also heute – streiken die Schweizer Frauen wieder und der Begriff Feminismus steht dabei wie ein Elefant im Raum. Aber was heisst das denn nun genau? Ein Erklärungsversuch.

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Was genau ist eigentlich Feminismus?

Wir wollen ja gar nicht die Weltherrschaft (na gut, ok – vielleicht ein kleines bisschen). Wir wollen Respekt und Gleichberechtigung.

Getty Images

Eine kleine Anekdote vorweg. Für diesen Artikel habe ich eine Rundmail geschrieben. An fünf Kolleginnen und vier Kollegen. Meine schwer investigative Frage an diese neun Menschen: Was bedeutet für euch der Begriff «Feminismus»? Geantwortet haben fünf der Befragten. Ratet mal welche …
Gut, der Fairness halber: Einer der Männer hat ebenfalls reagiert. Er sei nicht kompetent genug – ich möge doch jemand anderen fragen.

«Feminist*innen sind für mich alle, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. Das kann ein überschminktes und freizügiges Model sein, aber auch – oh Schreck – ein Mann. Mit der Optik, dem Geschlecht, der Herkunft, dem Beruf, dem Zivilstand (und allem anderen, gegen das Anti-Feminist*innen heute so wettern) hat das Ganze für mich nichts zu tun. Feminismus steht für eine Bewegung, die traurigerweise auch heute noch darum kämpfen muss, dass sich Frauen und Männer im Beruf und Alltag ebenbürtig begegnen können. Ob man es sich nun gross und breit auf die Fahne schreibt oder eben nicht, ein*e Feminist*in sollte im Herzen aber doch wohl jeder sein. Alle anderen bleiben mir bitte fern.»

Wieso ist denn das also so schwierig mit dem Feminismus? Er schwirrt uns doch gerade überall so laut um die Köpfe. Und trotzdem scheinen die meisten immer noch nicht zu wissen, was er eigentlich bedeutet – oder wollen lieber erst gar nichts damit zu tun haben.

«Ich möchte nie wieder gefragt werden, wo denn die Kinder sind, wenn ich arbeite. Ich möchte nie wieder hören (mit diesem traurigen, leicht bemitleidenden Unterton in der Stimme), dass Mütter halt schon Prioritäten setzen müssen. Feminismus ist mein Weg dahin. Mein Mann ist übrigens auch nicht der Babysitter. Er ist der Vater und kriegt das ziemlich gut hin.»

Feminismus, der – Substantiv, maskulin

Das Problem ist vielleicht sein Ruf. Feminismus. Da flimmern vielen Bilder von wütenden Frauen über die innere Leinwand, die männerfeindliche Parolen grölen und mit unrasierten Achseln Plakate durch die Luft wedeln. Gähn. Macht doch bitte alle mal ein Software-Update. Es ist nämlich so: Feminismus bedeutet nichts anderes, als zu wissen, dass man ungerechnet behandelt wird und sich aktiv dagegen einzusetzen. Dabei kann man sich die Achseln rasieren oder nicht, Sneaker tragen oder Naked Sandals, laut brüllen oder leise demonstrieren, Mutter sein oder Single, BHs mit Push-up mögen oder gar keinen tragen. ES IST EGAL! Feminismus definiert nicht wer wir sind oder wie wir uns anziehen. Feminismus heisst, dass wir zusammenhalten und für unsere Rechte kämpfen – die gleichen Rechte, die sich die andere Hälfte der Menschheit schon längst ganz selbstverständlich zu eigen gemacht hat!

«Feminismus bedeutet für mich den Einsatz für die komplette Gleichberechtigung – nicht mehr und nicht weniger. Ja, wir ‹dürfen› heute gnädigerweise wählen, studieren, arbeiten. Letzteres aber immer noch mit weniger Lohn und Respekt als die männlichen Kollegen. Das muss sich endlich ändern! Auch, damit bald mehr Frauen auf der Teppichetage mitreden. Nur so erhalten unsere Stimmen und Anliegen Gehör.»

Ich bin blond, interessiere mich für Mode und schreibe da sogar beruflich drüber. Das heisst nicht, dass ich weniger wert bin als mein Kollege, der morgens blind einen seiner drei identischen Anzüge anzieht und dann seine «News»-Artikel verfasst. Warum verdient eine Mutter so viel weniger als ihr Partner und muss sich dabei noch ständig für die Organisation ihrer Kinderbetreuung rechtfertigen, während Männer ein schmachtendes «jööö» kassieren, wenn sie verkünden, sich in Zukunft mehr um die Familie kümmern zu wollen?

«Feminismus ist für mich das schiere Unverständnis, mit dem mein 8-jähriger Sohn ‹hä, warum?› fragt, wenn ich meinen Kindern erkläre, dass in den meisten Berufen und Ländern die Leistung der Frauen weniger wert ist – was sich z.B. in tieferen Löhnen zeigt. ‹Frauen sind doch genau gleich Menschen wie Männer, und darum gleich viel wert? Oder sogar noch mehr, weil sie Kinder kriegen und Kinder braucht es für die Zukunft.›»

 

 

Feminismus bedeutet für mich, es nicht einfach normal zu finden, wenn mir auf offener Strasse, in einem Club oder vor einer Bar ein wildfremder Mann an den Hintern fasst, weil er sich gerade danach fühlt. Es bedeutet, emotional sein zu dürfen, ohne als labil abgestempelt zu werden. Meine Stärken zu kennen und Anerkennung dafür zu fordern. Als wichtiges Individuum wahrgenommen zu werden statt als schwaches Geschlecht. Es bedeutet, dass wir alle gleich sind und verdammt noch mal auch so behandelt werden sollen!

«‹Nasty and Sweet and Rude and Smart and Tired and Grumpy and Fragile and Loud and Quiet and Strong and Insecure and Broke and Uncool and Pessimistic and Shy and Unsatisfied and Annoying›. Auf dieses Zitat bin ich auf dem Account von @wastedrita gestossen. Ein kraftvoller Beschrieb, was Feminismus klarstellen will. Nämlich, dass eine Frau alles sein kann – alles tun kann, was sie möchte. Ausserhalb aller Rollen-Klischees. Denn es scheint immer noch erwähnenswert, dass starke Frauen genauso verletzlich sind wie alle anderen Frauen. Auch sie gehen durch tiefe Täler, machen Fehler, sind nicht permanent souverän, fühlen sich hin und wieder klein, haben Bedürfnisse, sind liebevoll, albern, laut und leise, wie jeder andere Mensch auch. Das Beste ist übrigens das Ende des Instagram-Zitats, denn wir sind: ‹… Oh, so tired but ready to kick your Mysogynistic Ass.› Pause ist nicht.»

 

Von Style am 14. Juni 2023 - 12:00 Uhr